„Concerto Imperiale“ gastierte mit Werken des Barock in der Kirchheimer Stadthalle
Klangpracht und filigrane Transparenz

Kirchheim. Mit seinem auf fünfzehn Spieler erweiterten, auf Originalinstrumenten konzertierenden Barockensemble „Concerto Imperiale“, das in Kirchheim in kleinerer Besetzung


schon mehrfach zu hören war, präsentierte der Musikwissenschaftler, Musikpädagoge und Ensembleleiter Bernhard Moosbauer ein sorgsam ausgewähltes Programm der Barockkomponisten Johann Sebastian Bach, Georg Philipp Telemann, Georg Friedrich Händel, Antonio Vivaldi und Arcangelo Corelli, dessen 300. Todestag dieses Jahr gefeiert wurde. Dabei ist Moosbauer großes Lob zu zollen für das kenntnisreiche und wohlreflektierte Beiblatt zum Programm, das Einblick in die vorgestellten Werke und deren kompositionsgeschichtlichen Hintergrund bot.

Mit dem viersätzigen Concerto grosso D-Dur, op. 6/4 für Streicher und Basso continuo des „Pioniers“ der konzertanten Barockmusik, Corelli, stand ein für diese Gattung typisches Werk am Programmauftakt. Im ersten Satz folgt auf vier einleitende Takte im Adagio ein zweigeteiltes Allegro, in dem das Concertino der beiden Soloviolinen (Bernhard Moosbauer, Andreas Heiniger) in schöner Verzahnung und nahtlosem Übergang mit dem Ripieno (Tutti) in perlenden Sechzehntelfigurationen konzertierten. Das darauffolgende, aus Achtelpaaren bestehende Adagio mit seiner ausdrucksstarken Harmonik wurde mit feiner schwer-leichter Akzentuierung dargeboten, wozu eine grazile Lautenkoloratur (Andrea Baur) einen aparten Tupfer beisteuerte. Dem munter musizierten, tänzerisch betonten Vivace mit wirksamen Echoeffekten zwischen Concertino und Begleitung folgte ein zweiteiliges Abschluss-Allegro in gut zum Ausdruck gebrachter dramatischer Steigerung, das durch dynamisch differenziertes, furioses Sechzehntellaufwerk bestimmt war.

Es schloss sich das dreisätzige Konzert B-Dur von Telemann für drei Oboen, drei Violinen und Basso continuo an, der bei dieser Aufführung aus Cembalo, Cello, Violone, dem barocken Vorläufer des Kontrabasses, und Fagott bestand, was zu einem satten, die Melodieinstrumente gleichwohl nicht „erdrückenden“, abgerundeten Bassfundament führte. Hier beeindruckten das permanent „passgenaue“ Wechselspiel zwischen Soloinstrumenten und Begleitung, das eindrückliche Frage-Antwort-Spiel im Dreiermetrum des Largo und das triolische Feuerwerk des schnellen Abschlusssatzes. Das Ensemble kam mit schlanker, niemals „pastoser“ Tongebung, höchstens angedeutetem Vibrato und leichtem Bogenstrich der Streicher gänzlich ohne Fortissimo aus, musizierte aber trotzdem mit großer Ausdruckskraft und feinem Gespür für adäquate Dynamik.

Im Anschluss erklang Vivaldis Konzert F-Dur (Allegro – Larghetto – Allegro) für zwei Solohörner (Martin Roos, Oliver Picon), Streicher und Basso continuo (RV 539), das genau wie sein „Zwillingskonzert“ in B-Dur (RV 538) einen extrem hohen Anspruch an die Solisten stellt, die an diesem Abend auf den besonders heiklen Naturhörnern konzertierten. Während im schnellen Eingangssatz noch die eine oder andere Ansatzschwäche oder leichte Verzögerung im Zusammenspiel mit dem Tutti zu vernehmen war, fühlten sich die beiden Solisten im langsamen Satz, den sie ausdrucksstark und tonschön gestalteten, erkennbar wohler. Auch im schnellen Abschlusssatz gelangen die Sololäufe ohne die geringste „Phasenverschiebung“, Solisten und Tutti musizierten wie aus einem Guss, mit wirksam retardierender Stauung und gekonnt gesetztem Triller des ersten Horns zum Abschluss.

Im letzten Werk vor der Pause, Händels Concerto Grosso G-Dur, op. 6/1 für Streicher, zwei Oboen und Basso continuo rundete in dieser Aufführung das „ad libitum“ vorgesehene Fagott das Klangspektrum im unteren Register ab, wobei die ebenfalls fakultativ einbezogenen Oboen die hohen Streicher „verstärkten“. Beim G-Dur-Konzert handelt es sich um das erste aus einem zwölfteiligen Zyklus von Concerti grossi aus dem Jahr 1739, der getrost als Händels „Opus magnum“ in dieser Gattung betrachtet werden darf, in dem er sich in manchem zwar an sein Vorbild Corelli anlehnte, mit mancherlei zusätzlichen Formelementen jedoch weit über diesen hinausging.

Im Vortrag des Ensembles gefielen besonders der ouvertürenhaft wirkende Eingangssatz (A tempo giusto), der trotz der heiklen und exponierten Stellen höchst sauber intonierte, edel und klangschön erklingende langsame Satz (Adagio), das exakt präsentierte Fugato mit seinen kontrapunktischen Finessen im vierten Satz (Allegro) und die beschwingte, abschließende Giga mit ihrer spielerisch dialogischen Form, in der kecke Einwürfe prompt von anderen Stimmen beantwortet wurden. Hier konnte das Ensemble seiner musikantischen Verve voll die Zügel schießen lassen, was mit großem Beifall honoriert wurde.

Nach der Pause fand das Konzert seinen Fortgang mit Telemanns viersätzigem Konzert G-Dur für vier Violinen ohne Bass, das für alle vier Instrumente mit gleichmächtigem, aber nicht allzu virtuosem Anspruch gesetzt ist und das auch für den Hörer vergleichsweise „leichte“ Kost darstellt. Im Vortrag der vier Akteure gefielen zum Beispiel das prägnante Fugato des zweiten Satzes, das gravitätisch fortschreitende Adagio mit teils gewollt fahler Tongebung und das abschließende tänzerische Vivace mit den imitatorischen, an Trompetenstöße erinnernden Signalen.

Im anschließenden Konzert D-Dur für Violine, Streicher und Basso continuo op. 8/11 (RV 210) war dem Solisten Andreas Heiniger ein höchst virtuoser Part vorbehalten, der mit bogen- und grifftechnischen Schwierigkeiten nur so gespickt war. Im Auftaktsatz (Allegro), der in feinen dynamischen Abschattungen zwischen Solo und Tutti gestaltet wurde, erklangen Läufe der Solovioline bis in hohe Lagen aufsteigend, bei der neben brillant gemeisterten Passagen auch kleinere Verschleifungen hörbar wurden. Umso schöner gelang der langsame Satz (Largo), in dem bei fehlenden Bässen die begleitenden hohen Streicher die harmonische Struktur gaben. In einer weit gesponnenen Kantilene brachte Heiniger sein Instrument mit unforcierter, das Vibrato nur ganz dezent einsetzender Tongebung geradezu zum „Singen“. In den rasenden Läufen und Arpeggien und im kurzen kadenzierenden Teil des abschließenden Allegro schließlich lief der Solist zu Höchstform auf, was ihm den lang anhaltenden Applaus des Publikums und seiner Mitstreiter eintrug.

Der abschließende Höhepunkt kam mit Bachs erstem Brandenburgischen Konzert F-Dur für drei Oboen (konzertierend: Angela Knapp), Fagott, zwei Hörner, Violino piccolo (Bernhard Moosbauer), Streicher und Basso continuo, BWV 1046. Hier brachte „Concerto Imperiale“ die polyphone Mehrschichtigkeit des Werks mit ständig alternierenden Instrumentengruppen und die wohlkalkulierte Anlage der Komposition besonders trefflich zum Ausdruck.

Besonders gefiel hier zum Beispiel der verinnerlichte und souveräne Vortrag des langsamen zweiten Satzes (Adagio) im wiegenden Dreiermetrum mit schönen Soli der Terzgeige und der Oboe. Auch der verschachtelt komponierte Schlusssatz mit dem vierfach wiederkehrenden Menuett-Ritornell und den eingestreuten Trio-Teilen mit zweimal wechselnder solistischer Bläserbesetzung und der (überraschenden) Trio-Polonaise der Streicher wurden überzeugend interpretiert. Langer Beifall, der mit einer Satzwiederholung als Zugabe belohnt wurde, war der Lohn für einen Konzertvortrag des „Concerto Imperiale“, der durch stilsichere Interpretation im Sinne der historischen Aufführungspraxis, hoch entwickelte Gestaltungskraft und profunde Freude am Musizieren beeindruckte.