CDU-MdB Bosbach (CDU) zur Zukunft der Union und der Politik
Jenseits der getönten Scheiben

Owen. Eine Partei in Moll, doch Bosbach nahm es gelassen – und mit Humor. Bemerkungen wie die, bei Wahlplakaten handle es sich bevorzugt um Jugendbildnisse der Kandidaten, sorgten immer wieder für Erheiterung. Aber Bosbach ging es um ernste Themen. Er mahnte dazu, konservativ zu sein, also das Bewährte zu bewahren. „Wer sich mit dem Zeitgeist vermählt, ist schnell Witwe oder Witwer.“ Seine Diagnose der Politik war eindeutig: „Wir haben in den letzten Jahren einen rasanten Vertrauensverlust in die Politik, besonders in uns Berufspolitiker. Je nach Betrachtungsweise trauen uns die Menschen entweder alles zu oder nichts.“

Viele Menschen seien politisch interessiert und engagiert, gingen aber trotzdem nicht mehr zur Wahl, weil sie sich nicht mit den Parteien identifizieren könnten. Sie gelte es zu überzeugen. „Immer schön mit den beiden Beinen auf dem Boden stehen, auch wenn man mal in ein hohes Staatsamt gelangt. Wenn Sie jahrelang die Welt nur noch durch die getönten Scheiben eines Dienstwagens betrachten, sieht das Leben anders aus.“

Das beste Wahlkampfmittel seien nicht Kulis und Luftballons, sondern gute Argumente. Es gebe auch heute noch erhebliche Unterschiede zwischen den Parteien. „Messen Sie die Politiker nicht an dem, was sie sagen, sondern an den Ergebnissen ihrer Politik.“ Die sieht Bosbach, sofern sie von der CDU kommen, durchweg positiv, von Bildungspolitik bis Sicherheit.

Am Ergebnis messen sollte man die Union auch bei Bosbachs ernst gemeinter Forderung: „Die CDU muss auch immer die Partei des kleines Mannes sein.“ Wobei der „kleine Mann“ nicht der Hartz IV-Empfänger sei, sondern der den ganzen Tag Arbeitende. „Unser Wohlstand beruht auf dem Fleiß von Millionen Arbeitnehmern.“ Eine allgemeine Steuersenkung sei nicht finanzierbar, aber es sei nötig, kleine und mittlere Einkommen von den Wirkungen der kalten Progression zu befreien.

Die Entwicklungen der vergangenen Monate stellte Bosbach als Sachzwänge dar. „Wir haben eine Reihe von unpopulären Entscheidungen treffen müssen.“ Die neuen Möglichkeiten der Medizin seien ein Segen für die Menschheit, aber auch sehr teuer. Bosbach verteidigte die Rente mit 67: Statistisch würden die Menschen seit Jahrzehnten jedes Jahr einen Monat älter. Die Alternativen seien gewesen, entweder die Beiträge zu erhöhen oder aber die Rentenleistung weiter abzusenken. „Das wiederum wäre mit mir nicht zu machen gewesen.“ Rente sei keine Sozialleistung des Staates, sondern Gegenleistung für die Lebensarbeitsleistung, betonte Bosbach.

„Die Regierung hat versagt“, kritisierte einer der etwa 70 Zuhörer, und Bosbach gab ihm Recht. Wenn man sie gut begründe, gäbe es auch Verständnis für unpopuläre Entscheidungen. Doch es müsse gerecht zugehen, dafür hätten die Leute ein sehr feines Gespür. Die Kritik an internationalen Zahlungen Deutschlands, etwa für die UNO, wies Bosbach zurück: „Das alles ist mir lieber als der kalte Krieg.“ Werde Armut nicht vor Ort bekämpft, kämen die Menschen zu uns. „Das Recht in Einwanderungsländern ist strenger als das Recht bei uns“, gab er zu bedenken.

Um Stuttgart 21 ging es bei dem Abend nicht nur, weil der Landtagsabgeordnete Karl Zimmermann großzügig „Pro S 21“-Buttons verteilte. „Was wir in Stuttgart sehen, das grenzt an Anarchie“, klagte ein Zuhörer. Es gehe um mehr als den Bahnhof, antwortete Bosbach. „Was wir in Stuttgart am Bahnhof erleben, werden wir auch noch an anderen Stellen erleben.“ Wer sich wie er für Atomkraft und neue Kohlekraftwerke ausspricht – denn die erneuerbaren Energien seien nicht speicherbar –, wird das als klare Drohung verstehen.Foto: Dietrich