Andreas Volz
Kirchheim. Rektor Uwe Häfele berichtet in einem Pressegespräch davon, wie sehr sich die Arbeitswelt gewandelt habe: Nicht nur seien die Anforderungen an Auszubildende gestiegen, es seien auch Defizite in der Eigeninitiative der Schulabgänger festzustellen, und außerdem falle die Unterstützung durch die Elternhäuser vielfach nicht mehr so aus, wie man sich das eigentlich wünsche. Ab 2003 sei an seiner Schule die Übergangsquote von der Hauptschule in eine Berufsausbildung von 20 bis 25 Prozent einer Abschlussklasse kontinuierlich gefallen – auf nur noch zehn Prozent.
In Kooperation mit der Volkshochschule habe 2005 ein Projekt begonnen, bei dem die Schüler bereits vor ihrem Schulabschluss durch Bewerbungstraining und persönliches Coaching gezielt auf die Berufsausbildung vorbereitet wurden. Ein Jahr später waren die dafür vorgesehenen Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds allerdings schon aufgebraucht.
An der Alleenschule ging das Projekt in geänderter Form weiter. Derzeitige Partner sind das Kommunikationszentrum für interkulturelle Zusammenarbeit (KiZ), der Fachdienst Jugend, Bildung, Migration der Bruderhaus-Diakonie aus Nürtingen sowie die Bundesagentur für Arbeit. Finanziert werde die Berufswegeplanung an der Alleenschule zu 50 Prozent von der Bundesagentur und zu 50 Prozent von anderen Partnern, sagt Berufsberater Hartmut Heintz. Wie für die Lehrkräfte gelte auch für ihn, dass er seine Beratung gar nicht in dem Umfang leisten könne wie die Mitarbeiter der beiden anderen Träger.
Gerade für die „passgenauen Angebote“ gilt es nämlich, gemeinsam mit den Jugendlichen herauszufinden, wo ihre jeweiligen Begabungen und Interessen liegen. In Klasse 8 ist dafür an der Alleenschule zunächst einmal das KiZ zuständig. Dessen Leiter Wolfgang Schinko berichtet von Berufsorientierungsseminaren, zu denen auch das „Arbeiten“ in einem simulierten Betrieb gehört. Wenn es schließlich darum geht, in Einzelgesprächen die Fähigkeiten der Schüler auszuloten, dann handle es sich hierbei nicht nur um ein „sachliches Abfragen“. Vielmehr gehe es um intensive „Beziehungsarbeit“.
In Klasse 9 „übernehmen“ die Mitarbeiter der Bruderhaus-Diakonie die Schüler im Rahmen der „vertieften Berufswegeplanung“ und bauen auf der Arbeit des KiZ auf. „Wir unterstützen die Schüler bei der Suche nach Praktikums- und Ausbildungsplätzen“, sagt Claudia Beck. Dazu gehört es auch, Telefonate und Bewerbungsgespräche einzuüben. Selbst Händeschütteln will richtig gelernt sein.
Volker Kreis von der Bruderhaus-Diakonie sucht noch einmal gezielt nach den Fähigkeiten seiner Schützlinge. Er besucht mit ihnen Firmen, wobei sich erste Kontakte für ein späteres Arbeiten ergeben. Sogar in Unternehmen, in denen Hauptschüler für bestimmte Stellen eigentlich keine Chance haben, hat er schon erfolgreich vermitteln und Schüler wenigstens für ein Praktikum unterbringen können. – Schulabgänger Mehdi berichtet, dass er jetzt eine Lehre im Bereich Energie- und Gebäudetechnik beginnen kann, dank der Unterstützung, die er erhalten hat.
Reinhard Maier, Klassenlehrer einer Abschlussklasse, hält es für besonders wertvoll, dass Fachleute wie Volker Kreis den „direkten Draht“ zu vielen Betrieben haben: „Wir sind sehr dankbar für diese Hilfe von außen und auch darauf angewiesen.“ Wenn die Übergangsquote in eine Berufsausbildung, die 2011 bei beachtlichen 52 Prozent lag, wieder leicht zurückgegangen sei, dann liege das unter anderem daran, dass es bei den weiterführenden Schulen derzeit keine Zulassungsbeschränkungen gebe.
Reinhard Maiers Kollege Sebastian Amstett verweist ebenfalls auf diesen Punkt, betont aber, dass auch der Übergang in eine zweijährige Berufsfachschule, die zur mittleren Reife führt, nicht unüberlegt erfolgt: „Ich habe keine Schüler, die an eine Berufsfachschule wechseln wollen und nicht die Noten dazu hätten.“
Berufsberater Hartmut Heintz hält es bei der Auswahl der richtigen Berufsfachschule für genauso wichtig, sich bereits im Vorfeld Gedanken zu machen, in welche Richtung es beruflich weitergehen könnte. Schließlich gebe es auch hierbei eine große Angebotsvielfalt. Die passgenaue Lösung werde von den Kooperationspartnern an der Alleenschule in diesem Fall genauso angestrebt wie bei einer Vermittlung in die Ausbildung.
Die Schülerinnen Ruth und Betül haben sich zum Beispiel für diesen Weg entschieden. Ruth erzählt davon, dass sie sich noch keine Gedanken über einen Beruf gemacht hatte, bevor in Klasse 8 die „vertiefte Berufswegeplanung“ begann. Betül wiederum erkannte jetzt in Klasse 9, dass sie mit dem Hauptschulabschluss zwar einen Beruf ergreifen könne, aber eben nicht den, den sie sich vorstellt. Ihre Bedenken, ob sie die Berufsfachschule erfolgreich besuchen könne, wurden in einem gemeinsamen Gespräch mit ihrer Mutter und dem Klassenlehrer zerstreut.
So gilt also auch hier, was Hartmut Heintz generell als Devise für die Suche nach passgenauen Lösungen ausgibt: „Niemand will die Schüler ins offene Messer laufen lassen.“