Ohmdens Bürgermeister Manfred Merkle nach 24 Jahren verabschiedet – Projekte durch Kraftakte gestemmt
„Ihre Arbeit war von Realismus geprägt“

Gut sieben Wochen, nachdem Ohmdens Rathauschef Manfred Merkle im ersten Durchgang die Bürgermeisterwahl nicht für sich entscheiden konnte und seine Bewerbung zurückzog, wurde er in der Gemeindehalle feierlich verabschiedet.

„Ihre Arbeit war von Realismus geprägt“
„Ihre Arbeit war von Realismus geprägt“

Ohmden. Dr. Klaus Dolde, erster stellvertretender Bürgermeister, machte noch einmal deutlich, wie viel Staub die Wahl aufgewirbelt hat: „Noch immer wird im Ort darüber diskutiert.“ Nachdem ein Gemeinderatsmitsglied einen der beiden Gegenkandidaten offiziell unterstützt hatte, sei vermutet worden, das Ratsgremium habe die Finger im Spiel gehabt. „Dem war nicht so“, betonte Dolde. Dass Merkle im ers­ten Wahlgang fest mit einer absoluten Mehrheit gerechnet habe, hätten viele ebenso wenig verstanden wie seinen Rückzug. „Sie hätten die Wahl für sich entscheiden können. Eine knappe Mehrheit wäre für Sie aber wohl nicht akzeptabel gewesen“

, sagte das Ratsmitglied.

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nonym verteilte Flyer zwischen beiden Wahlgängen hätten in dem sehr emotional geführten Wahlkampf die Bürger weiter verunsichert. Dolde spekulierte über die Gründe für das schlechte Abschneiden Merkles: „Vielleicht haben Sie nicht bemerkt, dass manchmal eine gewisse Unzufriedenheit zu spüren war.“ Den Wegzug des Bürgermeisters nach Kirchheim vor einigen Jahren habe man im Ort als mangelndes Interesse gewertet. „Vielleicht nimmt aber die Zahl der Enttäuschten nach so vielen Jahren zwangsläufig zu.“ Inakzeptabel seien indes persönliche Beleidigungen. „Das verurteile ich aufs Äußerste“, bekräftigte Dolde. Er erinnerte an hitzige Debatten im Gemeinderat beispielsweise zum Thema Golfplatz. „Es gab manchmal heftige Kritik, wenn wir mit der Arbeit nicht zufrieden waren, aber es ging dabei immer um die Sache.“ Die Gemeinde verdanke Merkle vieles: Maßnahmen zum Hochwasserschutz genauso wie den Ausbau der Hauptstraße, die Erschließung des Gewerbegebiets Berbach und des Wohngebiets Grubäcker, den Ausbau des Kindergartens sowie die Besiegelung der Partnerschaft mit dem französischen Modane.

„Gerade in der Kommunalpolitik gibt Vertrauen Stärke“, unterstrich Landrat Heinz Eininger. Jedoch habe ein Bürgermeister immer wieder auch strittige Entscheidungen zu treffen. „Es fällt schwer, in dieser Situation die richtige Antwort zu finden“, räumte der Kreischef ein.

Seine Verwaltungslaufbahn hatte Merkle 1971 in Oberlenningen begonnen. Weitere Stationen waren der Besuch der Fachhochschule für den gehobenen Verwaltungsdienst und die Stadt Kirchheim, wo er zehn Jahre lang bis zu seinem Amtsantritt in Ohmden am 1. Januar 1987 in der Verwaltung tätig war. „Neben einer bitteren Niederlage bleibt ein reicher Erfahrungsschatz“, so Eininger.

Im Zuge der Gemeindereform blieb Ohmden selbstständig, die Finanzverwaltung übernahm Weilheim. „Sie hatten eine dünne Besetzung im Rathaus. Vieles mussten Sie selbst erledigen, was andernorts Mitarbeiter übernehmen.“ Viel Zeit habe Merkle in den administrativen Bereich gesteckt. „Das setzt Sachkenntnis und Wissen um Zusammenhänge voraus.“ Ohmden sei nie finanzstark gewesen, sondern eine typische Ausgleichsstockgemeinde. Allerdings falle es dem Ort schwer, die notwendigen Eigenmittel aufzubringen. Durch Kraftakte haben man die erwähnten Projekte gestemmt. Die Pro-Kopf-Verschuldung von über 800 Euro sei innerhalb von zehn Jahren auf 422 Euro heruntergefahren worden. Als Rettungsanker bezeichnete Eininger die gut 20 gemeindeeigenen Grundstücke im Baugebiet Grub­äcker. „Gemeinden in dieser Größenordnung brauchen Bauplätze, um ihre Haushalte ausgleichen und Aufgaben erfüllen zu können.“ Der Landrat warnte auch davor, den neuen Bürgermeister, der am 20. Dezember in sein Amt eingeführt wird, mit allzu großen Erwartungen zu überfrachten. „In Anbetracht der Situation der Gemeinde kann sich Ihre Bilanz sehen lassen. Ihre Arbeit war von Realismus geprägt“, sagte Eininger an Merkle gewandt. In Anerkennung für die 24-jährige Bürgermeistertätigkeit überreichte er ihm die große goldene Ehrenmedaille des Landkreises.

Als Vertreter von Verwaltungsgemeinschaft, Gemeindetag und Sprengel, dessen Vorsitzender Merkle über viele Jahre war, würdigte Weilheims Bürgermeister Johannes Züfle seinen Amtskollegen. Er habe die offene, bestimmte, aber nicht bevormundende Art des Ohmdener „Teamspielers“ geschätzt. „Ich konnte ihn um Rat fragen, mich auf ihn verlassen und im vertraulichen Gespräch hat er auch mit konstruktiver Kritik nicht hinterm Berg gehalten“, sagte Züfle. „Ich bin mir nicht sicher, ob die Bürger abschätzen können, was es heißt, alleine im Rathaus zu arbeiten“, meinte der Weilheimer Amtskollege in Anspielung auf das Wahlergebnis.

Im Namen der Ohmdener Vereine würdigte Christine Euchner die Verdienste Merkles. „Sie hatten stets ein offenes Ohr für unsere Anliegen, wenngleich nicht alle Wünsche erfüllt werden konnten und Sie waren immer da.“ Beispielhaft nannte sie die Zusammenarbeit beim Kinderfest, beim Partnerschaftstreffen mit Modane und bei der 2 000-Jahr-Feier. Für die stets offene Tür im Rathaus bedankte sich Ohmdens Pfarrer Dirk Schmidt als Vertreter der Kirchen. Er würdigte den Einsatz von Merkles Ehefrau Claudia beim Weltgebetstag sowie beim ökumenischen Senio­rennachmittag. „In den vergangenen Wochen sind an manchen Stellen zu viele, an anderen Stellen die falschen Worte gefallen“, sagte Schmidt. „Ich hoffe, dass die Wunden heilen und die Gemeinde Ohmden wieder Frieden findet.“

Gemeindemitarbeiter hatten einen „Adventskalender“ mit 24 Päckchen für jedes Dienstjahr Merkles geschnürt. Die Übergabe, bei der auch Amtsvorgänger Walter Kröner mit einem Hafenknopf für Lacher sorgte, schmückten sie mit Anekdoten aus und brachten ihr Bedauern über den Abschied des Chefs zum Ausdruck. Umrahmt wurde die Feier von einem Blockflötenensemble der Musikschule Weilheim unter Leitung von Sabine Märkle.

Merkle skizzierte den Wandel der Verwaltung in den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten: Ein Nasskopierer und eine elektrische Schreibmaschine seien bei seinem Antritt die modernsten Geräte gewesen. „Ich übergebe eine intakte Gemeinde auf einer soliden finanziellen Basis“, zeigte er sich selbstbewusst, schlug aber auch nachdenkliche Töne an: „Wer sich vornimmt, Gutes zu wirken, darf nicht erwarten, dass einem die Menschen dafür Steine aus dem Weg räumen“ – diesen Spruch Albert Schweitzers habe ihm seine Ehefrau 1987 mit auf den Weg gegeben. Im übertragenen Sinne lägen in Ohmden Steine zuhauf, die einer alleine gar nicht wegräumen könne, gab Merkle zu bedenken – sicher nicht nur in Anspielung auf die vergangenen Wochen. Abschließend richtete der 57-Jährige den Blick nach vorne: „Ich freue mich auf ein neues Leben.“