Kirchheim. Es ist ein Virus, der Kristina Grözinger schon als Kind infiziert hat: der Schildkröten-Virus. Im Alter von acht Jahren hat sie bei
ihrem Opa zum ersten Mal eine Schildkröte in den Händen gehalten. Seither ist es um sie geschehen. Mittlerweile besitzt die Ötlingerin 19 griechische Landschildkröten: Das jüngste Tierchen ist gerade einmal ein halbes Jahr alt und 90 Gramm leicht, das älteste Reptil wiegt dreieinhalb Kilogramm und hat 26 Jahre auf dem Panzer. Im Haus der Grözingers wimmelt es nur so von Schildkröten – sie bestehen aus Glas, Holz oder Keramik, kommen als Schuhabtreter, Puppenspieler oder Anstecknadel daher und haben unterschiedliche Größen und Farben.
Die „echten“ Tiere leben im Frühling, Sommer und Herbst im Garten der Grözingers. Dort sind zwei Gehege aufgebaut mit vielen „Klettermöglichkeiten“ für die Bewohner: Es gibt Wurzeln und Steine und eine hügelige Gartenlandschaft, die zum Erkunden einlädt. Außerdem können sich die Tiere nachts in zwei Häuschen zurückziehen. Auch wenn es kalt oder heiß ist, bieten die Häuschen Unterschlupf.
„Schildkröten sind faszinierende Tiere. Sie sind so urig“, schwärmt die 37-Jährige, die als Krankenschwester im Kirchheimer Krankenhaus arbeitet. „Viele sagen: Sie sind lahm und langweilig. Aber für mich strahlen sie etwas aus.“ Kristina Grözinger findet bei ihren Tieren Ruhe und Entspannung. Schön sei auch, dass sie „Herrchen“ und „Frauchen“ erkennen – zum einen am Geruch und zum anderen durch tiefe Stimmen.
Dass Schildkröten gar nicht langweilig sind, hat die Ötlingerin schon einigen Erwachsenen und Kindern bewiesen. So sind mittlerweile viele Nachbarn der Grözingers begeistert von den Tieren. „Sie reißen sich darum, wer auf die Schildkröten aufpassen darf, wenn wir im Urlaub sind“, erzählt sie. Auch bei Kindergeburtstagen sind die 19 Tiere in den Freigehegen d i e Attraktion schlechthin, ergänzt die Mutter eines sieben Jahre alten Sohnes und eines zweijährigen Töchterchens: Dann sitzen alle auf der 30 Zentimeter hohen Mauer aus Natursteinen, die um die Gehege gebaut wurde, und beobachten, was dort vor sich geht. Und natürlich dürfen die Kinder die Tiere auch anfassen und streicheln: sowohl den harten Panzer als auch die weiche Haut an Hals und Beinen. Kristina Grözinger war mit ihren Lieblingen auch schon in der Haldenschule und der Kita Rasselbande zu Gast, um den Kleinen die Tiere näherzubringen.
Im Winter dürfen ihre Schildkröten in einer großen Überwinterungsbox im Keller ihren Winterschlaf halten. Auch Pflegetiere sind in dieser Zeit bei der Ötlingerin willkommen. Heuer sind ihre „Kröten“ schon früher aus dem Winterschlaf erwacht als sonst üblich. Das hängt mit dem frühen und warmen Frühjahr zusammen, denn die Tiere lieben Wärme. Je stärker die Sonne scheint, desto aktiver werden die Reptilien. Und dieser Tage ist besonders viel los im Garten der Grözingers: Es ist Paarungszeit, und die kann mitunter ganz schön laut ausfallen, erzählt Kristina Grözinger schmunzelnd.
Haben die Schildkrötendamen die Eier in ihrem Gehege verbuddelt, pirscht sich die 37-Jährige an und sammelt diese schnell auf. Dann kommen sie in den Brutkasten der Schildkrötenzüchterin, in dem eine bestimmte Luftfeuchtigkeit herrscht sowie eine Temperatur von 28 Grad. Nach 60 bis 80 Tagen schlüpfen die Tiere, von denen Kristina Grözinger auch einige zum Verkauf anbietet. Denn mit den derzeit 19 Schildkröten kommen die Grözingers mittlerweile an ihre Grenzen. „Mein Mann findet die Schildkröten zwar auch toll, aber er ist der Vernünftige und sagt: Jetzt reicht‘s“, erzählt die 37-Jährige. Schließlich sei die Hälfte des Gartens schon für die Schildkröten reserviert.
Die Zucht der gemütlichen Tierchen ist übrigens mit gewissen Auflagen verbunden. Denn Schildkröten sind eine aussterbende Tierart und stehen unter Artenschutz. Deshalb wird jedes Tier registriert und erhält eine Nummer. „Wenn ich eine Schildkröte verkaufe, muss ich dem Regierungspräsidium Stuttgart mitteilen, dass der Besitzer wechselt“, erzählt Kristina Grözinger. „Es ist schön, dazu beitragen zu können, eine Tierart zu erhalten“, betont sie.
Die griechischen Landschildkröten haben es ihr auch deshalb angetan, weil sie eine schöne Maserung haben. Außerdem könne man sie – im Gegensatz zu afrikanischen Arten – in unseren Gefilden am besten halten. Vegetarier, wie viele glauben, sind sie übrigens nicht: Neben Löwenzahn und Spitzwegerich fressen sie auch Schnecken und Würmer. Außerdem gibt es einmal in der Woche Hühnereischale, damit der Panzer hart bleibt.
Für die Zukunft hat Kristina Grözinger, die regelmäßig am „Schildkröten-Stammtisch“ in Esslingen teilnimmt, einen großen Traum: Sie möchte einmal den Riesenschildkröten nahe sein, die auf dem Galápagos-Archipel leben – einer Inselgruppe im Pazifischen Ozean. „Das sind die einzigen Tiere, die uns überleben“, schwärmt die Ötlingerin. „Die älteste Riesenschildkröte ist 236 Jahre alt.“