Lokales
Hopfen bringt viel Arbeit und guten Schlaf

Dass Hopfen zum Bier gehört, weiß nahezu jeder, der Bier trinkt oder einmal durch eines der bekanntesten Hopfenanbaugebiete durchgekommen ist – etwa durch die Gegend um Tettnang oder durch die Hallertau, zwischen Ingolstadt und Landshut gelegen. Außerdem gibt es zwei bekannte Redewendungen, in Verbindung mit einem weiteren wichtigen Rohstoff fürs Bier: „Hopfen und Malz – Gott erhalt’s“ sowie „da ist Hopfen und Malz verloren“.
Und schließlich gehört es zum Allgemeingut, dass der Hopfen seit 1516 mit dem „Bayerischen Reinheitsgebot“ in Verbindung steht. Tatsächlich taucht der Hopfen in einem wichtigen Text aus dem Jahr 1516 auf, in der „Bayerischen Landesordnung“: Gerste, Hopfen und Wasser werden darin als die einzig erlaubten Zutaten fürs Bier bezeichnet.

Auf jeden Fall gilt die landläufige Vorstellung, dass es kein Bier ohne Hopfen geben kann. Das ist aber nicht ganz richtig, denn gerade eine Verordnung, die die Brauer zur Verwendung von Hopfen zwingt, zeigt ja, dass es auch ohne gehen könnte. Deshalb berichtet Kirchheims „Bräu“ Michael Attinger von zahlreichen anderen Stoffen, die einst ins Bier kamen – unter anderem Fliegenpilze. Die halluzinogene oder bewusstseinserweiternde Wirkung solcher Stoffe habe allerdings der Kirche nicht gepasst, weswegen sie die Beschränkung auf Hopfen, Malz und Wasser auch aus geistlicher Sicht befürwortete. Das Reinheitsgebot sei also nicht nur ein Ge-, sondern auch ein Verbot: ein Verbot sämtlicher anderer Inhaltsstoffe fürs Bier.

Dass auch nach dem Reinheitsgebot gebrautes Bier – in entsprechenden Mengen genossen – berauschend wirkt, hat wohl nicht so gestört. Michael Attinger verweist immerhin auf die „guten Eigenschaften des Hopfens“: Er beruhige die Leute. Das zeige sich auch beim Hopfentee. Unter „Hopfentee“ ist in diesem Fall aber nicht eine scherzhafte Bezeichnung für Bier zu verstehen wie etwa „Gerstensaft“, sondern ein wirklicher Tee aus Hopfen. „Wenn man den mit Süßholz oder mit Pfefferminz aufgießt und trinkt, dann schwitzt man leicht und schläft gut“, sagt Michael Attinger. Leichtes Schwitzen und guter Schlaf können natürlich auch beim Biergenuss die Folge sein. Ob es dann allein am Hopfen liegt, ist eine andere Frage.

Michael Attinger referiert aber nicht nur als Brauer über den Hopfen sowie über dessen Wirkung und Verwendung, sondern auch als Anbauer von Hopfen: Gemeinsam mit Hans-Joachim Most treibt er seit anderthalb Jahren in Kirchheim eine kleine Hopfenplantage um. Er schätzt, dass er über kurz oder lang die Hälfte seines jährlichen Hopfenbedarfs – der bei etwa 30 Kilogramm liegt – aus eigenem Anbau decken kann. Rund 250 Gramm Hopfen reichen etwa für zwei Hektoliter Bier, rechnet er vor. 250 Gramm, das hört sich nach ziemlich wenig an. Aber dabei ist zu bedenken, dass es der Hopfen noch in eine weitere volkstümliche Redewendung geschafft hat: Als Verstärkung des Adjektivs „leicht“ sagt man gerne „hopfenleicht“ – auch wenn man dabei oftmals nicht ans Gewicht denkt, sondern eher an etwas, was „leicht“ im Sinne von „einfach“ ist.

Auf die Frage, wie man auf die Idee kommt, seinen eigenen Hopfen anzubauen, sagt Michael Attinger mit viel Selbstironie: „Die Arbeit macht man sich, wenn man bekloppt ist.“ Den Gedanken an den eigenen Anbau bezeichnen sowohl der „Bräu“ als auch Achim Most als eine „Bieridee“, worunter sie so etwas wie eine Schnapsidee verstehen. Hopfen sei eine Pflanze, die intensive Betreuung erfordert. Immerhin aber haben die Pflanzen, die sich die beiden angeschafft haben, eine lange Lebensdauer. Hopfen ist in dieser Hinsicht mit Spargel zu vergleichen, der über Jahre hinweg immer neu austreibt. Die 60 Setzlinge, beim Hopfen auch „Fechser“ genannt, können bis zu 40 Jahre lang Dolden bringen. „Das haben wir jetzt noch ziemlich lange an der Backe“, stellt Michael Attinger deshalb fest.

Der Vergleich mit dem Spargel passt auch sonst: Achim Most schwärmt nämlich vom „Hopfenspargel“ oder von den „Hopfensprossen“. Im Frühjahr sind die Sprossen regelmäßig abzuernten, weil pro Hopfenpflanze nur einige wenige Triebe als Ranken in schwindelerregende Höhen klettern dürfen. Die restlichen Triebe lassen sich als Gemüse verspeisen, ohne dass die Hopfenausbeute Ende August / Anfang September dadurch beeinträchtigt wäre. Achim Most: „Die Sprossen sehen aus wie Spargel und schmecken superlecker – wie eine Mischung aus Spargel und Spinat.“ Der Hopfenspargel gelte als eine der teuersten Gemüsesorten, weil man ihn nur vier Wochen lang ernten könne.

Inzwischen aber ist Hopfenerntezeit, und auch diese Zeit ist sehr arbeitsintensiv: „Die Hopfenbauer schaffen jetzt mindestens 18 Stunden am Tag oder fast rund um die Uhr im Dreischichtbetrieb“, sagt Michael Attinger. Eines der Probleme besteht darin, dass Hopfen eigentlich nicht lagerfähig ist. Er muss also aufwendig weiterverarbeitet werden: Zuerst werden die Dolden in einer Darre getrocknet und anschließend in kleinen Plastiktüten vakuumiert. Wenn sie nicht getrocknet sind, beginnen sie zu schimmeln.

Dann gibt es noch eine Spezialität beim Hopfen: Zum einen können nur die weiblichen Blüten verwendet werden. Die männlichen dagegen sind nicht nur unbrauchbar, sie können sogar ihre weiblichen „Artgenossen“ vollständig verderben, sobald sie nur in der Nähe wachsen. Zum anderen ist selbst bei den weiblichen Blüten noch näher zu unterscheiden, denn wertvoll sind lediglich die jungfräulichen: „Sobald sie befruchtet sind, verlieren sie ihre Bitterkeit.“

Doch auch das ist längst nicht alles, weil es auch dann noch eine wichtige Einschränkung gibt: „Wirklich interessant ist nur das Lupulin“, sagte Michael Attinger jetzt seinen rund 40 Gästen, die er zum „Hopfenzopfen“ in die Kirchheimer Stiftsscheuer eingeladen hatte. „Das Lupulin ist das gelbe Pulver an den Blättern. Alles andere ist für den Brauer fast vollkommen uninteressant.“ Allenfalls die Gerbstoffe in den Blättern seien noch förderlich für den Brauprozess.

Die „Hopfenzopfer“ in der Stiftsscheuer haben indessen nicht nur fleißig gearbeitet. Sie haben auch gut aufgepasst und gleich die richtige Frage zum Lupulin gestellt: „Ist es das, was so klebt?“ Der Fragesteller muss zur vollsten Zufriedenheit Michael Attingers gearbeitet haben, denn der „Bräu“ gab zur Antwort: „Ja genau, ihr solltet jetzt wohl alle klebrige Finger haben.“ Auf die klebrige Eigenschaft ist sicher auch die Bezeichnung „Hopfenharz“ für das Lupulin zurückzuführen.

Aber so leicht ergibt sich das Lupulin den Brauern noch nicht. „Es ist nicht wasserlöslich“, klärte Michael Attinger seine Helfer auf. „Wir müssen es deshalb isomerisieren, also verflüssigen.“ Um das zu erreichen, wird der Hopfen lange in der Würze gekocht. Darin sieht Michael Attinger noch ein zusätzliches Problem, denn bisher hat er vor allem mit Hopfenpellets gearbeitet. Die Dolden dagegen quellen auf, sodass die Gefahr besteht, dass die Rohre verstopfen. Aber Michael Attinger wird auch mit diesem Problem umgehen können, denn der Hopfenanbau und die Fabrikation einer „Darre Marke Eigenbau“ haben ja bereits funktioniert. Da kann es auf verstopfende Rohre auch nicht mehr ankommen.

Worauf Hans-Joachim Most noch besonderen Wert legt, das ist die Tatsache, dass der Kirchheimer Hopfen nicht gespritzt ist. Der Anbau wird also ganz traditionell betrieben.Tradition ist auch beim „Hopfenzopfen“ wichtig: Weil Achim Most vielfältige Bindungen zur Region rund um Tettnang hat und weil er sich zusammen mit Michael Attinger dort auch über den Hopfenanbau informiert hat, durfte die Kürung von „Hopfensau“ Anja nicht fehlen. Sie war diejenige, die die letzte Dolde „abgezopft“ hatte. Auch sonst ging es zünftig zu beim Hopfenfest nach getaner Arbeit. Edeltraud Ruzek aus Waiblingen trug eigens Gedichte vor, die sie ein wenig auf den Hopfen umgeschrieben hatte. So führte bei Detlev von Liliencrons „Einen Sommer lang“ beispielsweise der „schmale Gang“ nicht mehr „zwischen Roggenfeld und Hecken“, sondern zwischen „Hopfenfeld und Hecken“ entlang. Und selbst den bedeutendsten Weinspruch münzte sie noch auf „Hopfen und Malz“ um: „Die Wahrheit liegt im Bier.“

Das erste „wahre Bier“ übrigens, das Michael Attinger in Kirchheim mit Kirchheimer Hopfen – mit der allerersten Ernte vom vergangenen Jahr – gebraut hat, will er ab Mitte November in der Stiftsscheuer ausschenken. Es handelt sich dabei um ein „Dampfbier“. Die Bezeichnung geht zurück auf die spezielle Brauart. Aber auch sonst soll ordentlich „Dampf“ in dem Bockbier zur Weihnachtszeit stecken. Wer dieses Bier also verköstigt, könnte zunächst leicht ins Schwitzen kommen – und hinterher gut schlafen.

Text: Andreas Volz

Fotos: Jean-Luc Jacques