Kirchheim. Bei Haushaltsberatungen geht es mitunter um mehr als nur um Geld. Es geht auch um politische Grundsatzentscheidungen. Solche umstrittenen Grundsätze sind im Kirchheimer Gemeinderat seit Jahren die Erhöhung oder die Nichterhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes und der Verzicht auf Elterngebühren für den Kindergarten. In beiden Fällen hat sich in der jüngsten Gemeinderatssitzung Erstaunliches getan.
Recht schnell erzählt ist die Geschichte von der höheren Gewerbesteuer, die in Kirchheim ab 2012 fällig wird. Die Argumente blieben in etwa dieselben wie in der Sitzung des Finanz- und Verwaltungsausschusses eine Woche zuvor. CDU, Freie Wähler sowie FDP/KiBü halten die Gewerbesteuer nach wie vor für eine ungerechte Steuer, die sie am liebsten ganz abschaffen würden. Besonders ungerecht finden sie, dass Freiberufler keine Gewerbsteuer zahlen, dass die Gewerbesteuer nicht nur auf den Gewinn, sondern auch auf die Substanz ausgelegt ist, und dass sie vor allem mittelständische Unternehmen belastet. Auf der anderen Seite sprachen sich SPD, Grüne und die Frauenliste für eine höhere Gewerbesteuer aus, weil sie seit 17 Jahren nicht mehr angehoben worden ist, weil sie zusammen mit der Grundsteuer die einzige Stellschraube bildet, an der Kommunen drehen können, und weil gerade die Grundsteuer jetzt innerhalb von zwei Jahren um 30 Prozentpunkte erhöht worden ist.
Nach einem Grundsatzreferat von Stadtkämmerer Herbert Sedlaczek-Kohl, dem zufolge 45 Prozent der 1 420 steuerpflichtigen Betriebe in Kirchheim ohnehin mit Null veranlagt sind, und nach einer Sitzungsunterbrechung einigte sich die Mehrheit schließlich auf einen gemeinsam ausgehandelten Kompromissvorschlag. Da die Stadtverwaltung bereits zugesagt hatte, sich um das Zertifikat als „Mittelstandsorientierte Kommune“ zu bemühen, konnten die Freien Wähler wie angekündigt eine Erhöhung des Hebesatzes von 360 auf 370 Prozentpunkte ab 2012 mittragen. Mit 25 zu 12 Stimmen fiel das Ergebnis der Abstimmung auch recht deutlich aus. Bestandteil des Kompromisses war auch der Grundsteuerhebesatz. Hier einigten sich die Ratsmitglieder aber zu Lasten der Grundsteuerzahler darauf, ihn tatsächlich bereits ab 2011 von 380 auf 390 Prozentpunkte zu erhöhen.
Beim beitragsfreien ersten Kindergartenjahr, das die SPD seit Jahren als Einstieg in einen grundsätzlich gebührenfreien Kindergarten fordert, gab es die denkbar knappste Mehrheit. Genau genommen war es gar keine Mehrheit, die sich mit dem SPD-Antrag durchsetzte: Weil bei der Abstimmung gefragt wurde, wer gegen ein beitragsfreies erstes Kindergartenjahr sei, und weil die Abstimmung mit einer Stimmengleichheit von 18 zu 18 endete, fehlte schließlich die Mehrheit für Gebühren im ersten Kindergartenjahr.
187 000 Euro an Einnahmen würden dadurch jedes Jahr im Kirchheimer Haushalt wegbrechen. Unmittelbar nach der Abstimmung zog Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker das Fazit: „Damit haben wir ein beitragsfreies Kindergartenjahr – als erste Kommune im Regierungsbezirk Stuttgart.“
Gefreut darüber haben sich die 18 Ratsmitglieder, die damit eine „Mehrheit“ erringen konnten: die SPD, die Grünen, die Frauenliste und die Christliche Initiative Kirchheim sowie eine Einzelstimme aus der CDU-Fraktion. Ob es nun allerdings tatsächlich zum Probelauf kommt, der zeigen könnte, dass dadurch mehr Kinder in den Kindergarten gehen, das ist noch fraglich. Denn um die Beitragsfreiheit wirksam einzuführen, bedarf es einer Änderung der Gebührensatzung. Und dafür braucht es wieder eine eigene Mehrheit.