Kreisjugendring Esslingen lässt Inklusionsleitfaden erarbeiten – Modellcharakter
Jugendhäuser sollen barrierefrei werden

Das Projekt ist neu und hat Modellcharakter: Der Kreisjugendring Esslingen (KJR) ist dabei, einen Leitfaden für Inklusion in der Jugendarbeit zu erarbeiten. Unterstützt wird der KJR dabei von Prof. Dr. Thomas Meyer von der Dualen Hochschule Stuttgart und von Frank Baumeister, dem ehemaligen KJR-Geschäftsführers des Rems-Murr-Kreises.

Wendlingen. Menschen mit Behinderungen waren beim Kreisjugendring Esslingen in der Vergangenheit ganz gut aufgehoben. So gab es zum Beispiel beim Stadtjugendring Kirchheim einen Behindertenstadtplan und in den Kinderferienprogrammen immer Angebote für Kinder mit Behinderung. Das dicke Manko aber förderte eine aktuelle Untersuchung des KJR zutage. „Ganz wenige unserer Einrichtungen sind barrierefrei“, musste Geschäftsführer Kurt Spätling bei der gestrigen Pressekonferenz in Wendlingen einräumen. Weder das Mehrgenerationenhaus Linde in der Teckstadt noch das Mehrgenerationenhaus in Dei­zisau besitzen Rampen und Aufzüge. Im Jugendhaus Oberesslingen ließ der Kreisjugendring einen Aufzug einbauen, „und schon kam ein Rollstuhlfahrer“, berichtete der KJR-Geschäftsführer.

Freilich bedeutet Inklusion mehr als Barrierefreiheit. Darüber ist sich Kurt Spätling mit Pro. Dr. Thomas Meyer und Frank Baumeister einig. „Es geht darum, nicht behinderte Kinder und Jugendliche zu sensibilisieren, Berührungsängste zu überwinden und Barrieren im Kopf abzubauen“, sagte Thomas Meyer und war überzeugt, dass kaum ein anderer Bereich als die Jugendarbeit das Thema voranbringen könne. Und auch für Frank Baumeister war wichtig, dass sich der Kreisjugendring des Themas annimmt. „Es gibt viel zu wenig Akteure, die nicht aus der Behindertenhilfe kommen.“ Wobei die Jugendarbeit den Vorteil habe, gut vernetzt zu sein.

„Wir haben den Schalter umgelegt und bekommen das ganz gut hin“, erzählte Frank Baumeister aus seiner Zeit als KJR-Geschäftsführer im Rems-Murr-Kreis. Freilich galt es zunächst einmal, dicke Bretter zu bohren. Die Jugendarbeit in den Vereinen sei nicht auf die Zielgruppe Jugendliche mit Behinderung vorbereitet gewesen. Baumeister: „Ich hab‘ viel Feigheit erlebt.“

Seit Juni sind Thomas Meyer und Frank Baumeister für den KJR Esslingen in den Mehrgenerationenhäusern Kirchheim und Deizisau sowie in den Jugendhäusern Mettingen und Ostfildern zugange, um die dortigen Strukturen zu untersuchen und Vorschläge auszuarbeiten. Zwar seien die Voraussetzungen in den vier Einrichtungen sehr unterschiedlich, „doch treffen wir vor Ort auf eine große Bereitschaft“, freute sich Frank Baumeister darauf, „etwas auf die Beine zu stellen“.

In allen vier Häusern gibt es zum Teil sehr gute Kontakte und gemeinsame Freizeitveranstaltungen mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderung. So absolvierten etwa 200 Kinder den Rolli-Führerschein in der Spielstadt „Klein Nefingen“ in Deizisau. In Ostfildern besteht eine Kooperation zwischen dem Jugendhaus Zinsholz und der Behinderteneinrichtung „Wohnhaus“. Im Kirchheimer Mehrgenerationenhaus gibt es sehr gute Kontakte zur Lebenshilfe. Im Oktober soll ein großes, internes Inklusionsforum in der „Linde“ über die Bühne gehen. Das Haus selbst hat das Handicap, nicht barrierefrei zu sein.

Für Jugendliche mit Behinderung ist freilich nicht nur die Mobilität ein großes Thema. Eine gemeinsame Frei­zeitgestaltung mit nicht behinderten Gleichaltrigen, der Übergang von der Schule in den Beruf, lebenslanges Lernen und Wohnen gehören ebenso dazu.

Am Ende ihrer Arbeit könnte für Professor Dr. Thomas Meyer und Frank Baumeister ein „Inklumat“ stehen. Jedes Jugendhaus könnte dann im Internet anhand von 100 Fragen im Multiple-Choice-Verfahren ablesen, wo es in Sachen Inklusion steht. „Zu dieser Gesamtbewertung gib es einen Vorschlag, was die jeweilige Einrichtung im nächsten Jahr zu diesem Thema beitragen kann“, erklärte Frank Baumeister.

Doch vor dem „Inklumat“ steht für die beiden Experten der Index – der Leitfaden Inklusion für die Jugendarbeit. Wer das Projekt mit Modellcharakter finanziell unterstützt, ist zum jetzigaen Zeitpunkt noch nicht klar. Frank Baumeister hofft auf die Hilfe des Sozialministeriums des Landes.