Nürtingen/Stuttgart. „Das waren keine Rosen für den Staatsanwalt“, sagte einer der Zuhörer gestern nach den Plädoyers der Verteidiger. Die Anwälte der neun jungen Männer, die am 8. Mai 2010 in Nürtingen „ihre überschüssige Energie freiließen“, fuhren in ihren Schlussausführungen sehr scharfe Geschütze in Richtung des Anklägers auf. Ihrer Meinung nach war der Überfall der neun Angeklagten in jener Nacht in der Nürtinger Bahnhofstraße nicht mehr als eine „Ehrenkäserei“, wie es der Verteidiger des Hauptangeklagten, Stefan Holoch, gestern formulierte. Und „nur durch die Sturheit eines Staatsanwalts“ sei in dieser Schwurgerichtskammer verhindert worden, dass sich Gericht und Angeklagte „verständigen konnten“.
Entgegen der Auffassung des Anklagevertreters, der von heimtückischem Mordversuch aus niederen Beweggründen ausging, sind alle Verteidiger der Meinung, dass das nächtliche Geschehen nicht mehr gewesen ist als eine gemeinschaftliche gefährliche Körperverletzung. Selbst der vorgeworfene Landfriedensbruch, von dem der Ankläger ebenfalls bei allen Beschuldigten ausging, sei zweifelhaft. Damit liegen die Rechtsanwälte sogar auf derselben Linie wie die Opferanwälte, die am Donnerstag dem Staatsanwalt widersprachen und in ihren Plädoyers ebenfalls nur von gefährlichen Körperverletzungen ausgingen.
Neben der Verhängung von höchstens jeweils zwei Jahren und neun Monaten beantragten die Verteidiger, alle jetzt bestehenden Haftbefehle gegen die 22- bis 27-jährigen Angeklagten außer Vollzug zu setzen. Bei keinem der Mandanten bestehe Fluchtgefahr. Sie seien geständig gewesen, und die Vernehmung der zahlreichen Zeugen habe eindeutig ergeben, dass bei dem Überfall nur drei von rund 30 Angreifern eine Art Waffe dabeihatten. Hier könne man keinesfalls von einem gemeinschaftlichen Mordversuch ausgehen.
Mit den gestrigen letzten Plädoyers ist bei der Stuttgarter Schwurgerichtskammer der Prozessstoff abgehandelt worden. Die Richter selbst hatten bereits vor einer Woche signalisiert, dass möglicherweise nur noch Körperverletzung vorliege, und Strafobergrenzen von bis zu zwei Jahren und elf Monaten in Aussicht gestellt. Dabei hatten sie vergeblich versucht, den Staatsanwalt in diese „Verständigung“ miteinzubeziehen. Die Urteile sollen am 15. März verkündet werden.