Filderstadt/Nürtingen. Anfang 2008 war in Nürtingen bekannt geworden, dass Boss auf dem Großen Forst gerne ein großes Lager für Liegewaren (Hemden, Krawatten, Pullover, Socken und andere Dinge mehr) bauen will. Gleichzeitig liebäugelte Boss aber auch mit einem Standort in Metzingen im Gebiet „Braike-Wangen“. In beiden Kommunen regte sich Widerstand gegen die Pläne. In Metzingen gab es einen Bürgerentscheid, bei dem die Mehrheit das Vorhaben ablehnte und in der Folge der Oberbürgermeister zurücktrat.
In Nürtingen klagten die Gegner gegen das Vorhaben. Formfehler im Zuge des Bebauungsplanverfahrens stellte das Gericht fest.
Die Wirtschaftskrise war schließlich ein weiterer Punkt, der dazu führte, dass Boss seine Erweiterungspläne auf Eis legte. Im letzten Jahr allerdings verzeichnete der Metzinger Bekleidungshersteller wieder Wachstum. Allein zwischen Januar und September des vergangenen Jahres konnte der Konzern, der zu den Weltmarktführern im Premium- und Luxusbekleidungssegment gehört, einen Umsatz von rund 1,5 Milliarden erzielen. „Unsere Wachstumspläne setzen eine funktionierende Logistik voraus“, so Boss-Finanzvorstand Mark Langer gestern bei der Pressekonferenz im Bürgerhaus in Plattenhardt. Der enge und konstruktive Dialog mit Vertretern der Stadtverwaltung Filderstadt stimmt Langer zuversichtlich, dass man das Vorhaben diesmal umsetzen könne. Der Vorteil: In Filderstadt muss das Gebiet nicht erst entwickelt werden, das Gewerbegebiet ist bereits erschlossen.
Entstehen soll das Distributionszentrum in dem im Jahr 2000 erschlossenen Gewerbegebiet Affelter in Filderstadt-Bonlanden in unmittelbarer Nähe zur B 27, zur Autobahn und zum Flughafen. Damit Boss möglichst schnell bauen kann, muss Filderstadt den Bebauungsplan auf die Bedürfnisse des Unternehmens abstimmen. Schon bei der Bebauungsplanaufstellung, so Filderstadts Erster Bürgermeister Dieter Lentz, habe man Mindestgrundstücksgrößen über 50 Ar ausgewiesen. Lentz sieht es als Bestätigung für den Gemeinderat und die Verwaltung, dass man schon vor Jahren mit dem Gebiet Affelter und seinen relativ großen Grundstücksparzellen die richtige Entscheidung getroffen habe. Nur sie ermöglichten eine derartige Ansiedlung überhaupt erst. Circa 55 Prozent der Flächen, die Boss für die Ansiedlung benötigt, sind bereits im Besitz der Stadt Filderstadt, 45 Prozent sind noch in privater Hand.
Optionsverträge hat die Stadtverwaltung mit den Grundstückseigentümern bereits abgeschlossen. Angestrebt wird eine hohe Transparenz, um die Bürger von den Vorzügen der Ansiedlung zu überzeugen. Am 7. Februar plant die Stadtverwaltung eine Bürgerinformation in der Filharmonie, und am 19. März soll im Gemeinderat der Aufstellungsbeschluss für die Bebauungsplanänderung gefasst werden. Wenn alles gut laufe – und davon geht man in den Reihen der Filderstädter Stadtverwaltung aus – könne im Oktober der Satzungsbeschluss für die Bebauungsplanänderung gefasst und Ende Oktober dann die Baugenehmigung für das Vorhaben erteilt werden, so Bürgermeister Dieter Lentz. Läuft alles nach Plan, könne Hugo Boss das Distributionszentrum in Bonlanden 2014 in Betrieb nehmen.
Mit Widerstand aus der Bevölkerung wird nicht gerechnet
Am Montagabend hatte Oberbürgermeisterin Gabriele Dönig-Poppensieker den Gemeinderat über das Vorhaben informiert. Dort seien die Pläne einhellig begrüßt worden. Mit Widerstand gegen das Distributionszentrum aus der Bevölkerung wie etwa in Metzingen oder Nürtingen, rechnet sie nicht.
Für die Realisierung des Vorhabens plant Boss, ein Grundstück in der Größe von 58 000 Quadratmetern zu kaufen. Der Gebäudekomplex, der aus drei Einheiten besteht, umfasst eine Fläche von 23 400 Quadratmetern. Die Gebäudehöhen der drei Einheiten variieren zwischen 14 und 21 Metern. Auf dem Grundstück sollen 240 Parkplätze für Mitarbeiter und 17 für Besucher ausgewiesen werden. Die ersten Entwürfe für das Lager in Filderstadt zeigen, dass man im Vergleich zu den Nürtinger Plänen die Architektur etwas verändert hat. Der hohe Gebäudeteil (Lager I) mit 21 Metern Höhe wird 140 Meter lang und 70 Meter breit. Das Lager II mit 14 Metern Höhe wird 52 Meter breit und 79 Meter lang und das Funktionsgebäude für Kommissionierung, Büro- und Sozialräume misst 174 mal 52 Meter und wird 18 Meter hoch. Zum Vergleich: Der erste Planentwurf für Nürtingen sah einen Baukubus mit 160 Metern Breite und 180 Metern Tiefe vor. Die Gebäudehöhe entwickelte sich in zwei Stufen von 15 und 20 Metern.
In Filderstadt tritt Boss selbst als Bauherr auf. „Wir investieren in Gebäude und Technik bis zu 100 Millionen Euro“, so Finanzvorstand Langer. Bonlanden habe für Boss eine optimale Lage, pries Logistikchef Ralf Schneider die Vorzüge des Standorts. Man sei nicht nur sehr gut an den Flughafen und die Autobahn angebunden, sondern habe auch nur eine kurze Frequenz zum Hauptsitz in Metzingen. In Bonlanden will Boss 500 Arbeitsplätze schaffen. Die 300 Mitarbeiter der bisherigen Boss-Lager in Wendlingen und Frickenhausen will man nach Bonlanden mitnehmen. Ob nach der Inbetriebnahme des Distributionszentrums in Filderstadt die Standorte in Wendlingen und Frickenhausen geschlossen werden, darauf wollte sich Finanzvorstand Langer noch nicht festlegen. „Wir wollen uns die Option offenhalten, einen Standort fortzuführen.“
Das zusätzliche Verkehrsaufkommen von täglich rund 40 Lastwagen hält Filderstadts Oberbürgermeisterin Gabriele Dönig-Poppensieker für vertretbar. Das seien bis zu fünf Lkw mehr in der Stunde. Außerdem sei die Verkehrsanbindung an die B 27 ideal.