Tageseltern stellen sich mit einer Ausstellung im Mehrgenerationenhaus Linde vor
„Komm, ich zeig dir, was das ist“

Rund 450 Tagesmütter und zwei Tagesväter betreuen im Landkreis Esslingen mehr als 1 500 Kinder. Bis heute informiert eine Wanderausstellung im Mehrgenerationenhaus Linde über Tageseltern. Seit September ist deren Tätigkeit und Angebot in Kirchheim deutlich attraktiver geworden.

Peter Dietrich

Kirchheim. Tageseltern sind richtige Selbstständige, wie andere Freiberufler auch. Mit dieser Aufwertung kam Anfang 2009 allerdings die volle Steuer- und Sozialversicherungspflicht. Für viele Tageseltern lohnte es sich nicht mehr. „Ein Drittel bis zur Hälfte hörte auf“, erinnert sich Antje Krause, Erste Vorsitzende des Tageselternvereins Kreis Esslingen. Er entstand im Herbst 2009 aus dem Zusammenschluss der vier Vereine in Esslingen, Nürtingen, Filderstadt und Kirchheim. Sie bilden nun vier Regionalabteilungen mit insgesamt zwölf Büros.

Die Situation der Kirchheimer Tageseltern hat sich seit 1. September erheblich verbessert. Von den 347 Plätzen für unter Dreijährige, die die Stadt Kirchheim bis 2013 schaffen muss, sollen 70 bei Tageseltern entstehen. Die Stadt gibt deshalb zwei verschiedene Zuschüsse: Zu den 3,90 Euro, die die Tageseltern pro betreutem Kind und Stunde vom Landkreis erhalten, legt Kirchheim nochmals drei Euro drauf. Außerdem zahlt die Stadt die Differenz, um die die Tageseltern teurer sind als eine Betreuung in der Kindertageseinrichtung. Tageseltern sind also nicht länger nur für Gutverdiener erschwinglich. „Eltern sollen Wahlfreiheit haben, und das kostenneutral“, sagte Gerhard Gertitschke, Leiter des Amts für Bildung, Kultur und Sport, bei der Eröffnung der Ausstellung mit dem Motto „Komm, ich zeig dir, was das ist“. Mit dieser Förderung der unter Dreijährigen, so Gertitschke, liege Kirchheim kreisweit vorne. Erst bei der Betreuung über Dreijähriger kommen auf die Eltern höhere Kos­ten zu.

Die Ausstellung zeigt, was Tageseltern alles leisten: Frühkindliche Sprachförderung und Hausaufgabenbetreuung, flexible Betreuungszeiten und gleichzeitige Betreuung von Geschwistern. Die Betreuung geschieht im Haushalt der Tagesmutter oder im Haushalt der Eltern in familiärer Atmosphäre mit höchstens fünf Kindern gleichzeitig, Kinder mit Behinderungen gehören ganz selbstverständlich dazu. Seit diesem Jahr müssen Tageseltern eine Qualifikation mit mindestens 160 Unterrichtseinheiten absolvieren. Mit ihrer Tätigkeit beginnen können sie aber bereits nach den ersten beiden der fünf Kurse.

„Wir müssen fernab jeglicher Einheitsheilslehre unterschiedliche Betreuungsformen ermöglichen und fördern“, forderte Matthias Altwasser, Leiter des Mehrgenerationenhauses. Derzeit, erläuterte Antje Krause, würden in Kirchheim und Umgebung 167 Kinder betreut. Je ein Drittel sei zwischen null und drei Jahren, zwischen drei und fünf Jahren und zwischen sechs und 14 Jahren alt. Gertitschke lobte „das äußerst flexible System, das schnell reagieren kann“. Er würde sich freuen, wenn bei den Tageseltern sogar mehr als 70 Plätze für unter Dreijährige entstehen – für 36 noch zu schaffende Plätze sind Form und Ort noch offen. Und Gertitschke weiß, dass die gesetzlich vorgeschriebene Betreuungsquote von 34 Prozent in Kirchheim nicht reichen wird. „Langfristig sind 40 Prozent nötig.“

Ginge es nach Professor August Huber, würde im Gesetz etwas ganz anderes stehen: „Kleine Kinder werden vorrangig in Tagesfamilien betreut.“ Für Huber ist die Familientagespflege „das Modell der Zukunft“. In seinem Vortrag zur Ausstellungseröffnung „Erziehung in der Partnerschaft zweier Familien“ beschrieb er das Idealbild. „Zwei Familien binden sich, es entsteht quasi eine Großfamilie. Wenn die Erwachsenen sich verstehen, können sich die Kinder darauf einlassen.“ Die Verbindung zwischen den beiden Familien brauche Zeit und Pflege. Es sei wichtig, zu wissen, was vorher und hinterher in der anderen Familie passiere. Eltern seien nicht „abgebende Eltern“, sondern Partner. „Wir schaffen neue Verwandtschaften, weil die alten nicht mehr tragen.“

In der Kindertagespflege erlebten Kinder feste Bindungen – statt im Extremfall einen Personalwechsel alle vier Stunden. Einzelkinder machten in der Pflegefamilie geschwisterähnliche Erfahrungen. Nur über solche Bindungen könne Bildung geschehen. Vor allem dürfe eines nie vergessen werden: „Ziel ist nicht das leis­tungsstarke, sondern das glückliche Kind.“

Die Ausstellung ist am heutigen Samstag, 15. Oktober, von 10 bis 14 Uhr im Mehrgenerationenhaus Linde in der Alleenstraße 90 zu sehen. Kontaktaufnahme ist möglich beim Tageselternverein Kreis Esslingen, Regionalabteilung Kirchheim, Telefon 0 70 21/97 19 45 in Kirchheim und Telefon 0 70 23/10 62 95 in Weilheim.