Basketball
In drei Jahren zum ersten Titel

Basketball Theorie und Praxis sind für David Rösch auf dem Spielfeld nicht zu trennen. Der neue Headcoach der Knights treibt neben dem Trainerjob seine Promotion als Sportwissenschaftler voran. Von Bernd Köble

Enttäuschte Erwartungen, Favoriten, die keine mehr sind und reihenweise Trainerwechsel - in der 2. Basketball-Bundesliga knirscht es gewaltig. Ex-Bundestrainer Dirk Bauermann in Rostock (siehe Zusatz-Info) ist der vorerst Letzte auf einer langen Liste neuer Namen, die auf der Bank in der Pro A das Sagen haben. Selbst einen so erfahrenen Mann wie Doug Spradley hat es zum Jahreswechsel erwischt. Für den Amerikaner, der viele Jahre in der ersten Liga coachte, war an Silvester in Tübingen Schluss.

Dort saß David Rösch noch im Frühjahr als Assistant Coach auf der Bank. Seit zwei Spieltagen ersetzt er bei den Knights in Kirchheim nun Mauricio Parra als Chef, und weil im Basketball immer alles mit allem irgendwie zusammenhängt, wird an diesem Morgen in der Redaktion seine Vorstellung erst einmal zur Richtigstellung. Dass er in Tübingen als mögliche Option für die Spradley-Nachfolge gehandelt werde, dass er insgeheim selbst mit dem Job bei seinem Ex-Verein liebäugle - alles Quatsch. „Wenn ich mich einmal für etwas entschieden habe, dann stehe ich voll und ganz dahinter“, sagt David Rösch. „Ich bin sehr glücklich mit meiner Entscheidung für Kirchheim.“ Überhaupt: Dass im Trainergeschäft nur noch der kurzfristige Erfolg zählt, hält er für bedenklich. „Man sollte auch schwierige Phasen gemeinsam aushalten können.“

Schwierige Phasen - die hat David Rösch in Kirchheim bisher nicht erlebt. Die wenig überraschende Niederlage in Bremerhaven, sein erster Sieg im Artland, beides war extrem wichtig, sagt er. „Niederlagen sind nicht grundsätzlich schlecht und Siege nicht ausnahmslos gut. Entscheidend ist, dass beides dich voranbringt.“ Sollte er morgen gegen Tübingen die nächsten zwei Zähler holen, wäre er einen großen Schritt weiter. Nicht nur, weil es sein erster Heimsieg hier wäre und die Knights einem Play-off-Platz damit entscheidend näher. Auch, weil es ein klares Statement an alle Kritiker bedeutete, die man als Debütant unweigerlich mit im Gepäck hat. Der Erfolgsdruck gegen den Ex-Klub ist hoch. Man kennt sich. Die Tigers stecken in einer kritischen Phase, die Mannschaft wirkt instabil. Der Trainer weg, vier Niederlagen aus den letzten fünf Spielen, darunter ein 97:103 in eigener Halle gegen die Kirchheimer, das es morgen wettzumachen gilt. Das alles wird am Freitag nicht zählen, das weiß David Rösch. „Tübingen ist eine ungemein schnelle und athletische Mannschaft“, sagt er. „Diese Physis müssen wir annehmen.“

Respekt für den Vorgänger

Doch wer ist eigentlich dieser David Rösch? Geboren in Eichstätt, aufgewachsen in Mössingen, seit Sommer wohnt er mit seiner Frau, einer Lehrerin, in Rottenburg. Das Basketballspielen hat er am Gymnasium erlernt, mit 19 dann das Aus als Spieler in der Oberliga nach einer schweren Knieverletzung. Seitdem ist er Trainer. Er arbeitet im Nachwuchsbereich während seines Studiums in Ulm und in Tübingen, wird 2017 mit den Young Tigers Trainer des Jahres in der JBBL und schließlich in der zweiten Liga Assistant Coach. Bis ihn Tübingens Trainer-Legende Georg Kämpf in den letzten beiden Saisonspielen des vergangenen Jahres als Chef vorschickt. Kämpf, der auch Mauricio Parra als Mentor beeinflusst hat und dem nicht wenige in Tübingen noch heute nachtrauern. Rösch und sein Vorgänger Parra - beide kennen sich schon lange und beide schätzen sich. „Mauro hat das Scouting in Deutschland auf ein neues Level gebracht“, meint Rösch. „Das verdient Respekt.“

Jetzt ist er mit 31 Jahren als zweitjüngster Headcoach in der Pro A sein Nachfolger und immerhin selbstbewusst genug, um sich als guten Analytiker zu beschreiben. Aus seinem Mund klingt das weniger arrogant als vielmehr sachlich nüchtern. Rösch träumt vom Titel: In drei Jahren will er an der Uni in Tübingen seine Promotion abschließen. Der Forschungsbereich: Visuelle Antizipation und Entscheidungshandeln im Basketball. Zu verstehen, warum Dinge im Spiel so laufen wie sie laufen, darum geht es für ihn als Trainer.

In Point Guard Dajuan Graf findet er auf dem Parkett einen idealen Mitspieler: ruhig, abgeklärt, mit hoher Spielintelligenz. Ob Team und Trainer eine gemeinsame Sprache beherrschen, das wird sich in den kommenden Wochen mit einem dicht gedrängten Terminplan zeigen müssen. Welchen Führungsstil die Mannschaft künftig zu erwarten hat? „Ich versuche, Probleme demokratisch zu lösen“, sagt David Rösch. „Doch in jeder Demokratie gibt es Regeln, die man einhalten muss.“