In der Schlossberghalle in Dettingen läuft es wie am Schnürchen: Kaum hat sich Berti Proksch am Seiteneingang angemeldet, wird sie in eine der sieben provisorisch aufgebauten Impfkabinen im Saal geschickt. Dort beantwortet die 84-Jährige aus Dettingen der Ärztin einige Fragen, unterzeichnet den Aufklärungsbogen und macht ihren Oberarm frei. Und schon bekommt sie den heiß ersehnten Piks: ihre erste Corona-Impfung.
So wie Berti Proksch sind am Freitag und Samstag mehr als 1000 über 80-Jährige im Rahmen eines Pilotprojekts des Sozialministeriums in dem Dettinger „Pop-Up-Impfzentrum“ direkt vor der Haustüre geimpft worden. Innerhalb von nur zehn Tagen haben der Verein Forum Altern, die Gemeinde Dettingen und das vom Klinikum Stuttgart betriebene Impfzentrum an der Liederhalle die Aktion gemeinsam auf die Beine gestellt. Und für alle Beteiligten steht fest: Sie ist ein voller Erfolg.
Jakob Spencker lässt den Blick entspannt durch die Schlossberghalle schweifen. Er ist einer der Koordinatoren der mobilen Impfteams des Impfzentrums am Klinikum Stuttgart und überwacht die Abläufe in Dettingen. „Ein ganz großes Kompliment an die Kommune und die Organisatoren“, lobt er und betont: „Der Flow hier ist überragend.“ Will heißen: Nirgendwo gibt es Staus, der Rundweg durch die Halle verhindert Begegnungsverkehr und im Überwachungsbereich, wo alle frisch Geimpften zur Sicherheit für eine Viertelstunde Platz nehmen müssen, bevor sie nach Hause gehen, sind stets genügend Stühle frei. Auch der von ihm vorgegebene Fünf-Minuten-Takt kann problemlos eingehalten werden.
Die Idee für die Impfaktion kommt aus den Reihen des Dettinger Vereins Forum Altern, genauer gesagt von dessen Vorsitzenden Rudi Dölfel und dem Laborarzt Dr. Rudolf Alkier, der im Verein für Patientenverfügungen zuständig ist. „Allein im Forum Altern haben wir 186 Mitglieder, die über 80 Jahre alt sind“, so Dölfel.
Bisher nur in Heimen geimpft
Viele von ihnen wollen oder können den Weg in die Kreisimpfzentren in Esslingen-Zell und auf der Landesmesse oder in eines der Landesimpfzentren nicht auf sich nehmen - oder sie haben es schlichtweg nicht geschafft, einen Termin zu ergattern. „Ein Ziel unseres Vereins ist es ja, dass ältere Menschen so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden bleiben können“, geht Dr. Rudolf Alkier auf seine Motivation ein. „Vor Ort geimpft wurden aber nur die Menschen in den Heimen.“
Das wollte er ändern und nahm schon Ende November Kontakt zum Impfzentrum am Klinikum Stuttgart und Jakob Spencker auf. Ihm trug er seine Idee vor. „Er fand sie interessant und sagte, er würde sich wieder melden“, so Alkier. Dann ging plötzlich alles ganz schnell. Mitte Februar meldete sich Jakob Spencker. „Er sagte mir, dass es jetzt die Möglichkeit gibt, eine Aktion im Rahmen eines Pilotprojekts des Sozialministeriums zu organisieren.“ Das bislang einzigartige Projekt müsste allerdings schon am 26. und 27. Februar über die Bühne gehen. Auch die ursprüngliche Idee, nur Mitglieder des Forums Altern zu impfen, war nach einem Gespräch mit Dettingens Bürgermeister Rainer Haußmann vom Tisch. Fest stand: Alle über 80-Jährigen aus Dettingen, Owen, Lenningen und Erkenbrechtsweiler sollten profitieren.
Für Rainer Haußmann war es keine Frage, die Schlossberghalle zur Verfügung zu stellen und Bauhof sowie Hausmeister mit dem Umbau in ein Impfzentrum zu betrauen. „Wenn sich eine Möglichkeit auftut, die weiten Wege für die Menschen zu verkürzen, dann muss man zugreifen“, sagt er.
Bereits im Vorfeld Enormes geleistet hat der Verein Forum Altern: Er wurde auserkoren, die Anmeldungen entgegenzunehmen. Rudi Dölfel gelang es, auf die Schnelle ein Team aus 60 ehrenamtlichen Mitarbeitern zusammenzutrommeln. „Die Freiwillige Feuerwehr hat uns ihr Handy und einen Raum im Feuerwehrmagazin zur Verfügung gestellt und noch eine dritte Leitung eingerichtet“, so Dölfel. Allein am Samstag, dem ersten Anmeldetag, gingen beinahe 500 Anrufe ein. Dann wurde es ruhiger. Am Ende konnten sich innerhalb eines kurzen Zeitfensters auch noch einige Kirchheimer für die Impfungen bewerben.
Der nächste Termin steht schon
Berti Proksch hat das Angebot in ihrem Heimatort als Geschenk empfunden. „Das ist ein sehr gutes Angebot“, lobt sie. Damit ist sie nicht die Einzige. „Uns wird von den Menschen unglaublich viel Dankbarkeit entgegengebracht“, freuen sich Rudi Dölfel und Dr. Rudolf Alkier. Die kurze Strecke ist Berti Proksch mit dem eigenen Auto gekommen. Für alle, die nicht mehr selbst fahren können, hat das Deutsche Rote Kreuz einen Fahrdienst eingerichtet. Tatkräftige Unterstützung bei der Aktion leisten auch der Malteser Hilfsdienst und die Johanniter.
Den nächsten Termin haben Berti Proksch und die anderen Impflinge übrigens schon in der Tasche: In vier Wochen gibt es am gleichen Ort, am gleichen Tag und zur gleichen Uhrzeit die zweite Impfdosis.