Auch in den Buchhandlungen rund um die Teck ist der Sadomaso-Roman „Shades of Grey“ ein Renner
Keine Hemmungen vor fesselnden Abgründen

Die Kritiker verreißen sie, Millionen von Lesern verschlingen sie: Die sadomasochistisch angehauchte Softporno-Trilogie „Shades of Grey“ feiert Erfolge wie einst „Harry Potter“. Am Montag ist nun Band zwei erschienen – und findet auch in den Buchhandlungen rund um die Teck reißenden Absatz.

Bianca Lütz-Holoch

Kirchheim. In den großen Internet-Buchhandlungen besetzt die „Shades of Grey“-Trilogie der britischen Autorin E. L. James schon längst die ersten drei Plätze. Allerdings sind die Sadomaso-Softpornos keineswegs nur in den anonymen virtuellen Verkaufsräumen der Renner. Auch die Buchhandlungen rund um die Teck erleben derzeit einen echten „Shades of Grey“-Boom.

„Ich bin selbst überrascht, wie gut die Bücher gehen“, gesteht Tina Drexler, Mitarbeiterin der Kirchheimer Buchhandlung Zimmermann. „In den vergangenen beiden Tagen war der zweite Band von ,Shades of Grey‘ unser meistverkauftes Buch.“ Hemmungen beim Kauf des Sadomaso-Romans scheinen die Kunden nicht zu haben. Auch bei der Buchhandlung Schieferle in Kirchheim wird der Roman „wie wild“ nachgefragt. „Die Leute haben da keinerlei Scheu. Vor allem die Frauen sind sehr offen und gehen ganz locker dran“, sagt Anette Leiser, Mitarbeiterin der Buchhandlung. „Die Nachfrage ist hoch“, bestätigt Ralf Bauer von der Kirchheimer Bücherstube. Auch Yvonne Peter von „Das Buch“ in Weilheim bekommt den „Shades of Grey“-Boom zu spüren: Sie hat sogar schon für den dritten Band, der Ende Oktober auf Deutsch erscheinen soll, Vorbestellungen entgegengenommen.

„Zielgruppe sind vor allem Frauen“, sagt Tina Drexler von der Buchhandlung Zimmermann – und zwar Frauen aller Alters- und Gesellschaftsschichten: „Sogar einige Stamm­kunden, die sonst großen Wert auf literarische Qualität und schöne Sprache legen, haben den Roman gekauft“, sagt sie. Ihre älteste Kundin, die „Shades of Grey“ gekauft hat, schätzt Tina Drexler auf „80 bis 85 Jahre“. Andererseits habe sie auch schon Frauen bedient, die sie sonst noch nie im Laden gesehen habe.

Schief angeguckt wird in den Buchhandlungen übrigens niemand, der die Romane der Britin E. L. James kauft, wie die Mitarbeiterinnen versichern. „Wir werten da nicht“, sagt Tina Drexler. Für sie persönlich sei das Buch zwar „an der Grenze, aber absolut gesellschaftsfähig“. Auch Anette Leiser verkauft die Sadomaso-Schinken ohne mit der Wimper zu zucken. „Es gibt doch diesbezüglich keine Zensur in Deutschland.“ Sie selbst hält die „Shades of Grey“-Trilogie für weniger dramatisch als beispielsweise Charlotte Roches „Feuchtgebiete“. „Es ist aber nichts, was ich empfehlen würde“, so Leiser.

Yvonne Peter ist der Ansicht, dass sich jeder seine eigene Meinung zu dem Buch bilden sollte: „Ich denke mir auch nichts dabei, wenn Kunden das Buch verlangen.“ Zwar sei der Medien-Hype um die Trilogie immens. „Es gibt aber ganz viele weniger bekannte Titel, die gleichermaßen fragwürdig sind“, so Peter. Ähnlich denkt Tina Drexler: Auch Werke von Thilo Sarrazin und Dieter Bohlen hätten oft zweifelhafte Inhalte.

Ralf Bauer von der Bücherstube hat noch ein weiteres Phänomen beobachtet. „Die Bücher polarisieren total“, sagt Buchhändler: „Die einen finden sie fürchterlich, die anderen genial. Dazwischen gibt es nichts.“

Fakt ist, dass die „Shades of Grey“-Trilogie von den Kritikern fast ausnahmslos verrissen wird. „Todlangweilig“, „klischeehaft“ und „schlecht geschrieben“ urteilen sie über die Romane, in denen eine unerfahrene Studentin einem bildschönen jungen Multimillionär mit rätselhafter Vergangenheit und sadomasochistischen Neigungen verfällt. Immer wieder äußern sich die Kritiker auch besorgt, dass so viele emanzipierte Frauen von Unterwerfungsfantasien fasziniert sind.

Warum viele Leser jetzt regelrecht nach dem zweiten Teil dürsten, dafür hat Tina Drexler von der Buchhandlung Zimmermann eine Er­klärung parat: „Der Schluss des ersten Bandes ist absolut offen“, sagt sie. Und wer wissen möchte, wie es mit den Pro­tagonisten Ana und Christian weitergeht und hinter die düsteren Geheimnisse des dominanten Multimillionärs steigen möchte, muss einfach weiterlesen.