Außer Spesen bislang nichts gewesen: Warten im Steingau-Areal und auf dem Ficker-Gelände
Im Westen hängt‘s am Geld

Aufbruchstimmung in Kirchheims Westen: Nach dem Bau des Ärztezentrums und des Nanz-Centers machten die geplante Event-Meile im Ficker-Gelände und modernes Wohnen im Steingau-Areal von sich reden. Was ist aus den vollmundig angekündigten Plänen geworden?

Irene Strifler

Kirchheim. Als wahre Wundertüte wurde das geplante Erlebniszentrum mit Lokalen, Kino, Kletterwand, Theater und vielem mehr auf dem Ficker-Areal gefeiert. Noch sitzt in einem Teil der Fabrikhallen die Firma Blessof, die in kleinere Räume umziehen möchte. Der Kirchheimer Gemeinderat hat deshalb beizeiten, nämlich schon im April vergangenen Jahres, ein zweifellos charmantes Nutzungs­konzept abgesegnet. Entwickelt wurde es von Dr. Eberhard Goll, Manager des Esslinger Dick-Centers. Von „potenten Investoren“ war seinerzeit die Rede und davon, „praktisch Vollbelegung“ für die einzelnen Nutzungsbereiche vorweisen zu können.

Mittlerweile ist viel Zeit ins Land gegangen. Getan hat sich nichts, zumindest vordergründig. Allenfalls hinter den Kulissen glühen die Drähte, wenn man den Verantwortlichen Glauben schenken darf. Von einem gewissen „Missverhältnis“ weiß Dr. Eberhard Goll zu berichten: „Von der Mieterseite her herrscht nach wie vor große Nachfrage, doch von der Investorenseite her klemmt‘s.“

Woran liegt‘s? – Jedenfalls nicht am Nutzungskonzept, da ist sich Goll sicher. Selbiges setzt ähnlich wie das Dick in Esslingen auf einen umfassenden Mix aus Gastronomie, Kultur, Freizeitangeboten und nicht zuletzt Büros samt Wohnungen. Was in Esslingen trotz Konkurrenz zur nahen Landeshauptstadt gut läuft, müsse in Kirchheim umso besser funktionie­ren, meint der erfahrene Projektentwickler unter Verweis auf den großen ländlichen Einzugsbereich: „Kirchheim ist ein schöner weißer Fleck auf der Landkarte.“ Die Strahlkraft der Event-Meile dürfte weit auf die Alb hinaufreichen.

Dennoch ist klar: „Das Nutzungskonzept ist kein Selbstläufer.“ Infra­ge kommen nur Investoren, die sich damit identifizieren. – Und natürlich solche, die über das notwendige Kapital für Erwerb plus Sanierung der ausgedienten Fabrik verfügen. „Manchen ist das Projekt einfach zu groß“, räumt Goll ein. Derzeit sei er aber in einer heißen Phase mit zwei möglichen Investoren. Zielsetzung ist, den ehemaligen Produktionstrakt im hinteren Bereich als eine Einheit für Kino, Kletterwand und mehr zu behandeln und den vorderen Bereich, der für Gastronomie, Fitness und Büros vorgesehen ist, als weitere Einheit.

Ein Problem, an dem die Vermarktung hakt, liegt für Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker auf der Hand: Bislang steht der Bau der ehemaligen Otto Ficker AG entlang der Stuttgarter Straße nicht unter Denkmalschutz. Das verwehrt Fördergelder, denn die schmucke Fassade soll nach dem Willen der Planer und der politisch Verantwortlichen auf jeden Fall erhalten bleiben. „Das ist so ziemlich das Letzte, was überhaupt noch aus der Zeit der Industri­alisierung im Stadtkern vorhanden ist“, zeigt sich die Stadtchefin geschichtsbewusst. Sie sähe die Baumaschinen lieber heute als morgen anrücken. Das liegt nicht zuletzt am Dauerthema Kinderbetreuung. Die Stadt spekuliert nämlich auf einen (Betriebs-)Kindergarten, der neben vielen anderen Mosaiksteinen auf dem Gelände geplant ist. Dieser wiederum ist nicht unwichtig, um dem Anspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder unter drei gerecht zu werden.

Einen Steinwurf weiter drängt die Zeit ebenfalls: Wo einst das EZA stand, ist bekanntlich ein innovatives Wohnviertel mit dem Namen „Steingauquartier“ geplant. Wohn- und Ar­beitswelten sollen hier zwischen S‑Bahn und Innenstadt vortrefflich verknüpft werden und gleichzeitig für eine „Urbanisierung“ Kirchheims in Richtung Bahnhof sorgen. „Stadt bauen“ heißt das populäre Stichwort. Seit die Pläne im Jahr 2010 seitens der Stadt mit großer Euphorie publik gemacht wurden, wächst das Interesse an Menschen, die sich hier niederlassen wollen – wie man weiß, ist der Immobilienmarkt leer gefegt.

„Der Druck ist groß“, räumt Stadtplaner Gernot Pohl ein. Manch einer hat allerdings schon die Nerven verloren und sich angesichts unklarer Perspektiven anderswo angesiedelt. Eine Wartezeit von zwei Jahren ist schließlich für Wohnungssuchende eine halbe Ewigkeit, ebenso für Existenzgründer und Jungunternehmer.

Die Umsetzung hakt derzeit – wie könnt‘s auch anders sein – am Preis. Eigentümer von 80 Prozent der 3,5 Hektar großen Fläche ist nämlich nicht etwa die Stadt, sondern die Firma Nanz. Ihr will die Stadt das Areal abkaufen, um dann ihrerseits die arbeitsintensiven Verhandlungen mit den einzelnen Interessenten zu führen. Doch bisher klaffen die Preisvorstellungen weit auseinander.

Inhaltliche Übereinstimmung zu erzielen gelang dagegen recht schnell in der sogenannten „Lenkungsgruppe“ mit Vertretern von Stadt, Gemeinderat und der Firma Nanz, nachdem zuvor das Kirchheimer Architekturbüro KLE einen überzeugenden Entwurf im Gutachterverfahren präsentiert hatte. „Alle haben einer Qualität zugestimmt, die differenzierte Architektur zum Ziel hat“, fasst Pohl zusammen. Das bedeutet: Gewinnmaximierung ist nicht oberstes Gebot. Diese Tatsache dürfte die Zahl an interessierten Bauträgern nicht gerade in die Höhe treiben. Hier denselben Idealismus vorauszusetzen, den die Planer mitbringen, erweist sich wohl zunehmend als unrealistisch.

Die Befürchtung, dass der Stadt das Filetstück noch weggeschnappt werden könnte, hat Pohl aber nicht. Zum einen wird an einem Lösungsvorschlag mit hiesigen Investoren gestrickt. Zum anderen werden die Erkenntnisse aus Lenkungsausschuss und Gutachterverfahren in einen Bebauungsplan eingearbeitet. „Die Planungshoheit liegt bei der Stadt und dem Gemeinderat“, macht Pohl klar, dass die Grundidee des Wohnviertels nicht gefährdet ist. Dennoch müssen weitere Verzögerungen zähneknirschend hingenommen werden. „Uns geht es ja nicht nur darum, dass sich irgendwas tut, sondern darum, dass das wirklich eine tolle Sache wird“, sagt der Stadtplaner.