Künstlich aufgestaute Lindach wird jedes Jahr zum Schauplatz des Badewannenrennens
Klassenloser Kampf im Gumpen

Neidlingen. Auf dem Dorney Lake in Buckinghamshire sind am Samstag spannende Bootswettkämpfe zu Ende gegangen: In den unterschiedlichen Wettbewerbsklassen ging es beim Rudern um olympische Ehren. Nicht weniger spannend waren die Wettkämpfe, die am Samstag auf der Lindach in Neidlingen ausgetragen wurden. Die Parallelen zu Olympia sind beachtlich – von der weitaus geringeren medialen Aufmerksamkeit weltweit einmal abgesehen.

Die Olympischen Spiele in London beispielsweise begannen unter anderem mit Glockenschlägen von „Big Ben“. Das Neidlinger Badewannenrennen wiederum begann mit dem Glockenschlag vom Rathausturm. Handelt es sich in London um Sommerspiele, so handelt es sich in Neidlingen zumindest um ein Sommerferienprogramm. Und wenn die Londoner gerade dabei sind, die Sportler mächtig anzufeuern und dafür sogar die sonst übliche britische Zurückhaltung abzulegen, dann haben auch die Neidlinger am Samstag bewiesen, dass sie ihre Lokalmatadoren an der dicht besetzten Strecke nach Kräften unterstützen können.

In manchen Belangen ist das Badewannenrennen, das die Jugendfeuerwehr Neidlingen seit 2001 ausrichtet, sogar echter und authentischer als Olympia: Wenn schon nicht die Jugend der Welt, so tritt in Neidlingen trotzdem die wirkliche Jugend an – die aus dem Lindachtal. Bei diesen Nachwuchssportlern handelt es sich bis heute um echte Amateure. Lukrative Werbeverträge stehen nach dem Rennen auf der Lindach nicht in Aussicht, und auch Dopingvorwürfe gab es während der Regatten kein einziges Mal. Vor allem aber gilt das Motto: „Dabeisein ist alles.“

Nun aber zu den tatsächlichen sportlichen Details: Es gibt nur zwei unterschiedliche Wettbewerbe – Einzel und Doppel. In beiden Kategorien gibt es nur eine einzige Starterklasse. Weder nach Geschlechtern noch nach Gewichtsklassen werden Unterschiede gemacht. Und was das Alter betrifft, so sind die Kämpfer zwischen acht und 14 Jahren alt, wie Jugendfeuerwehrwart Jochen Hepperle in seiner Eigenschaft als Badewannenrennen-Multifunktionär der akkreditierten Presse gegenüber erläuterte.

Vor- und Nachteile gleichen sich in dieser klassenlosen Gesellschaft aus: Vor allem im Doppel zeigt sich, dass die größere Erfahrung und die größere Kraft der älteren Teilnehmer nur bedingt von Vorteil ist. Ihr größeres Gewicht sorgt nämlich immer wieder dafür, dass die Zinkwannen mit Wasser volllaufen und auf offener Strecke untergehen.

Wer beim Badewannenrennen gewinnen will, sollte nicht nur gewandt mit den Stöcken umgehen können, die hier Ruder oder Paddel ersetzen. Er oder sie sollte auch die Wende am Seil kurz vor dem hölzernen Stauwehr gut bewältigen. Diese Wende ist einer der kritischsten Punkte des gesamten Rennens. Danach geht es nur noch gumpenaufwärts zur Start- und Zielbrücke. Dort gibt es eine kleine Reminiszenz an die olympischen Schwimmwettbewerbe: Das Rennen ist nämlich erst beendet, wenn die Teilnehmer an der Brücke abgeklatscht haben. Eine weitere Voraussetzung für den Sieg ist eine gute Zeit: Handgestoppt sollten schon unter 50 Sekunden rauskommen, sonst wird es nichts mit einer Finalteilnahme.

Am Samstag setzte sich auf der Lindach noch einmal die langjährige Erfahrung durch – wenn sich auch die Gewinnerin der beiden Vorjahresrennen, Annemarie Kuch, im Finale ihrem Doppelpartner Tim Hepperle geschlagen geben musste. Aber gemeinsam konnten die beiden Einzelfinalisten schließlich noch den Doppelwettbewerb für sich entscheiden.

Im Gegensatz zum künstlich angelegten Dorney Lake, wo von heute an um Kanu-Medaillen gekämpft wird, ist der künstlich angelegte Lind­ach-Gumpen längst wieder zum schmalen Rinnsal geworden. Aber das nächste Badewannenrennen kommt bestimmt, und dabei gibt es sogar noch eine Parallele zu den Olympischen Spielen der Antike: Der Austragungsort ist immer derselbe.