Kreis Esslingen. Wie man die Vereinbarkeit von Kindererziehung und Berufstätigkeit insbesondere für alleinerziehende Familien verbessern kann, untersucht das Projekt „WiVerA“ (Wirksame Vernetzung für Alleinerziehende). Ziel ist es, lokale Netzwerke aufzubauen und die Lebens- und Arbeitsperspektiven für Alleinerziehende nachhaltig zu verbessern. „WiVerA“ wird getragen vom Kreisdiakonieverband Esslingen (KDV) in Kooperation mit dem Landkreis Esslingen und dem Jobcenter Landkreis Esslingen.
In einer – allerdings nicht repräsentativen – Befragung wurde die Lebenssituation Alleinerziehender im Landkreis untersucht. Darin wird auch deutlich, wie viele Hürden Alleinerziehende – zu 97 Prozent Frauen – überwinden müssen, um Familie und Beruf einigermaßen unter einen Hut zu bringen.
Mit 24,8 Prozent alleinerziehenden Haushalten liegt der Landkreis Esslingen deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 19 Prozent. Vor allem in den Städten liegt die Quote noch höher – in Esslingen bei 28,4, in Nürtingen bei 26,9 und in Kirchheim bei 26 Prozent. „Städte bieten eine bessere Infrastruktur. Man braucht dort oft kein Auto, deshalb ziehen Alleinerziehende dorthin“, weiß Renate Maier-Scheffler, die das Projekt koordiniert.
Laut den Ergebnissen der Befragung haben gut zwei Drittel der Befragten eine Berufsausbildung oder ein Studium. Der Großteil verfügt zudem über oft langjährige Berufserfahrung. Kira Brey, Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt im Jobcenter Esslingen, hat ein anderes Bild: „Die arbeitslosen Menschen, die wir betreuen, haben größtenteils keine abgeschlossene Berufsausbildung und eher wenig Berufserfahrung.“ Ohnehin sind die Chancen von Alleinerziehenden, einen Arbeitsplatz zu bekommen, geringer als die anderer Menschen. Arbeitgeber befürchten etwa, dass sie ausfallen, wenn die Kinder krank sind.
Ein entscheidendes Hindernis für Alleinerziehende auf dem Weg zur Berufstätigkeit ist die Frage von Kinderbetreuung und Arbeitszeit. Immer noch berücksichtigen nur wenige Arbeitgeber die Situation Alleinerziehender bei der Arbeitszeit. „Da wünschen wir uns mehr Sensibilität bei den Arbeitgebern für die schwierige Lage Alleinerziehender und eine flexiblere und familienbewusstere Arbeitszeitkultur“, sagt Renate Maier-Scheffler. Hilfreich seien etwa „Mami-Schichten“ für diejenigen, die kleine Kinder betreuen müssen. „Die Arbeitszeiten wurden beispielsweise im Verkauf in den vergangenen Jahren extrem ausgeweitet. Für solche Zeiten eine Tagesmutter zu finden, ist sehr schwierig“, weiß sie. Auch in den Kitas fehle die Betreuung in Randzeiten.
Vor allem für Ganztagesbetreuung in den Kindertagesstätten gibt es lange Wartezeiten und zu wenige Plätze für Kinder unter drei Jahren. „Hier müsste die Quote drastisch erhöht werden“, meint Anne Burkhardt, Projektmitarbeiterin des KDV und Beraterin für Alleinerziehende. Nur etwa ein Drittel der Kommunen berücksichtigten zudem bei der Platzvergabe vorrangig Alleinerziehende. Und wer erst auf Jobsuche ist, hat kaum eine Chance, einen Ganztagesplatz zu bekommen; das Vergabekriterium ist fast überall Berufstätigkeit. „Ein Teufelskreis“, meint Burkhardt und fordert, dass Alleinerziehende und Jobsuchende stärker berücksichtigt werden.
In vielen Städten und Gemeinden sei das Betreuungsangebot nicht flexibel genug, um Alleinerziehenden eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, sagt Maier-Scheffler. „Es wäre schön, wenn kein Arbeitsplatz an mangelnder Kinderbetreuung scheitern würde.“ Kommen die Kinder in die Schule, verschärften sich die Probleme. Alleinerziehende könnten die Kernzeitenbetreuung oft nicht finanzieren. Zudem sind die Ferienzeiten wesentlich länger als in den Kindergärten. Ferienbetreuung werde häufig nur unzureichend und sehr kurzfristig angeboten und koste zusätzlich Geld. Staatliche Zuschüsse gebe es dafür nicht. „Die Frauen sind in ständiger Anspannung, Kinderbetreuung und Beruf unter einen Hut zu bekommen“, sagt Maier-Scheffler.
Unzureichende Kinderbetreuung führt außerdem dazu, dass Alleinerziehende meist nur Teilzeitjobs übernehmen können. Komme geringe berufliche Qualifizierung hinzu, würden diese häufig schlecht bezahlt und die Betroffenen benötigten aufstockende finanzielle Hilfen vom Staat, sagt Brey. „Zwei Drittel der Alleinerziehenden haben eigenes Einkommen, aber können oft nicht davon leben“, erklärt Burkhardt.
Weil Alleinerziehende so vielfältige Herausforderungen zu meistern haben, brauchen sie passgenaue Hilfen, so das Fazit von „WiVerA“. Eine Anlaufstelle für Alleinerziehende, die speziell die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit im Blick hat, könnte sich um die Belange der Mütter und Kinder kümmern, schlägt Maier-Scheffler vor. Mehr Informationen gibt es auf www.kreisdiakonie-esslingen.de im Internet.rh