Kirchheim. Am Montag feiert Josef Wittmann den 90sten Geburtstag. „Ich kann noch gut marschieren“, freut sich der Jubilar über seine Gesundheit und seine Beweglichkeit.
Irene Strifler
Daran hat er selbst erheblichen Anteil: Schon immer ist der Ungarndeutsche gern gewandert. Auch heute läuft er noch eisern täglich seine Runde, um sich fit zu halten. Kann aber auch sein, dass eine andere Gewohnheit positive Spuren hinterlässt: „Ich trinke jeden Tag einen Becher Milch“, sagt das Geburtstagskind.
Zur Feier des runden Geburtstags kommt „nur“ die engste Familie. Das sind schon eine ganze Menge Leute: Neben Ehefrau Magdalena und den vier Kindern zählen sieben Enkel, eine ganze Reihe angeheirateter Kinder sowie eine Handvoll Urenkel zur Familie. Jüngster Spross ist die kleine Emma Magdalena, die gerade mal ein paar Monate alt ist.
Rechnet man zur Familie auch Nichten und Neffen und deren Angehörige hinzu, reicht Josef Wittmanns Verwandtschaft um die ganze Welt. Reiselustig war er zeitlebens, und so hat er auch seine Nichte in Kanada persönlich besucht. Häufig war er Gast bei den Kindern seines Bruders in Ungarn. Denn von dort stammt Josef Wittmann. Geboren wurde er am 23. Januar 1922 in Elek, einem kleinen Dorf nahe der rumänischen Grenze. Dort wuchs Josef mit sieben Geschwistern auf dem elterlichen Bauernhof auf. Kaum erwachsen, zog man den Ungarndeutschen zum Militär ein. 1943 wurde er in der Normandie eingesetzt, wo er 1944 einen Ellenbogendurchschuss erlitt. Trotzdem musste er 1945 auch noch an der Ostgrenze Dienst tun. Glasklar erinnert er sich noch heute an jenen denkwürdigen Tag im Mai 1945, als er als Kavallerist auf dem Packsattel zwischen der Steiermark und Kärnten unterwegs war. Dort erreichte ihn endlich die Nachricht vom Kriegsende.
Nach einigen Wochen Hilfstätigkeit auf einem Bauernhof in Österreich, überquerte er bei Nacht und Nebel die Grenze nach Ungarn. „Ich bin 400 Kilometer zu Fuß zurück in meine Heimat Elek gelaufen“, erinnert er sich noch gut.
Doch das war keine Heimkehr für immer. Seine Familie wurde ausgesiedelt, er selbst folgte ihr kurz darauf nach Franken. Dort lernte er Magdalena Singer kennen, die er im Jahr 1949 heiratete. Den Lebensunterhalt verdiente er sich zunächst mit Hilfsjobs, ehe er bei Werkzeugfirmen im Raum Esslingen anheuerte und dort auch eine Mechanikerlehre machte. Am Wochenende begann er in seiner Garage im Häusle in Aichschieß selbst Werkzeuge zu schleifen. Dann entschloss er sich zum Sprung in die Selbstständigkeit und gründete in Schlierbach eine Firma. Die gibt es heute noch unter Leitung von seinen Söhnen beziehungsweise einem Enkelsohn, wie der Gründer zufrieden erzählt.
Josef und Magdalena Wittmann sind mittlerweile in eine geräumige Erdgeschosswohnung in Kirchheim umgezogen. „Ich gehe regelmäßig einkaufen“, erzählt der Jubilar, und seine Frau ergänzt: „Und ich koche dann das, was er bringt.“
Foto: Jean-Luc Jacques