Kirchheim. Nein, eine offizielle Stellungnahme von Nissan Japan gibt es noch nicht, sagt Konstantin Lepadusch vom gleichnamigen Nissan Autohaus in Ötlingen. Ebensowenig meldete sich die Deutschlandzentrale von Nissan in Brühl bei Köln. „Das ist noch zu früh. Ich rechne in zwei, drei Tagen damit.“
Lepadusch sieht keine Probleme durch die Naturkatastrophe in Japan auf sein Unternehmen zukommen. 90 Prozent der Wagen stammen aus europäischer Produktion beziehungsweise aus Indien und Brasilien. Der Fahrzeug-Nachschub ist gesichert, ebenso die Ersatzteile, die ebenfalls in Europa hergestellt werden. Seit 1972 vertreibt das schwäbische Autohaus die japanische Automarke, deren Stammwerk in Yokohama, im Ballungsgebiet von Tokio, angesiedelt ist. Daher geht Konstantin Lepadusch davon aus, dass der Nissan Firmensitz aufgrund seiner Entfernung durch das Erdbeben nicht so stark betroffen war wie der Nordosten der Insel.
Ähnliche Erfahrungen mit den Zentralen der Autokonzerne wie Lepadusch machten auch dessen Kollegen, Waldemar Rau, vom gleichnamigen Ford und Mazda Autohaus am Kirchheimer Freihof, und Andreas Klepp vom Toyota Autohaus Klepp im Industriegebiet Bohnau. Beide waren bisher, wie die Bevölkerung auch, auf die Informationen in den Medien angewiesen. „Ich habe aus der Leverkusener Mazda-Niederlassung, die für Deutschland zuständig ist, noch nichts erfahren“, sagt Waldemar Rau, der seit drei Jahren die japanische Automarke verkauft und betreut. Da rund 50 Prozent der Mazda-Fahrzeuge weltweit hergestellt werden, sieht er keine Nachschubschwierigkeiten. „Nur Sonderfahrzeugteile kommen direkt aus Japan“, informiert Rau. Toyota lässt gar 80 Prozent seiner Autos auf dem europäischen Markt produzieren, weiß Andreas Klepp. „Auch die Zulieferer sind fast alle hier zu finden.“ Nur gewisse Modelle kämen aus Japan, so Klepp, der seit 1987 Toyotahändler ist.
„Gerade vor fünf Minuten habe ich mit Kaiho Maoji telefoniert“, ist Klaus Lenhart, Geschäftsführer und Inhaber des Skistock-Weltmarktführers Leki, beruhigt. Das Kirchheimer Unternehmen ist seit fast 20 Jahren auf dem japanischen Markt, wird dort durch zwei Importeure vertreten, die Caravan Co., Ltd. für Sommer-Artikel wie Trekkingausrüstung und Nordic Walking-Stöcke, und die uvex Sports Japan für die Leki Wintersport-Ausrüstung. Während der japanische Ansprechpartner von uvex Sports, Nobuyuki Takahira, dem schwäbischen Geschäftspartner auf dessen Nachfrage gestern zurückmailte, dass die Lagerhäuser im Außenbezirk von Tokio keine größeren Schäden durch das Erdbeben erlitten hätten, war Kaiho Maoji von der Caravan Company telefonisch zunächst nicht zu erreichen. „Es gab einfach kein Durchkommen. Die Leitungen waren offensichtlich überlastet“, so Heidi Kreusel, Marketing-Chefin von Leki.
Wie Kaiho Maoji, der anderthalb Zugstunden von Tokio entfernt wohnt, Klaus Lenhart berichtete, ist er nach dem Beben 15 Stunden lang nach Hause gelaufen. „Die Infrastruktur des öffentlichen Personennahverkehrs ist total zerstört. Die Menschen können kaum noch etwas zu Essen kaufen, weil der Transport nicht funktioniert und es auch keinen Sprit gibt“, wie Lenhart von seinem japanischen Geschäftspartner erfuhr. Außerdem gab es weitere Nachbeben.
Der schwäbische Skistockhersteller will auch weiterhin in direktem Kontakt mit uvex Sports und der Caravan Company bleiben. „Wir werden die Firmen unterstützen, wo‘s irgendwie geht“, sagt Klaus Lenhart. Zehn Prozent macht der japanische Markt am Leki-Gesamtkuchen aus. „Das kann sich nach so einer Katastrophe rasch ändern“, weiß der Firmenchef. „Dann wird im Freizeitbereich weniger Geld ausgegeben“, so seine Erfahrung nach dem Kobe-Erdbeben am 17. Januar 1995 mit einer Stärke von 7,2 auf der Richter-Skala.
Das Beben unmittelbar miterlebt hat Markus Henzler aus Notzingen. Der 31-jährige Ingenieur war für seinen Arbeitgeber Bosch nördlich von Tokio im Einsatz, als die Erde zu zittern begann. Via Facebook hielt er Familie und Freunde am anderen Ende der Welt seither auf dem Laufenden. „Als die Nachrichten über das Atomkraftwerk aufkamen, sind wir weiter nach Süden gezogen.“ Die Nacht auf Sonntag verbrachten er und Kollegen in einem Hotel in Utsunomiya, rund 200 Kilometer südwestlich des Unglücksreaktors Fukushima, ehe es weiter nach Yokohama ging. Von hier ging die Reise über Paris weiter nach Stuttgart, wo Henzler am Montagabend erwartet wurde. „Ich bin froh, wenn ich unbeschadet hier raus bin“, lautete Henzlers Facebook-Eintrag vor dem Rückflug. Die Reaktion der Menschen vor Ort auf die Katastrophe beschreibt er so: „Die Japaner haben keine Angst, überhaupt läuft alles sehr ruhig und professionell ab.“