Rainer Arnold und Michael Hennrich diskutierten auf Einladung der SBV über Familienpolitik
„Jung für Alt ist ein gutes Prinzip“

„Leistungsgerechtigkeit für Familien“ lautete die Überschrift einer Podiumsdiskussion im kleinen Saal der Limburghalle. Initiiert hatte den Abend die Soziale Bürgervereinigung Weilheim. Auf den Tisch kamen unter anderem Themen wie Rente, Ehegattensplitting, Verbrauchssteuern und Kindergeld.

Weilheim. „Jedes siebte Kind in Deutschland lebt von Hartz-IV“, schickte Moderatorin Martha Kaiser, dritte Vorsitzende der Sozialen Bürgervereinigung (SBV), der Diskussion voraus. Und obwohl in mehr als 70 Prozent der Haushalte keine Kinder wohnten, wünschten 58 Prozent eine stärkere Förderung von Familien. Wie genau die ausgestaltet sein soll, darüber debattierten die Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Nürtingen, Michael Hennrich (CDU) und Rainer Arnold (SPD).

Unisono verteidigten die beiden Politiker das deutsche Rentensystem. Es halte auch Kriegen und Krisen stand, betonte Arnold. „Jung für Alt ist ein gutes Prinzip.“ Sorge bereiteten ihm nicht Familien, in denen beide Elternteile erwerbstätig seien und gut verdienten, sondern Kleinstverdiener, kleine Selbstständige sowie gebrochene Erwerbsbiografien. „Wir sollten uns allerdings davor hüten, neue Leistungen im Rentensystem zu versprechen“, so Arnold. Ziel der Politik müsse sein, den kommenden Generationen keine Schuldenberge zu hinterlassen.

Als Vertreter der regierenden Koalition, zeigte sich Michael Hennrich selbstbewusst: „Bei der gesetzlichen Rentenversicherung haben wir unsere Hausaufgaben gemacht.“ Momentan werde eine Debatte darüber geführt, wie Erziehungszeiten von Kindern angerechnet werden sollen, die vor 1992 geboren wurden. „Ich könnte mir vorstellen, es daran festzumachen, wie bedürftig jemand ist.“ Kein Fan des Betreuungsgeldes, wertete er es als Teilerfolg, dass einen Bonus bekommt, wer das Geld in die private Altersvorsorge steckt. Getan werden müsse jedoch etwas für Familien in punkto privater Vermögensbildung beispielsweise durch die Förderung von Immobilienerwerb. „Da sind wir in der nächsten Legislaturperiode gefordert“, so Hennrich.

Das sah Arnold anders: „Ich habe nichts gegen Vermögensbildung.“ Die Ressourcen müssten aber in die Infrastruktur fließen, denn die Zukunftschancen von Kindern hingen in Deutschland nach wie vor vom Geldbeutel der Eltern ab. „Diejenigen, um die wir uns sorgen müssen, können mit und ohne staatliche Hilfe kein Wohneigentum erwerben.“

Bei den Verbrauchssteuern gibt es für Rainer Arnold Klärungsbedarf. Notwendige Utensilien für Kinder wie Windeln müssten seiner Ansicht nach mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz belegt werden. Hennrich räumte ein: „Es ist die größte Enttäuschung dieser Legislaturperiode, dass wir die Mehrwertsteuerreform nicht auf den Weg gebracht haben.“ Er sprach sich jedoch dagegen aus, neue Ausnahmen zu schaffen. „Dass Familien stärker belastet sind, würde ich über Kindergeld und Kinderfreibeträge abfedern.“

Für nicht mehr zeitgemäß hält Arnold das Ehegattensplitting. „Es begünstigt nicht Kinder, sondern den Trauschein.“ Er betonte: „Wir brauchen ein Kindergeld, das einkommensschwache Familien stärker unterstützt.“ Wohlhabende Familien würden bislang über steuerliche Möglichkeiten deutlich mehr bekommen als andere. Zu sagen, deren Kinder hätten höhere Ansprüche halte er nicht für okay. „Zudem ticken die Leute heute anders. Beruf und Kind müssen kompatibel sein. Dann werden sie sich für Kinder entscheiden.“

Hennrich wollte dagegen an der Differenzierung festhalten, damit Besserverdiener ihren Standard auch mit Kindern halten könnten. „Ich möchte nicht, dass sich die Leistungsträger in unserer Gesellschaft benachteiligt fühlen.“ Aus demselben Grund verteidigte der CDU-Mann auch die Ausrichtung des Elterngeldes am Gehalt der Eltern. Akademiker hätten im Übrigen weniger Kinder. Wünschenswert wäre jedoch, dass Nachwuchs aus allen Schichten käme.

Angeschnitten wurde auch der Wunsch vieler Eltern, mehr Zeit für ihre Familie zu haben. Dazu zitierte Martha Kaiser den „Vater des Wirtschaftswunders“, Kanzler Ludwig Erhard, der 1957 bereits für „mehr Freizeit, mehr Besinnung und weniger Güter“ geworben hatte. Arnold sah diesbezüglich Schweden als gutes Beispiel. „Dort kommt der Chef und schickt einen nach Hause, wenn man Überstunden schiebt. Das Handy bleibt nach Feierabend aus.“ Die Schweden seien ökonomisch erfolgreich und kreativ. „Ich sehe auch die Chance, dass bei der jüngeren Generation Statussymbole nicht mehr so wichtig sind“, sagte Arnold.

Die Wahlfreiheit liegt Hennrich besonders am Herzen. „Eltern sollen selbst entscheiden, wie sie das Zusammenleben in der Familie organisieren möchten.“ Sein Idealbild sei aber nicht, dass beide Elternteile voll arbeiteten. „Wenn man sich für ein bestimmtes Modell entscheidet, sollte man dadurch keine gravierenden Nachteile haben.“ Neben Betreuungseinrichtungen und dem Recht auf Teilzeitarbeit, müsse auch besser gefördert werden, Frauen nach der Familienphase wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Arnold verwies auf die Lebenswirklichkeit. Üblich sei heute, dass Mann und Frau arbeiteten. Volkswirtschaftlich mache es auch keinen Sinn, ausländische Fachkräfte zu holen, obwohl es in Deutschland gut ausgebildete Frauen gebe. „Wir werden die klugen, jungen Frauen brauchen, um unseren Wohlstand zu halten.“ Er bekannte sich dazu, für eine Steigerung der staatlichen Einnahmen einzutreten, um in Bildung zu investieren und Schulden abzubauen. Dagegen hielt Hennrich den Staat bereits für „zu aufgebläht“. Das Steueraufkommen sei hoch.

Im Anschluss nutzten die Zuhörer die Gelegenheit, die beiden Abgeordneten mit konkreten Beispielen zu konfrontieren. Eine Mutter stellte äußerst eindrücklich dar, mit welchen Kosten die Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter Umständen verbunden ist. In Weilheim, einer Stadt, die die Gebühren für Kindergärten und Krippen einkommensabhängig gestaffelt hat, müsste die Familie für die ganztägige Betreuung ihrer beiden Kinder monatlich insgesamt 950 Euro bezahlen.

Dazu bezog Arnold eine klare Position: „Solche Beträge halte ich für abschreckend.“ Betreuung müsse finanzierbar bleiben. Der Regelfall seien Gebühren in Höhe von 250 bis 300 Euro pro Kind.

Bürgermeister Johannes Züfle, der ebenfalls in den Zuhörerreihen saß, erklärte die Gebühren unter anderem mit dem vielfältigen Angebot an Betreuungsmöglichkeiten in der Stadt und finanziellen Zwängen der Kommunen.