Kirchheim. Premieren wird oft monatelang entgegengefiebert. Ganz besonders hektisch wird es aber eigentlich erst in den letzten beiden
Wochen vor der ersten Aufführung. Die Schüler der Klasse 6b des Kirchheimer Schlossgymnasiums haben diesen Stress drastisch reduziert.
Zum Abschluss der 12. Kirchheimer Kinder- und Jugendtheaterwochen „Szenenwechsel“ feierten sie jetzt im Mehrgenerationenhaus Linde erfolgreich Premiere mit einem kurzen aber aussagekräftigen Stück, das sie selbst entwickelt, geschrieben und mit stimmig ausgewählter Musik von Paul Kalkbrenner unterlegt, einem begeisterten Publikum vorführen konnten.
Um diesen gruppendynamischen Kraftakt zu stemmen, hatten sie mit der Theaterpädagogin und Schauspielerin Monika Wieder zwar professionelle Hilfe „mit an Bord“ genommen, dafür aber auch insgesamt nur unglaubliche eineinhalb unterrichtsfreie Tage Zeit, um alles auf die Reihe zu kriegen.
Schneller und wirkungsvoller kann man einen Erfolg nicht einfahren und für ein spektakuläres und sehr kreatives Finale einer erfolgreichen Veranstaltungsreihe sorgen. Erstaunlich war auch, dass die Schülerinnen und Schüler in dieser unglaublich kurzen Zeit zu einem echten Ensemble zusammengewachsen sind und am Ende des Stücks dem „kritischen Publikum“ aus Vertretern der Schule und der stolzen Eltern auch noch in fast professioneller Souveränität Rede und Antwort standen.
Gestresst wirkte da eigentlich nur die Regieanweisungen agierende Intendantin, der die Schauspieler wohl alle viel zu leise und vielleicht auch etwas zu zurückhaltend waren.
„Nur weil ich anders bin . . .“ lautete der Titel des mit einfachsten Mitteln arbeitenden Stücks über Mobbing, Hass und Freundschaft, das dank der eindrucksvollen Ensemble-Leistung und der vielen zusammengetragenen Ideen rundum überzeugen konnte. Ein paar Stühle und ein Haltestellenschild reichten als „Bühnenbild“ vollkommen aus, um den Ort der Handlung klar zu markieren. Zunächst zogen die „maskierten“ Akteure aber erst einmal in einer langen Prozession auf die „Bühne“.
Nacheinander rissen sie dann jeweils ihre Maske vom Gesicht und erklärten gleichzeitig, warum sie anders sind. Das war oft schon auch mit Maske klar erkennbar, denn es gab in der bunt gemischten Schauspieler-Truppe ein Mädchen mit sehr kurzen und einen Jungen mit eher langen Haaren, einen vergleichsweise kleinen Jungen und ein ihre Mitschüler überragendes Mädchen. Es gab freilich auch Unterschiede, die überhaupt nicht zu erkennen waren.
„Ich mache, was mir gefällt.“ „Ich lasse mich durch nichts und niemanden verändern.“ „Ich tue nicht, was alle anderen tun.“ All das zeigte, wie unterschiedlich die im Prinzip sehr homogene Gruppe zusammengesetzt ist, doch auch klar erkennbare Unterschiede wurden thematisiert und das „Anderssein“ mit Begründungen hinterlegt wie „Ich bin anders, weil ich nicht aus Süddeutschland komme“, „ ...weil ich in zwei Kulturen aufgewachsen bin“ und schließlich „...weil ich Ägypter, Grieche und zu einem Drittel auch Deutscher bin.“
Auch der Erzähler ließ in sein Inneres blicken, bevor er eine Geschichte präsentierte, „die alltäglich ist, die jeden Tag aufs Neue in jeder Stadt in Deutschland zu jeder Tageszeit geschehen kann und vielleicht auch geschieht.“ Im Lauf der kurzen Spielhandlung wurde deutlich, warum er gesagt hatte: „Ich bin ein unverbesserlicher Optimist. Ich habe noch Hoffnung. Hoffnung für mich – für meine Generation – für die Welt…“ Genau das war die Botschaft, die das zusammengewürfelte Schauspieler-Ensemble dem versammelten Publikum vermitteln wollte.
In bewusst klischeehaft überzeichneten Rollen und damit klar als austauschbare Typen angelegt, gestalteten die Darsteller eine unwirkliche Szene, die beispielhaft den realen Alltag nachzeichnen sollte. Zwei „Freundinnen“ werden von ein paar nur vermeintlich „coolen Jungs“ gemobbt, immer mehr in die Enge getrieben und schließlich verprügelt.
Die „Passanten“ schauen entweder bewusst weg oder gaffen nur und greifen nicht ein. Die von einem anonymen „Helfer“ alarmierten „Polizisten“ können aber nichts tun, weil die Mädchen Angst haben, ihre Peiniger anzuzeigen und abstreiten, dass es zu einem Konflikt gekommen ist.
Als die Gewalt erneut eskaliert, kommt es doch noch zum Happy End. Der Helfer greift nicht nur zum Handy, sondern mischt sich handgreiflich ein, die „Passanten“ solidarisieren sich und können dadurch gemeinsam mit der zurückgekehrten Polizei die „Täter“ überwältigen.
Die Hoffnung, dass durch diese erzählte Geschichte gleich die ganze Welt besser wird, kann sicher nicht in Erfüllung gehen, aber die Idee, sich gemeinsam (schau-)spielerisch mit wichtigen Themen zu befassen und zu überlegen, was man in einer vorgegebenen Situation selbst machen und wie man sich gegebenenfalls zur Wehr setzen könnte, wurde sehr gut umgesetzt.
Die Teilnehmer des Theater-Projekts haben jedenfalls viel Neues voneinander erfahren, sich besser kennengelernt und sind als Klasse ein großes Stück zusammengerückt.
Dass ihnen die Arbeit an dem gemeinsam präsentierten Theaterspiel großen Spaß gemacht hat, war nicht zu übersehen und dass sie vielleicht auch mal wieder etwas gemeinsam einüben werden, ist nicht auszuschließen.
Dass auch im nächsten Jahr im Rahmen des „Szenenwechsels“ Gelegenheit bestehen wird, wieder vor Publikum selbst inszenierte „Szenen im Wechsel“ zu präsentieren, haben Linde-Hausherr und Gastgeber Matthias Altwasser und die im Kirchheimer Mehrgenerationenhaus regelmäßig mit einer Theatergruppe probende Monika Wieder auf jeden Fall schon einmal „ziemlich fest“ zugesagt...