Asiatische Kirschessigfliege erstmals in der Region – Sorgen bei Weingärtnern und Obstbauern
Kleines Insekt dezimiert Obsternte

Die Chancen stehen gut für „Drosophila suzukii“, zum unbeliebtesten Insekt des Jahres gekürt zu werden. Vor einem Jahr noch völlig unbekannt in der Region um die Teck, zerstört der wenige Millimeter kleine Einwanderer aus Fernost in rasantem Tempo die Ernte so leckerer Früchte wie Kirschen, Himbeeren und Brombeeren, Pfirsiche und Zwetschgen. Betroffen sind auch die Wengerter.

Kreis Esslingen. „Die Dimensionen sind gigantisch, unvorstellbar“, findet Albrecht Schüt­zinger, Fachberater für Obst- und Gartenbau des Landkreises Esslingen, drastische Worte für den Schaden, den die Kirschessigfliege derzeit in der Region verursacht. Das aus dem asiatischen Raum stammende Insekt wurde aller Wahrscheinlichkeit nach über infiziertes Obst nach Europa eingeschleppt. „Erstmals ist die Kirschessigfliege vor vier Jahren in Südtirol aufgetaucht. Dann wurde sie in Spanien entdeckt und kam über die Rheinschiene vergangenes Jahr nach Württemberg – und ist jetzt auch bei uns angekommen“, beschreibt Albrecht Schützinger die Einwanderungsroute des ungebetenen Gastes.

Rapide schnell ging und geht die Ausbreitung. Hunderte Menschen beteiligten sich ehrenamtlich am Monitoring, um die Ankunft der Mücke mit jeweils einem schwarzen Punkt auf den beiden Flügeln feststellen zu können. „In null Komma nix ist sie plötzlich am Ende der Kirschenzeit aufgetreten und befällt seitdem in Massen bevorzugt dunkle Früchte“, so der Fachberater. Selbst in schwarzen Johannisbeeren haben sich Würmchen gefunden. „Das habe ich noch nie erlebt. Wir wurden alle überrannt vom Ausmaß, das so nicht absehbar war. Wir waren völlig unvorbereitet“, sagt Albrecht Schützinger.

Im Gegensatz zur heimischen Fruchtfliege, die sich an überreifen oder faulenden Früchten labt, ist die asiatische Kirschessigfliege in der Lage, ihre Eier in gesunde, reife Früchte zu legen. Das schafft das Weibchen mithilfe eines sägeähnlichen Eiablageapparats, das die Haut auch von Zwetschgen durchschneiden kann. „Die Anbauer haben abends ihre Himbeerschalen mit guten Früchten gefüllt und am nächsten Tag fanden sie eine Brühe vor. Es gab kein festes Fruchtfleisch mehr, die Struktur war völlig zerstört“, beschreibt der Fachberater die Folgen des Befalls. Mit dem dem Anstich wird das Obst gleich mit die Hefebakterien infiziert, sodass sofort ein Gärprozess in Gang gesetzt wird. „Wenn man durch befallene Kulturen läuft, riecht man den Essiggeruch beim Vorbeigehen – das ist brutal“, zeigt sich Albrecht Schützinger vom Ausmaß betroffen. Zudem finden sich statt nur einer Made bis zu 20 in einer Frucht.

Die ersten Herbsthimbeerstauden wurden in einem Betrieb schon runtergemulcht. „Ein massives Auftreten der Kirschessigfliege kann spezialisierte Betriebe schnell in eine Existenzgefährdung bringen. Auch für die Verbraucher ist der Verlust groß, sowohl was die Qualität betrifft, als auch die Regionalität“, verdeutlicht der Fachmann. Bei den Hausgarten-Besitzern ist das Thema mittlerweile ebenfalls angekommen, wie er dank vieler Anrufe und Mails weiß: „Das faulende Obst beschäftigt die Menschen stark.“

Für Albrecht Schützinger wird daher das zentrale Thema in den Winterversammlungen unter den Fachleuten sein, wie die Kirschessigfliege bekämpft werden kann. „Im Moment ist es ein bisschen wie der Kampf gegen die Windmühlen“, sagt Albrecht Schützinger und rät trotz allem zu Besonnenheit. Zur Zeit wird das Präparat Spintor eingesetzt, das auch im Bioanbau erlaubt ist. Der Wirkstoff des Insektizids ist Spinosad. „Dann gibt es halt noch die Fallen. Dazu füllt man mit Wasser verdünnten Mostessig samt Spülmittel in Plastikgefäße, die kleine Löcher haben, damit nur die Fruchtfliegen reinkommen“, erklärt der Fachberater.

Genau diese Flaschen und Gefäße sind auch in den Weingärten an der Limburg an den Reben angebracht. Im Moment dienen sie jedoch nur dazu, das Aufkommen der Kirschessigfliege zu beobachten. „Wir haben die Befürchtung, dass uns ein recht großer Schaden entstehen kann, hoffen aber, dass sich der Befall der Trauben durch die Bekämpfung mit Spintor im Rahmen halten wird“, sagt Weinbergbesitzer Rainer Mack. Er ist quasi der Kirschessigfliegen-Beauftragte an Limburg und Egelsberg und koordiniert die Maßnahmen gegen den Schädling. So wollten die Wengerter gestern Abend das Pflanzenschutzpräparat ausbringen, wurden aber durch den Regen gestoppt. „Wir haben die Kirschessigfliege zum ersten Mal hier, das ist Neuland für uns. Wie es weitergeht in diesem und im nächsten Jahr kann uns niemand sagen“, so Rainer Mack.

Erschwerend kommt für die Weilheimer Weingärtner hinzu, dass manche Flächen bereits unter Hagel gelitten haben. „Wegen des feuchten Wetters konnten die beschädigten Trauben nicht vertrocknen. Sie beginnen deshalb zu faulen und sind damit ein sehr guter Nährboden für die Fliegen“, erklärt Rainer Mack. Dadurch kann ein Teufelkreis in Gang kommen: Die infizierten Beeren stecken die gesunden an und die Fäulnis kann sich so recht schnell ausbreiten. „Wir werden das Lesegut sehr stark sortieren müssen, denn ist erst ein Essigstich in den Trauben – dann ist es passiert“, so Rainer Mack. 14 Tage früher als vergangenes Jahr wollen die Weilheimer Weingärtner Mitte, Ende nächster Woche mit der Ernte beginnen. Wunderschön hängen die gesunden Trauben an den Reben, weshalb die Wengerter die Hoffnung auf einen guten Jahrgang noch nicht aufgegeben haben – und laden am Sonntag, 28. September, von 12 bis gegen 22 Uhr zum Kelterhock in der Weinsteige am Fuße der Limburg ein.