Umfassende Bürgerbeteiligung auf dem Weg zur „Informations- und Dienstleistungsdrehscheibe“
„Jetzo Rathaus“ – und in Zukunft?

Seine Geschichte reicht mehrere Jahrhunderte zurück, seine Zukunft ist offen: „Ist jetzo ein Rathaus“ ist im Jahr 1600 über das Jesinger Rathaus im Lagerbuch zu lesen. Was mit dem Haus oder an der Stelle des sanierungsbedürftigen Gebäudes fortan geschehen soll, darüber ist jetzt ein intensiver Dialog zwischen Verwaltung und Bürgerschaft eröffnet worden.

Kirchheim. Weit über hundert inte­ressierte Bürger konnte Stadtchefin Angelika Matt-Heidecker in der Jesinger Schule begrüßen zur Eröffnung eines ausgetüftelten mehrstufigen Bürgerbeteiligungsverfahrens: Es geht um die Zukunft des Rathauses. „Wenn nicht hier – wo dann?“ bekannte sich Matt-Heidecker klar zum Plan, die Bürger von Anfang an mitentscheiden zu lassen. Vom Bürgerinfo-Abend erhofft sich die Oberbürgermeisterin in erster Linie Klarheit: Klarheit über Möglichkeiten, die über die jetzige Nutzung des Gebäudes durch Verwaltung und Ortschaftsrat hinausgehen; Klarheit über mögliche soziale Angebote in Zukunft; Klarheit über das künftige Aussehen des stadtbildprägenden Bauwerks; Klarheit über energetische Aspekte.

Stadtplaner Gernot Pohl machte die offene Position der Stadtverwaltung klar: „Wir können uns vorstellen, dass das Rathaus als Bestandteil des städtebaulichen Ensembles hier so stehen bleibt, es muss aber nicht exakt dieses Gebäude sein.“ Hochbauamtsleiter Wolfgang Zimmer zitierte den frühesten Eintrag über das Rathaus im Lagerbuch, dem damaligen Grundbuch, der aus dem Jahr 1560 stammt. Vier Jahrzehnte später müsse der Bewohner wohl eine Art Bürgermeister geworden sein, meinte Zimmer und verlas den entsprechenden Eintrag aus dem Jahr 1600: „Ist jetzo ein Rathaus.“ Ein radikaler Umbau des Gebäudes erfolgte 1871. Damals wurden auch die gusseisernen Stützen eingebaut, die heute einige Räume prägen.

Architekt Karl-Albrecht Einselen vom Büro KLE nahm die Zuschauer mit auf einen virtuellen Spaziergang durchs Rathaus, vom markanten Sandsteinsockel bis zum Archiv im Fachwerkgiebel. Als Jesinger kennt sich Einselen bestens im Gebäude aus, hat er es doch schon als Kindergarten-Steppke erforscht. Er fasste kurz die Gutachten zum baulichen Zustand zusammen. Beispielsweise sei erwiesen, dass im Dachstock Eichenholz aus dem Winter 1576/77 stecke. Beeindruckende Fotos bewiesen, dass viele Dachsparren heute im Nichts enden, weil einzelne Balken schlichtweg weggefault sind.

Zur möglichen künftigen Nutzung fasste Ortsvorsteher Michael Möslang die Überlegungen der Verwaltung zusammen. Ziel sei, weiterhin größtmöglichen Bürgerservice vor Ort zu bieten. Weiterhin sei bekannt, dass Jugendliche eine Möglichkeit für spontane Treffen außerhalb des breiten Vereinsangebotes suchten, vor allem jene, die sich noch nicht nach Kirchheim oder gar Stuttgart orientieren. Last not least lege der demografische Wandel den Ausbau bestehender Seniorenangebote nahe. Möslangs Nutzungsidee lässt sich daher als „Informations- und Dienstleistungsdrehscheibe Rathaus“ bezeichnen: Kulturelle Angebote gehören ebenso dazu wie die Verwaltung, Beratungsstellen und Treffs.

Nach so viel Input war‘s an den Bürgern, ihre Wünsche zu äußern beziehungsweise sich an die Arbeit zu machen. Das Programm sah Zeit für Workshops vor. In spontanen Arbeitsgruppen wurden Ziele und Visionen formuliert und später an die Wand gepinnt. Viele Ideen für die künftige Nutzung gingen in Richtung Mehrgenerationenhaus, aber auch Neues wie etwa ein Museum wurde angeregt oder Mängel wie das sich abzeichnende Fehlen einer Arztpraxis aufgezeigt. Jetzt ist wieder die Verwaltung am Zug: Sie muss sämtliche Vorschläge und die Auswertung der Fragebögen, die bei der Versammlung verteilt wurden, auflisten.

– Anregungen aus dem gestrigen Abend und Ergebnisse der Umfrage werden zusammengestellt.
– Ortschafts- und Gemeinderat sollen noch im Frühjahr Details festlegen.

– Erste Vorentwürfe werden in einigen Monaten erneut der Bürgerschaft vorgestellt.

– Begleitend soll ein Arbeitskreis gegründet werden mit Vertretern möglicher Nutzergruppen.