Musikalisch-literarische Soiree zum Thema „Tanz“ im Kornhaus
„Hut ab!“

Kirchheim. Bernhard Moosbauer ist einmal mehr eine anregende und überzeugende Mischung aus Musikdarbietung, Moderation und Lesung 


gelungen, diesmal zum Thema „Tanz“. Als Rahmenprogramm zur derzeitigen Grieshaber-Ausstellung „Der Totentanz von Basel“ fand der Abend mit vom Tanz inspirierter Musik des 17. Jahrhunderts inmitten der faszinierenden Holzschnitte Grieshabers statt und entpuppte sich zunehmend als origineller Kommentar zum Thema durch Musik und Literatur.

Da die Totentanzdarstellungen gemäß der Tradition, an die auch Grieshaber anschließt, ja gedacht sind als „memento mori“ für die, die mitten im blühenden, prallen Leben stehen, sind sie seit jeher gekennzeichnet durch eine Mischung aus Ernst und Heiterkeit, Lachen und Weinen, Humor und Groteske. Genau diese Mischung hat Bernhard Moosbauer mit seiner Auswahl von Musikstücken und Texten vorzüglich getroffen und zudem in einen dramaturgisch durchdachten und sehr wirkungsvollen Programmaufbau eingebettet: Die stilistisch einheitlichen instrumentalen Tanzsätze aus dem 17. Jahrhundert wurden kontrapunktiert durch stilistisch unterschiedliche Texte verschiedener Epochen.

Die barocken Instrumentaltänze stellen ja ein ganzes Panoptikum menschlicher Seelenzustände, persönlicher und nationaler Charaktere dar, das sich durchaus mit dem Panoptikum menschlicher Berufe, Tätigkeiten, Funktionen, „Stände“ in den Totendarstellungen vergleichen lässt. Grundtenor der Tänze ist das „Prinzip Freude“, Freude am Leben.

Die gelesenen Texte dazwischen waren so ausgewählt und angeordnet, dass im Programmablauf zunehmend eine Klimax der Bedrohung entstand, die keine Langeweile oder Ermüdung zuließ, sondern zum Aufbau eines großen Spannungsbogens führte, der in Fontanes Ballade von der „Brück‘ am Tay“ und dem Märchen vom „Rumpelstilzchen“ kulminierte. Ist in der Ballade die Zielaussage: „Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand“, so im Märchen der Spruch: „Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind“. – Zwischenstufen im Spannungsbogen waren dann in Höltys humoristisch endendem „Hexenlied“ und in Eichendorffs Ballade „Der Kehraus“ zu hören.

Bernhard Moosbauer erwies sich nicht nur als origineller Programmgestalter und dramatisch begabter Rezitator, sondern ebenso als engagierter und versierter Barockgeiger, der stilistisch und technisch zuverlässig den unterschiedlichen Tanzsätzen ihren jeweiligen eigenen Charakter zu geben versteht.

In Jens Wollenschläger hat Moosbauer einen sehr kompetenten Begleiter an seiner Seite, dessen Cembalospiel nicht allein von technischer Perfektion, sondern ebenso von einem wunderbar „atmenden“ Vortrag gekennzeichnet ist. Das bewies er bei den Duo-Stücken (Lully, Corelli) ebenso wie bei seinem großen Solostück, der heiklen „Partita in c“ von Froberger (um 1650). Auch Moosbauer stellte sich der Herausforderung eines unbegleiteten Solostücks, einer „Partita sopra diversi Sonate“ von Vitali, und zeigte sich ihr technisch wie musikalisch-stilistisch gewachsen.

Diese sehr „vitale“ Sammlung von unterschiedlichsten Charaktertänzen gipfelt theatralisch in einem pantomimischen Tanz, bei dem ein Paar versucht, mit einem scheinbar leblos am Boden Liegenden zu tanzen, bis der „Scheintote“ plötzlich aufspringt, die Tänzerin an sich reißt und mit ihr flieht. Dies war auch als Beitrag zur humoristischen oder gar grotesken Seite des ernsthaften Themas zu verstehen, wie auch Texte zu Beginn dies nahelegten: Der absolutistische „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. benützte die „Tanzkunst“ dazu, den Adel an seinen Hof zu binden und so politisch ungefährlich zu machen. So hatten „domestizierte“ Tänze wie die ursprünglich „wilde“ Sarabande oder auch das Menuett durchaus politische Funktionen zu erfüllen.

Das kam auch in einem Traktat „Über die Tantz-Kunst“ von 1742 zum Ausdruck. Tanzen lernen heißt dort viel mehr als Schrittfolgen zu beherrschen, nämlich: „wie man sich manierlich kleiden, proportionierlich stellen, nette gehen und bey allen Begebenheiten eine galante Reverence (Verbeugung) machen“ solle. Denn schließlich wird geglaubt, „dass man die innerliche Ehrerbietigkeit, so man bey sich merket, durch ein äußerliches Kennzeichen an den Tag legen müsse“. Diese „Domestizierung“ reicht schließlich bis hin zu detaillierten Anweisungen, wie das „Hut-Abziehen“ als Zeichen der „Ehrerbietigkeit“ vor sich zu gehen habe .

Die beiden Musiker beendeten den interessanten Abend mit der furiosen Darbietung einer der berühmten Duo-Sonaten von Corelli aus dessen „Sonaten op. 5“, die er ganz bewusst auf den 1. 1.  1700 datiert hat, um ihre Bedeutung zu unterstreichen. Auch wenn die Zeiten des Absolutismus vorbei sind, verdient das Konzert, mit dem Prädikat „Hut ab!“ ausgezeichnet zu werden.