Der Neidlinger Wilhelm Hitzer feiert morgen seinen 90. Geburtstag
Hinauf zum Albrand zur Aussicht

Wenn das keine Heimattreue ist: Wilhelm Hitzer wurde in Neidlingen geboren, auch 90 Jahre später lebt er dort. Zwei Töchter, ein Sohn, sieben Enkel und fünf Urenkel sind allesamt in seiner Nähe. Doch der Jubilar ist in seinem Leben weit herumgekommen. Allerdings unter schwierigen Umständen.

Neidlingen. Wie wird man 90 Jahre alt? „Indem man jeden Tag aus dem Bett kommt“, sagt Wilhelm Hitzer. Aufgewachsen ist er in der 1652 erbauten Konrad-Widerholt-Mühle. Sie gehörte seinem Vater und umfasste auch eine Landwirtschaft. Der älteste Bruder wurde im Krieg verwundet, so musste er als der Zweitälteste Bauer werden. Der Drittgeborene, Albert, wurde Müller und blieb es bis heute.

Mit 19 Jahren, im Jahr 1941, wurde Hitzer zum Militär eingezogen. Er kam nacheinander nach Russland, Frankreich, Italien und Tunesien. Dort geriet er im Mai 1943 in Gefangenschaft. „Wir konnten nicht zurück, dazwischen lag das Meer.“ Die Überfahrt mit dem Frachtschiff in die USA dauerte drei Wochen, er kam nach New Mexico und Maine. Zuerst wurde er in der Baumwollernte eingesetzt. Zwei Jahre lang arbeitete er in Maine im Wald, fällte Bäume. Die Ausbildung für diese Tätigkeit bestand aus einem Film. „Für mich war das kein Problem“, sagt Hitzer. Seine Erziehung in Mühle und Landwirtschaft hatte Spuren hinterlassen, der junge Mann stellte sich geschickt an. Auf einem Bauernhof bestand seine Hauptaufgabe im Melken. „Die hatten 40 Kühe, aber keine Melkmaschine.“ Als er schließlich andernorts eingesetzt wurde, wollte ihn sein Bauer unbedingt zurückhaben. Er traf unterwegs auf Menschen, die gut zu ihm waren, obwohl er Deutscher war. Wenn er erzählt, klingt das nicht bitter.

Die ersehnte Heimkehr ließ jedoch auf sich warten. Nach der Seereise zurück nach Europa musste er sich noch in einem englischen Lager bei Manchester gedulden. Dann endlich im April 1947 konnte der Neidlinger Kirchenchor zu seiner Rückkehr singen. Diese sprach sich schnell im Dorf herum. Mit 19 Jahren hatte Hitzer Neidlingen verlassen, nun war er 25 Jahre alt.

Mit seiner Lina hatte er schon vor dem Weggang zarte Bande geknüpft, immer wieder machten sich Briefe und Päckchen auf den Weg. Im Frühjahr 1948 folgte die Hochzeit, 50 Jahre später konnte das Paar die goldene Hochzeit feiern. Im November 1998 verstarb Lina Hitzer. Die Nachkommen der beiden lebten zwar teils schon bis in Asien, kehrten aber alle wieder an den Albtrauf zurück. Bei der Partnerwahl hat es noch keinen von ihnen weiter als bis nach Weilheim verschlagen.

Nicht nur als Bauer und bei der Arbeit im Neidlinger Wald war Hitzer viel draußen, auch beim Langlauf und beim Wandern. Zum Albrand hochgehen und dann herunterschauen, das tut er noch heute gerne. „Es ist wichtig, dass dort, wo man hinläuft, eine Bank ist.“ An Wettkämpfen nimmt er nun nicht mehr selbst teil, aber verfolgt sie gerne im Fernsehen, ob Biathlon oder Skispringen. Auch Fußball schaut er gern. Das Flechten von Weidenkörben, das er vom Vater gelernt hat, führt er bis heute weiter, für den Eigenbedarf der ganzen Familie. Er repariert die viel benutzten Körbe natürlich auch.

Bei Geburtstagen wird es in Hitzers Wohnung voll. „Die Gäste sitzen in Wohnzimmer und Küche, sie werden nach Alter sortiert.“ Doch bei einem runden Geburtstag wie diesem gibt es eine Feier im Gasthaus.