Nürtingen und Kirchheim begrüßen Pläne für Autokennzeichen – Landratsamt übt Kritik
Jedem sein Kennzeichen

Mit seinem Vorstoß zu einer umfassenden Freiheit für Kommunen, eigene Autokennzeichen zu wählen, trifft Verkehrsminister Peter Ramsauer im Kreis Esslingen einen Nerv. Nürtingen und Kirchheim begrüßen die Initiative ausdrücklich. Mit harscher Kritik reagiert dagegen das Landratsamt. Auf Distanz geht auch Christof Bolay, der Oberbürgermeister aus Ostfildern.

Kreis Esslingen. Nürtingen und Kirchheim dürfen sich durch die jüngste Entwicklung bestätigt sehen. Beide Städte setzen sich dafür ein, auf den Straßen den lokalen Bezug zu stärken. Während Kirchheim „KIT“ favorisiert, sehnt man sich in Nürtingen nach dem früheren „NT“ zurück, das vor 40 Jahren im Zuge der Kreisreform vom bis heute wenig geliebten „ES“ abgelöst worden ist.

Vor einem Jahr war der Nürtinger Oberbürgermeister Otmar Heirich mit seiner Forderung im Kreistag noch auf massiven Widerstand gestoßen. Landrat Heinz Eininger hatte dort den organisatorischen und wirtschaftlichen Sinn bestritten und behauptet, mit den „NT“-Schildern und den damit verbundenen Erinnerungen an den Kreis Nürtingen würde nur Altes aufleben. Ramsauers Initiative verschafft Heirich, der sich bei diesem Thema auf einen einstimmigen Beschluss des Nürtinger Gemeinderats stützt, jetzt neuen Rückenwind. Er bemüht sich dabei, das Thema richtig einzuordnen. „Es gibt wichtigere Fragen“, so Heirich. Das „NT“-Kennzeichen wäre in seinen Augen aber ein kleiner Beitrag, die Identifikation mit der eigenen Stadt zu stärken.

Auch in Kirchheim fällt das Echo positiv aus. Dort hat sich der Gemeinderat schon im Frühjahr für ein eigenes Kennzeichen ausgesprochen, sofern der Bund dafür die gesetzlichen Grundlagen schaffen sollte. Bürgermeister Günter Riemer sieht das Ziel jetzt in greifbarer Nähe. „Wir finden es gut, wenn die Kirchheimer künftig zeigen können, wo sie herkommen“, sagt er.

In Filderstadt registriert man die Nachricht aus dem Bundesverkehrsministerium ebenfalls mit Interesse. Die Freien Wähler haben sich dort schon vor zwei Jahren dafür ausgesprochen, das „ES“ durch ein „FIL“ abzulösen. Ein solches Kennzeichen hat es nie gegeben. Anhänger einer Korrektur argumentieren daher auch nicht historisch. Sie beziehen sich vielmehr auf eine Studie der Hochschule Heilbronn, die zu dem Ergebnis gelangt ist, ein stärkerer Lokalbezug auf dem Nummernschild stärke das Zugehörigkeitsgefühl. Außerdem glaubt die Hochschule, ein wirkungsvolles Instrument für das Stadtmarketing entdeckt zu haben.

Festlegen will sich Daniel Kienle, Pressesprecher des Filderstädter Rathauses, noch nicht. „Wir müssen zunächst abwarten, wie die Einzelheiten aussehen“, sagt er. Ähnlich äußert man sich in Plochingen, wo das Thema bisher nie auf der Tagesordnung stand. Die Chancen, die sich mit einem eigenen Kennzeichen für das Stadtmarketing bieten, interessieren aber auch Bürgermeister Frank Buß: „Wir werden das Thema prüfen“, kündigt er an.

Ganz anders fällt die Reaktion im Landratsamt aus. Pressesprecher Peter Keck spricht von einer rückwärtsgewandten Politik, die für die Verwaltung nur zusätzliche Arbeit schaffe und am Ende zu einem großen Buchstabensalat führe. Die 383 Kennzeichen, die es in Deutschland bisher gibt, reichten völlig aus.

Von Zurückhaltung bis Kritik reichen die Stellungnahmen aus Esslingen, Ostfildern und Baltmanns­weiler. Roland Karpentier, Pressesprecher des Esslinger Rathauses, berichtet von Gelassenheit. Sollte das „ES“ im Kreis durch andere Kennzeichen teilweise verdrängt werden, fürchte man keine negativen Folgen für die Stadtwerbung. „Beim Marketing kommt es auf Hochschulen, Wirtschaft, Kultur und Veranstaltungen an“, sagt er. Nachteile sieht er nur für den Landkreis. „Wenn auf den Schildern eine neue Vielfalt einkehrt, entfällt ein verbindendes Element.“

Die schärfste Kritik formuliert Christof Bolay. Der Oberbürgermeister aus Ostfildern erklärt sich die breite Aufmerksamkeit für das Thema mit einem tiefen Sommerloch. Ostfildern sei selbstbewusster Teil des Landkreises. Die Vorstellung, die Identität hänge mit einem Kennzeichen zusammen, ist ihm fremd. Ähnlich äußert sich Martin König, der Bürgermeister aus Baltmannsweiler. Obwohl die Wahlfreiheit wohl auch für kleine Gemeinden gelten soll, bleibt er skeptisch. Ramsauers Argumente vermögen ihn nicht zu überzeugen. Verständnis zeigt er nur für Städte wie Nürtingen, die ihrem alten Kennzeichen nachtrauern.