Auf 80 Parzellen bauen Selbsternter gegen eine Jahresgebühr Bio-Gemüse an – Lob von Minister Bonde: Projekt mit Perspektive
Jahrgarten wird zum Erfolgsmodell

Denkendorf. „Da muss einer nachts die Zucchini aufblasen.“ Fritz Bär freut sich riesig über seinen Ernteerfolg. Vor wenigen Tagen „mindestens


einen Zentner Kartoffeln“, jetzt Zucchini satt – mit solchen Mengen haben der 67-jährige Berkheimer und seine Frau Ulrike nicht gerechnet. Doch Bär ist sichtbar glücklich über die vielen Produkte, die ihm sein sogenannter Jahrgarten bei Denkendorf beschert. „Das eine oder andere Gemüse sieht vielleicht nicht so gut aus wie auf dem Markt. Aber alles ist bio, nichts gedüngt oder gespritzt, und schmeckt hervorragend.“ Der Berkheimer ist einer von vielen Neugärtnern, die von einem im Landkreis Esslingen bislang einmaligen Projekt profitieren. Die Idee, die hinter dem Jahrgarten steckt: Eine Saison lang, von Mai bis Oktober/November, bewirtschaftet man eine beliebig große Parzelle eines Ackers, auf dem alle möglichen Arten von Gemüse bereits angepflanzt sind. Gegen eine Gebühr – ein 25 Mal zwei Meter großer Streifen kostet pro Jahr 160 Euro – erwirbt man das Recht der Ernte. Mitbringen sollte man Spaß an der Handarbeit und ein bis zwei Stunden Zeit pro Woche für Jäten, Hacken, Pflanzen und Ernten. Geräte werden gestellt, auch für Gießwasser wird regelmäßig gesorgt.

Vor zwei Jahren hatte der in Denkendorf lebende Biologe Berengar Weber die Idee des Jahrgartens vom Rheinland auf die Filder importiert. Während seines Studiums hatte der 26-Jährige das Projekt bei einer Landwirtsfamilie aus Köln kennengelernt und beschlossen, es auch hierzulande umzusetzen. Der bisherige Erfolg gibt ihm Recht. Mittlerweile hat er die Ernterechte für 80 Parzellen vergeben. 30 befinden sich neben dem Denkendorfer Neubaugebiet „Lange Äcker“ und 50 auf Ostfilderner Gemarkung zwischen Nellingen und Scharnhauser Park. Weber ist dankbar, dass er mit der Biolandwirtsfamilie Henzler einen Partner gefunden hat, der sein Vorhaben von Anfang an unterstützt habe. Von ihr hat der Biologe das einen halben Hektar große Feld in Denkendorf gepachtet. Als Kompagnon steht Weber die Grafik-Designerin Jasmin Rathfelder zur Seite. Während er für die praktische Arbeit auf den Feldern und die Beratung der Jahrgarten-Nutzer verantwortlich ist, kümmert sich sie mehr im Hintergrund um den administrativen Bereich.

Von der erfolgreichen Pionierarbeit der beiden hat sich jetzt Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Alexander Bonde überzeugt. Bei einem Streifzug durch das Denkendorfer Gemüsefeld lobte der Grünen-Politiker Webers und Rathfelders Arbeit als „Projekt mit Perspektive“. Immer mehr Menschen interessierten sich dafür, wie ihre Lebensmittel produziert werden. Durch den eigenen Anbau steige die Wertschätzung für die Produkte. Positiv sei, dass damit auch die Verbindung von Stadtbewohnern zur Landwirtschaft gefördert werde. Von einer „hoch spannenden“ Idee sprach Andrea Lindlohr, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag. Der Jahrgarten ermögliche es jedem, auch in einer verdichteten städtischen Region mit abschätzbarem Aufwand sein eigenes Gemüse mit Bio-Qualität zu produzieren. Für Denkendorfs Bürgermeister Peter Jahr hat das Projekt zudem einen „hohen pädagogischen Wert“. Er lobte auch den Unternehmergeist der beiden jungen Pioniere. „So etwas tut unserer Gesellschaft gut.“

Nach Webers Angaben kommen die Jahrgarten-Nutzer längst nicht nur aus Denkendorf und Ostfildern. „Wir haben auch Leute aus Köngen und Filderstadt.“ Im nächsten Jahr möchte er vor allem in Denkendorf eine noch größere Fläche anbauen. Die Bärs aus Berkheim werden auf jeden Fall weitermachen. „Vor allem die Ernte macht einen Riesenspaß“, sagt Fritz Bär. „Ich esse jetzt viel mehr Gemüse. Und wir probieren ständig neue Rezepte aus.“

Einen Haken hat das neue Hobby: Die Familie muss sich eine größere Gefriertruhe anschaffen. Aber der Genuss des selbst produzierten Bio-Gemüses wiegt diese Investition locker auf.