Kreis Esslingen. Die Vorzeichen standen schon seit Dezember nicht gut: Statt der von allen Beteiligten erwarteten Freigabe des Zusammenschlusses hatte das Bundeskartellamt in Bonn ein mehrmonatiges „vertieftes Verfahren“ angekündigt. Vorläufiges Ergebnis der Prüfung sind wettbewerbliche Bedenken. Damit droht die Klinik-Ehe zu platzen.
Die Behörde vertritt die Ansicht, dass eine Fusion zu einer marktbeherrschenden Stellung auf dem Krankenhaussektor in Esslingen und Kirchheim beziehungsweise Nürtingen führen und den Wettbewerb in der Region Esslingen erheblich behindern würde. Mit dem geplanten Verringern von Abteilungsstandorten und dem Zurückfahren des Angebotes hätten Patienten weniger Chancen, auszuweichen, erklärte der Präsident des Bundeskartellamtes, Andreas Mundt, gestern in einer Pressemitteilung. „Gerade weil der Krankenhausbereich staatlicher Regulierung unterliegt und es nur wenig Preiswettbewerb gibt, ist es wichtig, Alternativen für die Patienten und damit den Qualitätswettbewerb zwischen den Krankenhäusern zu erhalten.“ Außerdem würde bei einer Klinik-Ehe der derzeit bestehende Druck entfallen, sich an Leistungs- und Qualitätsverbesserungen des jeweils anderen Beteiligten auszurichten, so das Bundeskartellamt weiter. Insbesondere die Kreiskliniken hätten sich unter der neuen Geschäftsleitung aufgrund eines Umstrukturierungsprogramms wirtschaftlich erholt. Für die Patienten stellen weiter entfernt liegende Kliniken beispielsweise in Stuttgart nur eine sehr begrenzte Alternative dar“, erläuterte die Kartellbehörde. Bislang hätten die Beteiligten auch nicht hinreichend dargelegt, dass allein eine Fusion der Krankenhäuser eine signifikant bessere Qualität der Versorgung mit sich bringen würde.
Den engen Wettbewerb in der Krankenhauslandschaft in der Region Stuttgart lasse das Kartellamt außen vor, monieren die Geschäftsführer der Kreiskliniken Esslingen, Thomas Kräh, und des Klinikums Esslingen, Bernd Sieber, in einer von Stadt und Landkreis Esslingen gemeinsam verfassten Erklärung. Die Leiter der von Kreistag und Gemeinderat eingesetzten Projektgruppe zur Zusammenführung, Esslingens Bürgermeister Bertram Schiebel und die Dezernatsleiterin im Landratsamt Monika Dostal, bedauern, dass die Bonner Behörde „die medizinisch und wirtschaftlich sinnvolle Zusammenführung der Kliniken voraussichtlich untersagen wird“. Zunächst werde man jetzt noch einmal die Möglichkeit nutzen, um bis zum 25. April zu der vorläufigen rechtlichen Bewertung Stellung zu nehmen.
„Erstaunen und Befremden“ hat die Ankündigung des Kartellamts bei der Fraktion der Freien Wähler im Kreistag ausgelöst. „Die angestrebte Neuordnung der Kliniken liegt in besonderem Maß im Interesse der Patienten“, betonte Fraktionschef Alfred Bachofer. Angesichts der großen Zahl leistungsfähiger Kliniken in der Region beispielsweise in Stuttgart, Tübingen oder Göppingen könne von einer Marktbeherrschung nicht die Rede sein. „Wenn es uns gelingt, die Betriebsergebnisse zu stabilisieren, besteht kein Anlass zu Aktionismus, etwa zur Privatisierung oder zu Kooperationen mit anderen Trägern“, sagte Bachofer.
Die Hoffnung noch nicht ganz begraben möchte der Vorsitzende der CDU-Fraktion Martin Fritz. „Es bleibt abzuwarten, ob sich durch die Stellungnahme des Kreises noch etwas tut.“ Ziel sei, mit dem Zusammenschluss der Kliniken zu einer wirtschaftlichen Lösung zu kommen. Die Haltung des Kartellamts passe nicht zum Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Gröhe, die Zahl der Klinikbetten zu reduzieren.
Sonja Spohn, Chefin der SPD-Fraktion, hält den Mitarbeitern der Kartellbehörde eine eingeschränkte Sichtweise vor. „Sie orientieren sich nur an Formalien. Ich frage mich, wo die leben.“ Bei einem „Nein“ zu einer Fusion müsse man sehen, ob es andere Möglichkeiten einer Zusammenarbeit gebe. „Wichtig ist, die Kliniken in kommunaler Trägerschaft zu halten.“
Keine Tabus kennt in dieser Hinsicht der FDP-Fraktionsvorsitzende Ulrich Fehrlen: „Wenn es nicht gelingt, die Kreiskliniken auf ein solides Fundament zu stellen, ist eine Privatisierung die letzte Alternative.“ Zuvor müsse man gemäß dem Klinikgutachten die Abläufe optimieren.
Ein Zusammengehen der Krankenhäuser hielte die Fraktionschefin der Grünen, Marianne Erdrich-Sommer, nach wie vor für die beste Lösung, um eine gute medizinische Versorgung zu gewährleisten. Im Moment stehe sie der Bewertung des Kartellamts hilflos gegenüber. „Ich habe große Sorge, dass Bundesbehörden die kommunale Daseinsvorsorge nicht als wichtiges Gut ansehen.“
Das Kartellamt betone zu sehr die wettbewerbsrechtlichen Bedenken, meinte Peter Rauscher (Linke). Diese Haltung gefährde die kommunalen Kliniken.
Alleine stehen die Republikaner mit ihrer Haltung da: Wie ihr Chef Ulrich Deuschle verlautbaren lässt, fühle sich die Fraktion durch das Bundeskartellamt in ihrer Kritik an der Festlegung des Kreises auf die Fusion bestätigt. Sie fordert den Rücktritt des Aufsichtsrats.