Biker und Autofahrer müssen sich erst wieder an das Miteinander gewöhnen
Jetzt ist das Unfallrisiko am größten

Motorradfahrer zieht es derzeit nach der langen Winterpause mit ihren Maschinen wieder auf die Straßen. Doch gerade zum Saisonstart sind die Risiken besonders hoch. Bernd Meyer ruft seine Bikerkollegen deshalb zu besonnener Fahrweise auf. Autofahrern rät der Sprecher der Motorradfreunde Ötlingen zu erhöhter Achtsamkeit.

Kirchheim. Hundert motorisierte Zweiradfahrer verloren im Verlauf der zurückliegenden Motorradsaison bis Anfang November 2014 auf baden-württembergischen Straßen ihr Leben. Gegenüber 2013 bedeutet dies einen Anstieg um 19 Prozent. Viele der tödlichen Unfälle ereigneten sich nach Angaben des Innenministeriums in den milden Frühlingswochen. Bernd Meyer überrascht das nicht. Bezogen auf ihre deutlich geringere Jahresfahrleistung hätten Motorradfahrer ein erhöhtes Unfallrisiko. „Gerade am Anfang der Saison fehlt vielen noch die gewohnte Routine“, erklärt er. „Das Gefühl für die Maschine, ihre Fahrstabilität, ihr Fahr- und Bremsverhalten muss sich erst wieder einstellen.“ Pkw-Lenker sollten deshalb mit Fahrfehlern rechnen und entsprechend Rücksicht nehmen, während Kradfahrer sich nicht überschätzen und daran denken sollten, dass sich Autofahrer nach der Winterpause wieder an Motorräder gewöhnen müssen.

Wenn die ersten Biker ihr motorisiertes Zweirad aus der Garage holen, erhöhen Verunreinigungen der vergangenen Wintertage das Unfallrisiko. „Beim Überfahren von Streugut im Kurvenbereich kann das Bike wegrutschen“, weiß Ramses Aydin. „Der Asphalt im Bereich von Waldschneisen und Brücken ist noch nicht abgetrocknet oder weist überfrierende Nässe auf – das erhöht das Sturzrisiko.“ Gleiches gelte für vom Frost aufgerissene Fahrbahndecken, die für Zweiräder – anders als für mehrspurige Fahrzeuge – zur riskanten He­rausforderung werden könne. Aydin rät deshalb zum wohldosierten Einsatz von Gas und Bremse. „Das von außen beginnende Anfahren von Kurven, die richtige Schräglage, aber auch das fehler- und sturzfreie Ausweichen von Hindernissen, muss nach der Winterpause wieder gelernt werden“, betont Bernd Meyer. „Das sollten sich Motorradfahrer bei den ersten Fahrten bewusst machen.“ Unabhängig davon gelte, dass vernünftige Biker die Straße, zum Wohle ihrer eigenen Sicherheit und der anderer Verkehrsteilnehmer, nicht zur Rennstrecke machen.

Thomas Höger, ebenfalls Mitglied bei den Motorradfreunden Ötlingen, appelliert an Autofahrer, sich während der Zweiradsaison nicht nur auf den Blick in den Rückspiegel zu verlassen. „Wer auf eine Abbiegespur fährt, sollte den obligatorischen Schulterblick nicht vergessen“, so Höger. „Denn aufgrund ihrer schmalen Silhouette sind Motorradfahrer einfach schlechter zu sehen.“ Sie sorge auch dafür, dass Pkw-Lenker häufig die Geschwindigkeit herannahender Zweiräder unterschätzen. An Kreuzungen oder beim Einbiegen in Straßen sollten sie im Zweifelsfall deshalb lieber warten, bis der Zweiradfahrer vorbeigefahren ist. Eine Gefahrenquelle sind laut Thomas Höger auch abbiegende Laster. „Hinter ihnen fahrende Motorräder werden von Autofahrern, die in eine Straße einbiegen wollen, nicht gesehen“, erklärt Höger. „Sie sollten deshalb warten, bis sie freie Sicht haben und sicher sind, dass auf den Lkw kein Zweirad folgt. So lassen sich gefährliche Begegnungen vermeiden.“

Entlang von Waldstücken sind motorisierte Zweiradfahrer wegen wechselnder Hell-Dunkel-Abschnitte, ebenso wie bei Gegenlicht, schlecht zu sehen. Höger empfiehlt ihnen daher immer wieder einmal Schlangenlinien zu fahren. „Auf die Art werden sie auch besser vom Gegenverkehr wahrgenommen, der deshalb von einem Überholmanövern absieht‟, sagt Thomas Höger. „Auf das Abblendlicht allein dürfen sich Biker nicht verlassen, denn angesichts des Tagfahrlichts an Autos, stellt es kein Alleinstellungsmerkmal mehr dar, das Sicherheit bietet.

Bei Staufahrten auf der Autobahn kommt es den Motoradfreunden zufolge immer wieder vor, dass Autofahrer den Bikern den Weg versperren, um sie am Vorbeifahren zu hindern. „Sie vergessen, dass es für Motorradfahrer ohne Klimaanlage und Heizung bei entsprechender Wetterlage im Stau schnell zu körperlichen Belastungen kommt, die sich negativ auf die Verkehrssicherheit auswirken können‟, klärt Bernd Meyer auf. „Pkw-Fahrer sollten Biker die stehende Fahrzeugkolonne deshalb überholen lassen.“ In jedem Fall gelte für Motorrad- und Autofahrer defensiv zu fahren, damit es gar nicht erst zu gefährlichen Begegnungen kommt.

Am 19. April, zwischen 10 und 16 Uhr, haben Kradfahrer die Chance, den Bikertag der Polizeipräsidien Konstanz und Tuttlingen zu besuchen. Vorträge zu Unfallverhütung und Informationen rund um die Schutzbekleidung oder die Demonstration von Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Zweiradunfällen stehen im Fokus. Veranstaltungsort ist der Motorradtreff Hegaublick/Gaststätte Hegau­stern an der Landstraße 191 zwischen Geisingen, Kirchen-Hausen und Engen.