Kirchheim. Frische Blumen in Glasvasen stehen auf den Tischen. Die meisten Stühle sind besetzt. Männer, Frauen und Familien essen und unterhalten sich. Einige Tische nahe
dem Eingangsbereich sind zu einer Essensausgabe zusammengeschoben. Dahinter steht ein Mann und gibt lächelnd Essen mit einem Schöpflöffel auf die Teller der anstehenden Menschen. Gut gelaunt unterhält er sich mit ihnen. Im Steingau-Zentrum gibt es heute Fleischkäs mit Kartoffelgratin, Letscho mit Reis und zum Nachtisch Zitronenkuchen oder Vanillesoße mit Sauerkirschen.
Auf die Frage, was Letscho sei, antwortet der jetzt an der Kasse sitzende Koch mit einem Grinsen: „Etwas, das Feuer ins Blut bringt!“. Der früher Arbeitslose kocht seit einiger Zeit als geringfügig Beschäftigter zwei Mal in der Woche für das „Café Hope Mittagessen“, eine Erweiterung des „Café Hope“, das jeden Donnerstagnachmittag im Steingau-Zentrum stattfindet.
Das „Café Hope“, also Café Hoffnung, wurde 2006 von der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde in Kirchheim ins Leben gerufen, als sie in ihr neues Gemeindezentrum in der Steingaustraße zog. Durch die direkte Nachbarschaft zur „Agentur für Arbeit“ kam die Idee auf, einen Treffpunkt vor allem für Arbeitslose zu schaffen. Dort sollten diese umsonst oder für wenig Geld Kaffee trinken, Kuchen essen, Bekanntschaften knüpfen und sich unterhalten können. Bis heute steht jeden Donnerstagnachmittag ein Mitarbeiter am Eingang der „Agentur für Arbeit“ und verteilt Gutscheine für Kaffee, die sofort im „Café Hope“ ein paar Meter entfernt eingelöst werden können. Mit der Zeit nahmen immer mehr Menschen dieses Angebot an und so besteht heute ein fester Kreis aus Stammgästen, die sich jeden Donnerstagnachmittag im Steingau-Zentrum aufhalten. Und nicht nur die vor der Agentur für Arbeit Eingeladenen kommen auf einen Kaffee vorbei – zu den zwischen zehn und 30 schwankenden Gästen zählen vereinzelt auch Gemeindemitglieder oder andere Bürger, die das „Café Hope“ einfach so als Treffpunkt nutzen und dadurch für ein breites Spektrum an Persönlichkeiten sorgen. Denn jeder ist willkommen.
Das Angebot beschränkt sich nicht nur auf Kaffee, Tee und den von einigen Mitgliedern der Freikirchengemeinde gespendeten Kuchen: Den Arbeitslosen, die hierher kommen – ungefähr dreiviertel der Gäste, wie Wolfgang Schuler, einer der Initiatoren des Projektes, schätzt – soll Hoffnung geschenkt und geholfen werden. Bei Bedarf wird zugehört und über Probleme gesprochen: Das „Café Hope“ ist im Prinzip „ein Ort, an dem Seelsorge stattfindet, ohne dass dies jemand so nennen würde“, erklärt Pastor Öhrlich.
Aber nicht ausschließlich Arbeitslose haben in dem Café eine Anlaufstelle gefunden, auch einige Asylbewerber, die im Gemeinschaftsheim für Flüchtlinge in der Charlottenstraße in Kirchheim leben, sind durch eine Kooperation mit dem Arbeitskreis Asyl zum „Café Hope“ hinzugestoßen. Sie kommen gerne, ob zum Kaffee und Kuchen oder auch zu Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen der Freikirchengemeinde, in die großen, offenen Räume des Steingau-Zentrums. Manche helfen mittlerweile aktiv in der Kirchengemeinde mit.
Zwischenzeitlich zeigt sich auch vermehrt die, wie es Günter Öhrlich nennt, „zweite Säule“ des Cafés. Zusätzlich zur Hilfe durch Gespräche und dem „Dasein“ für die Menschen, wird nämlich auch praktisch etwas für die Besucher getan. Wie der Pastor berichtet, helfen die Betreuer der Donnerstagnachmittage im Steingau-Zentrum bei der Wohnungssuche und dem Ausfüllen von allerlei Dokumenten. Manchmal vermitteln sie ihre Gäste auch an andere Anlauf- und sogar Arbeitsstellen. Das beste Beispiel für diese praktische Hilfe ist der Koch des „Café-Hope-Mittagessens“, der jetzt geringfügig bei der Gemeinde angestellt ist. Zwei Mal pro Woche sorgt er für leckeres Mittagessen im Saal des Steingau-Zentrums.
Denn zusätzlich zu den Kaffeenachmittagen am Donnerstag bietet die Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde seit Januar 2012 mittwochs und donnerstags ein Mittagessen in netter Atmosphäre zu erschwinglichen Preisen an. Die Mitarbeiter kennen die meisten Gäste und wissen, wer in finanzieller Not ist.
Zu dem von der Gruppe um den Hausmeister des Steingau-Zentrums, Ralf Hasselbach, organisierten Essen kommen jede Woche etwa 50 bis 70 Gäste. Anscheinend hat sich die Qualität der Gerichte oder der Tischgespräche schon herumgesprochen, denn es kommen, anders als ins „Café Hope“, nicht hauptsächlich Arbeitslose, sondern genauso viele Menschen, die einfach ihre Mittagspause im Steingau-Zentrum verbringen möchten oder es genießen, nicht selbst kochen zu müssen. Sogar eine Gruppe Schüler aus den nahen Berufsschulen hat Pastor Öhrlich, der selbst oft mit seiner siebenköpfigen Familie zum Essen kommt, schon dort dinieren sehen.
Genauso vielfältig wie seine Gäste sind auch die Gerichte, die es beim „Café-Hope-Mittagessen“ gibt. Vermutlich unter anderem durch den Einfluss der Asylbewerber gibt es neben deutschen auch italienische, russische und sogar tamilische und persische Gerichte. Für vegetarisches und schweinefleischfreies Essen wird ebenfalls jedes Mal gesorgt.
Seitdem der Mittagstisch des „Café Hope“ eingerichtet ist, kommen weniger Besucher in das Café, denn einige der früheren Café-Gäste begeben sich donnerstags schon zum Mittagessen ins Steingau-Zentrum und trinken ihren Kaffee direkt im Anschluss an das Essen. Doch die Erfolge des Mittagessens sind umso größer: Nachdem in den Anfangszeiten noch rote Zahlen geschrieben wurden, da viele Gäste beim Hinausgehen versehentlich vergaßen, etwas zu spenden, wird nun schon vor dem Essen bezahlt – wenn man bezahlen kann. Und mittlerweile, berichtet Günter Öhrlich, kommt das Team der Freikirche „ungefähr null auf null raus“. So scheint auch das nächste Ziel realistisch, nämlich, das „Café-Hope-Mittagessen“ nicht nur zwei, sondern vier oder fünf Mal pro Woche anzubieten. Doch die Steigerung auf ein Essen im Steingau-Zentrum an jedem Werktag soll langsam vor sich gehen. Allerdings müssten sich dann noch weitere Ehrenamtliche eine Schürze umbinden, um zu kochen, abzuspülen oder anderweitig mitzuhelfen.
Das „Café-Hope-Mittagessen“ findet jeden Mittwoch und Donnerstag von 11.30 bis 13.30 Uhr im Steingau-Zentrum statt. Diese Woche stehen Wirsingrouladen und Püree beziehungsweise Hackfleischklößchen in pikanter Soße und Spiralis auf dem Plan. Am Donnerstag von 14 bis 17 Uhr gibt es Kaffee und Kuchen.