Ostfildern. Lastwagenfahrer haben kein besonders lustiges Leben: Wegen des langen Sitzens leiden 70 Prozent unter Schmerzen. Betroffen sind vor allem Rücken, Schultern und Nacken. Mit durchschnittlich 20 Krankheitstagen im Jahr gehören Trucker zu den kränksten Arbeitnehmern. Es muss also etwas passieren. Doch wie könnte man die Fahrer dazu bringen, sich zu bewegen und so Beschwerden vorzubeugen? Darüber hat Siegfried Rothe, bei Daimler zuständig für die Kundenforschung, nachgedacht. „Wir können die besten Sitze bauen“, sagt Rothe. „Trotzdem brauchen Lkw-Fahrer mehr Bewegung und zwar die richtige. Be- und Entladen gehört nicht dazu.“ Er selbst sei 2006 mal eine Woche mit einem Truck unterwegs gewesen und hat festgestellt: „Eine Woche in dieser kleinen Kabine arbeiten, schlafen, kochen – das sind katastrophale Bedingungen.“ Um sie zu verbessern, hat er nun unter anderem ein Fitness- und Gesundheitskonzept entwickelt. Geholfen hat ihm dabei Jürgen Saur, Chef des Vitalcenters am Paracelsuskrankenhaus in Ruit. Der hat sich die kleine Kabine angeschaut und nach pragmatischen Lösungen gesucht.
Das Ergebnis: Je zwei Ösen an der Decke und an der – meist hochgeklappten – zweiten Liege. Dort können Expander eingespannt werden. Außerdem gibt es ein Brett, ebenfalls mit zwei Ösen für zwei Expander, das hinter den Sitzen auf den Boden gelegt wird. Der Fahrer setzt sich dann auf seine normale Liege, stellt die Füße auf das Brett und kann mit den Expandern Übungen machen. Vom Dach hängt zusätzlich ein Punchingball – gut für die Oberarme. Zur Motivation kann sich der Fahrer per Film einen Personaltrainer holen. Auf dem Bildschirm ihm gegenüber macht dann eine junge Frau die Übungen vor. Saur kann sich gut vorstellen, wie das neue Angebot genutzt wird: „Abends, wenn sie auf dem Rastplatz stehen, können die Fahrer in Ruhe ihre Übungen machen. Und zwar unbeobachtet, wenn ihnen das lieber ist.“ Denn es sei ja nicht jedermanns Sache, auf dem Parkplatz Gymnastik vorzuführen.
Um Fahrer dazu zu bringen, sich Brett, Expander und Punchingball anzuschaffen, arbeitet Rothe mit der Sporthochschule Köln derzeit an einem Motivationskonzept. Außerdem wurden die Gerätschaften schon auf dem Nürburgring bei einem Truckertreff vorgestellt. „Die Reaktionen waren durchweg positiv“, so Rothe. Pläne, dass Daimler in neue Trucks die Geräte serienmäßig mitliefert, gebe es nicht. Aber bis Ende des Jahres sollen die Fitnessgeräte als Paket verkäuflich sein. Rothe: „Die Kosten liegen wahrscheinlich bei etwa 100 Euro.“ Er setzt dabei auf Spediteure, die ihre Fahrer vor Krankheiten bewahren wollen. „Wenn ein Laster einen Tag nicht fahren kann, zum Beispiel, weil die Fahrer krank sind, hat der Spediteur einen Nettoverlust von 500 Euro“, weiß Rothe. 100 Euro Investition würden sich also schnell rechnen, wenn dadurch die Krankheitstage sinken würden. Erste Kontakte zu großen Speditionen hat Rothe bereits aufgenommen. Er sei zuversichtlich, dass auch dort Ernst gemacht wird mit dem betrieblichen Gesundheitsmanagement. „Aber das dauert.“