Region Stuttgart. Nur 28 Windräder drehen sich bislang in der Region Stuttgart, etwa 370 sind es in ganz Baden-Württemberg. Noch unter der alten schwarz-gelben Landesregierung war ein Windatlas erstellt worden, der die sogenannte Windhöffigkeit von Standorten auswies. Nun will die neue Landesregierung die alten Windregionalpläne aufheben. Bis spätestens September dieses Jahres sollen sie Makulatur sein. Die Regionalverbände, so die Vorstellung des Umweltministeriums, sollen so die Gelegenheit erhalten, „an entscheidender Stelle die Energiewende mitzugestalten und sie durch kluge Ausweisung neuer Vorranggebiete für Windkraftanlagen zu steuern“.
Beim Verband Region Stuttgart (VRS) stößt diese überhastete Vorgehensweise keinesfalls auf Gegenliebe. Für VRS-Chefplaner Thomas Kiwitt ist klar: „Bis September bekommen wir das nicht hin.“ Allein die Genehmigung des letzten Regionalplans habe schon 15 Monate in Anspruch genommen, gibt Kiwitt zu bedenken.
Um das Heft des Handelns dennoch in der Hand zu behalten, hat der Regionalverband vor einigen Wochen alle 179 Gemeinden und Städte in der Region Stuttgart angeschrieben, um mögliche Standorte für Windkraftanlagen zu eruieren, die dann für eine Ausweisung in der Teilfortschreibung des Regionalplans infrage kommen könnten. Doch sowohl der Verband als auch die Gemeinden drängen schon jetzt darauf, dass das Land die gesetzte Frist verlängert. Verbandsvorsitzender Thomas Bopp bekräftigte jüngst seinen Appell, die Aufhebung regionalplanerischer Aussagen zur Windenergienutzung bis zum Abschluss ordnungsgemäßer Planungsverfahren zu verschieben.
Die bauliche Dimension und die Genehmigungsverfahren – all das braucht Zeit, weiß Kiwitt aus Erfahrung. Seine Diplomarbeit über „die Standortausweisung von Windkraftanlagen auf der Ebene der Flächennutzungsplanung“ hat seit den 90er-Jahren nichts an Aktualität eingebüßt, auch wenn heute die Windkraftanlagen nicht mehr 60, sondern bis zu 180 Meter Höhe haben. „Es ist völlig offen, ob neu ausgewiesene Gebiete gleich völlig mit Windkrafträdern zugebaut werden“, erklärt Kiwitt. Es ginge darum, entsprechende Gebiete erst einmal als Standorte für Windkraftanlagen zu sichern. Laut Kiwitt will der Verband auch verhindern, „dass Kommunen von Windrädern umzingelt werden“. Auch möchte man in Absprache mit den Kommunen möglichst eine Bündelung von Windrädern in Windparks erreichen.
Die potenziellen Standorte für Windkraftanlagen sind in der industriellen Verdichtungsregion Stuttgart schnell ausgemacht. Große Windparks wie in Norddeutschland hält Kiwitt schon aufgrund der Topografie in der Region für abwegig. Chancen sieht der Chefplaner am ehesten im nördlichen Remstal, auf dem Schurwald und im Fränkisch-Schwäbischen Wald. Das beste Windpotenzial in der gesamten Region habe natürlich der Albtrauf, betont Kiwitt. Aber dies sei auch eines der sensibelsten Gebiete, nicht nur was den Vogelschutz betrifft.
Und wer soll und kann die Windräder bauen? Die Bürgerinitiative in Ingersheim, die das dortige Windrad finanziert, könnte Vorreiter auch für ähnliche Projekte in anderen Gemeinden sein. Auch eine Kommune – oder mehrere Gemeinden zusammen – könnten ein Windrad oder einen kleinen Windpark betreiben. Hinzu kommen private Investoren. Wenn deren Projekte den bestehenden baurechtlichen Vorgaben für Windkraftanlagen standhalten – Einhaltung des Natur- und Vogelschutzes, des Lärmschutzes, des Abstandsgebots zu bebauten Gebieten – dann steht einer Genehmigung nichts im Wege. Dann könnten auch gegen den Willen eines Gemeinderates Windräder in die Höhe wachsen – und etwa die Stadt Fellbach auf dem Kappelberg ein neues Wahrzeichen bekommen.