Kirchheim. Die Stadt im Allgemeinen und das Schloss im Besonderen haben Eindruck hinterlassen bei Ingo Rust. Der SPD-Staatssekretär im Ministerium für Finanzen und Wirtschaft des Landes Baden-Württemberg, kam auf seiner Schlösser-Reise nach Kirchheim. Es war die dritte und letzte Station des Tages, Kloster Lorch und das Wäscherschloss waren schon abgehakt, ehe es Richtung Teckstadt und zum Mittagessen ging. Vor allem die Kasematten, einst Munitionsdepot und Vorratsraum, in dem auch die Soldaten lebten, haben es dem Politiker angetan. Sie führen den Besuchern immer noch eindrücklich den wehrhaften Ursprung des Schlosses vor Augen, denn Kirchheim war eine der sieben Landesfestungen Württembergs.
Seine Schlösser-Tour sieht Ingo Rust unter zwei Gesichtspunkten. Es soll zum einen eine Werbetour sein. „Man braucht nicht in die Ferne zu schweifen, um Besonderheiten besichtigen zu können. Ich möchte die Gelegenheit im Sommer nutzen, auf die Highlights aufmerksam zu machen, denn wir haben nicht nur die großen, bekannten Sehenswürdigkeiten wie das Heidelberger Schloss zu bieten, sondern auch tolle Kleinode im Land“, erklärte der Politiker. Wetterunabhängig würden sich die historischen Gemäuer besichtigen lassen. „Wir sind breit für alle Altersgruppen aufgestellt“, so Ingo Rust. Zum zweiten will er sich einen Überblick über die rund 8 000 Liegenschaften des Landes verschaffen. „Wir haben einen immensen Investitionsstau, der in die Milliarden geht“, ist sich der Politiker bewusst.
Mit rund 3,6 Millionen Besuchern im vergangenen Jahr ist die Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg-Anstalt (SSG) mit Abstand der größte Museumsbetreiber im Land. Dies verwundert nicht, schließlich sind die Objekte im ganzen Land verteilt. Der erste Tag seiner Tour führte Ingo Rust zum UNESCO-Weltkulturerbe Maulbronn, in den Schlossgarten Schwetzingen und zur Burgfeste Dilsberg bei Neckargemünd. Am dritten und letzten Tag widmete er sich der Römischen Badruine Hüfingen, der Festungsruine Hohentwiel und dem Neuen Schloss Tettnang.
Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker nutzte die Gelegenheit, um auf die Bedeutung des Schlosses für Kirchheim einst und heute einzugehen. „Der Hof kam hierher, um in den Wäldern rund um Kirchheim zu jagen. Als die Pest in Stuttgart wütete, wurde der Hof hierher verlegt“, so das Stadtoberhaupt. Mitten im Herzen der Teckstadt gelegen, sei das Schloss der Stolz der Bürgerschaft. „Hier ist das pädagogische Fachseminar untergebracht und es gibt ein Miteinander mit den jungen Leuten“, erinnerte Angelika Matt-Heidecker an den von der Schule entwickelten QR-Code für historische Gebäude der Stadt. „Geschichte aufrechtzuerhalten, ist eine wichtige Aufgabe“, so die Oberbürgermeisterin.
Für die Besuchsdelegation rund um Ingo Rust ist das Kirchheimer Schloss ein Kleinod, das es zu entdecken gilt. Es kann gleich mit mehreren Alleinstellungsmerkmalen punkten. Die vor rund 470 Jahren erbaute Landesfestung wurde einige Zeit später für zwei Jahrhunderte herzoglicher Witwensitz. Diese Frauen, die bekanntesten sind Franziska und Henriette, prägten die Geschichte der Stadt. „Nur hier im Kirchheimer Schloss wird die Raumsituation des 18. Jahrhunderts sichtbar. Sie wird zunehmend privat. Das ,Wohnzimmer‘ kommt auf und damit entsteht eine heimelige Wohnkultur“, erklärte Michael Hörrmann, Geschäftsführer der SSG, beim Schlossrundgang, der über die Gartenterrasse über den Dächern Kirchheims zu den Kasematten führte.
Auch heute hält wieder eine Frau im einstigen Witwensitz das Zepter in der Hand: Petra Weigand. Sie ist weitaus mehr als die Frau des Hausmeisters – sie lebt nicht nur im Schloss, sondern auch mit ihm. Ohne sie wäre der Blick in die einstigen Wohnräume der Herzoginnen nicht machbar – sie hat die Schlüsselgewalt inne. Die Kasematten sind ihr besonders ans Herz gewachsen. Sechs Mal bietet sie in den Sommermonaten einen abendlichen Laternenrundgang an, der auf großes Echo stößt. Umso mehr stört sich Petra Weigand, dass sich dort unzählige Tauben eingenistet haben. Von der tierischen Besetzerszene konnten sich die Besucher selbst überzeugen. Dunkelfarbige Netze, die außen am Mauerwerk befestigt werden, sollen das Problem lösen, denn die Mauern sind dick. Innen angebrachte Gitter nutzen nichts, die Tauben würden trotzdem in den einstigen Schießscharten und Fenstern brüten können. „Wir suchen nach einer Lösung, die den gestalterischen und denkmalpflegerischen Ansprüchen gerecht werden“, versprach Raphaela Sonnentag, Leitende Regierungsdirektorin und Amtsleiterin Vermögen und Bau Amt Ludwigsburg.
„Nichts entwickelt sich zurzeit dynamischer als der Kulturtourismus und die Tagesausflügler“, sagte Michael Hörrmann und nannte als Zahl 370 Millionen in Deutschland. „Die allermeisten davon, nämlich 66 Prozent, besuchen Schlösser, Burgen und Gärten. Von diesem Wachstumsmarkt wollen wir partizipieren“, so Michael Hörrmann. Indirekt könne Kirchheim vom Heidelberger Schloss mit seinen 1,1 Millionen Besuchern profitieren. „Dort liegen Flyer vom Schloss Kirchheim aus. Das wird den japanischen Touristen zwar wenig interessieren, aber genügend andere“, ist der SSG-Geschäftsführer überzeugt.