Einweihung des Weilheimer Mühlenwegs – In zwölf Stationen der Geschichte auf der Spur
„Klein-Venedig“ und andere Idyllen

Mühlengeklapper gehörte in Weilheim in früheren Jahrhunderten zum Alltag wie das Blöken der Schafe. Heute dreht sich nur noch das Wasserrad an der Oberen Mühle. Ein Weg von Oberhofen nach Unterhofen erinnert jetzt an die Mühlen­tradition der Limburgstadt.

Weilheim. Zwölf Stationen umfasst der 2,3 Kilometer lange Mühlenweg, der am oberschlächtigen Wasserrad an der Mühle Geßmann seinen Ausgang nimmt. 1985 wurde das Rad von der Stadt wieder instandgesetzt. Angetrieben vom Mühlkanal, einem Abzweig der Lindach, dreht es sich in den wärmeren Monaten – am Radweg Richtung Hepsisau und Neidlingen herrscht dank des plätschernden Wasserlaufs Nostalgie pur. 1429 erstmals belegt, geht die heutige Obere Mühle, in der Friedrich Geßmann das Korn von Landwirten aus der Umgebung mahlt, auf das Jahr 1772 zurück.

Die Idee, nach dem Vorbild des 2008 eingeweihten Weilheimer Altstadtrundwegs einen Mühlenweg zu erarbeiten, wurde noch unter der Ägide von Alt-Bürgermeister Hermann Bauer geboren. Herausgekommen ist ein ansprechend gestaltetes Leporello, das Interessierte informativ und schön bebildert auf ihrem Spaziergang von der Zähringergasse vorbei am Städtle bis zur Kirchheimer Straße begleitet. „Der Flyer ist mehr als ein touristisches Werbeinstrument, sondern eher eine für jeden verständliche wissenschaftliche Dokumentation“, erklärte Hauptamtsleiter Marcel Launer in Vertretung von Bürgermeister Johannes Züfle bei der gestrigen Einweihung.

Inspirieren ließ sich der für Konzeption und Texte verantwortlich zeichnende Historiker Dr. Rolf Götz bei dem Projekt durch die älteste Ansicht Weilheims im Kieserschen Forstlagerbuch aus dem Jahr 1683: Begrenzt wird die Stadt dort von der Oberen Mühle in Oberhofen und der Unteren Mühle in Unterhofen. An letztere erinnert heute allerdings nur noch ein Mühlstein.

Der Flyer samt Karte ruft auch Zeugnisse der Mühlentradition ins Gedächtnis, die längst in der Versenkung verschwunden sind, so beispielsweise ein abgebrochenes Aquädukt, das das Wasser des Oberen Mühlkanals zur Stibermühle leitete und das 1938 im Garten der Mühle gebaute Freibad im doppelten Wortsinn mit frischem Wasser versorgte.

Ein Foto in dem Faltblatt aus den 1950er-Jahren weckt die Erinnerung an die als „Klein-Venedig“ bezeichnete Idylle im Mittleren Mühlgässle. Damals floss der später verdolte Kanal in einer offenen Rinne direkt an den Häusern vorbei. Im Gebäude Obere Mühlstraße 18, der 1987 stillgelegten Kurrlesmühle, scheint dagegen die Zeit stehen geblieben: Fahrstuhl, Abfüllanlage und Riemen warten offenbar nur darauf, wieder angeworfen zu werden. Der Spaziergänger wird lediglich durch ein aufgefrischtes Müllerwappen über der Tür das reiche Innenleben erahnen: Auf strahlend weißem Grund symbolisieren zwei in ein Rad greifende blau-rote Löwen die für den Müller notwendigen Kräfte Wind und Wasser.

Der Mühlenweg, bei dem auf eine Beschilderung verzichtet wurde, widmet sich nicht nur den Mühlen in der Zähringerstadt. Er weist auch auf Gebäude hin, die das von der Landwirtschaft geprägte Leben früherer Zeiten ins Gedächtnis rufen wie die ehemalige Kelter, das Backhaus, das Melkerhaus und die Stallung – ein stattliches Fachwerkhaus an der Lindachstraße, in dem früher Schafe überwinterten. Stationen auf dem Weg sind zudem andere Orte von besonderer Bedeutung. Dazu gehören das Haus Obere Rainstraße 5 mit dem eingemauerten Sühnekreuz, Faber & Becker – die ers­te bedeutsame Weilheimer Fabrik – und das Haus Lindachstraße 3, in dem Philippine Bäuerle, die auch in dem derzeit aufgeführten Stück „Professor Leid und die Somnambüle“ eine Rolle spielt, angeblich zahlreiche Offenbarungen erlebte.

INFO

Der Flyer „Mühlenweg ­­– Von Oberhofen nach Unterhofen“ liegt in Hepsisau und Weilheim in den Rathäusern sowie in der Bücherei aus. Nähere Infos gibt es unter Telefon 0 70 23/106-106 sowie im Internet unter www.weilheim-teck.de