Fussball
Kommt der Videobeweis im Amateurfußball?

Fußball Der Weltverband Fifa plant im kommenden Jahr die Einführung des „VAR light“ bis in die untersten Klassen. Das Für und Wider spaltet auch im Bezirk Neckar/Fils Spieler, Trainer und Funktionäre. Von Klaus Schlütter

Fußball war früher ein einfaches Spiel, für alle verständlich - bis auf Abseits. Ein Tor gab es nur, wenn es vom Schiedsrichter abgesegnet wurde. Spätestens mit der Einführung des Videobeweises VAR (Video Assistant Referee) in der Bundesliga seit 2017 und den Kontrolleuren im berühmten „Kölner Keller“ hat sich das bei strittigen Situationen geändert. Bisher aber nur im Profibereich. Das soll sich bald ändern. Nach Medienberichten arbeitet der Fußball-Weltverband Fifa an einem Videobeweis­system „VAR light“, das künftig auch im Amateurfußball zum Einsatz kommen soll - bis runter in die Kreisliga.

Ziel ist es, eine abgespeckte Version der Profi-Version des Videoassistenten zu produzieren. „Damit VAR auf allen Stufen des Fußball eingesetzt werden kann“, wie die Fifa in einer Pressemitteilung dazu schrieb. Die zuständige Arbeitsgruppe habe bereits „variable Kostenfaktoren“ ermittelt und „mögliche Qualitätseinbußen für eine solche Technologie besprochen“, heißt es. Offline-Tests der Europäischen Fußball-Union UEFA, der asiatischen Konföderation AFC und des französischen Fußballverbands FFF seien vielversprechend verlaufen. Für eine halbautomatische Abseitstechnologie gibt es angeblich schon drei potenzielle Anbieter.

Bei dieser Technik geht es auch darum, Schwalbenkönige zu entlarven. Die Provokateure sind inzwischen geschickt darin, sich einzudrehen, um einen Elfmeter zu schinden. Ferner soll in diesem Zusammenhang die Torlinienfrage in den unteren Klassen gelöst werden.

Die Fifa-Arbeitsgruppe für Innovation traf sich zuletzt Ende Oktober. Die nächste Entwicklungsphase wurde wegen der Covid-19-Pandemie verschoben und beginnt laut Weltverband „möglichst bald“ noch in diesem Jahr. Die Einführung des „VAR light“ ist schon für das Jahr 2022 vorgesehen.

Was sagen Trainer, Spieler und Schiedsrichter im regionalen Fußball zum Thema „VAR light“? Sinnvoll oder nicht? Bei einer nicht repräsentativen Internet-Umfrage in Franken und Bayern sprachen sich 91,7 Prozent der Teilnehmer gegen eine Einführung aus. Davon 40 Prozent, weil sie sich nicht vorstellen können, wie die Technik funktionieren soll und wer die für viele kleine Dorfvereine kaum erschwinglichen Kosten trägt. Dabei wurde nicht mit ironischen und hämischen Kommentaren im Internet gespart. „Auf so einen Müll muss man erst mal kommen. Die sitzen alle in einer Blase da oben.“ Oder: „Das funktioniert in der Bundes­liga nicht richtig, geschweige denn bei den Amateuren.“ Oder: „Hab’ noch ein Zimmer in meinem Keller frei. Da könnte ich das übernehmen. Hauptsache, die Kohle stimmt.“ Oder: „Vielleicht finden die Erfinder dieser Schnapsidee auch einen Impfstoff gegen sich selbst.“

Nur 9,3 Prozent der User sprachen sich vorbehaltlos dafür aus, weil „viele Fehlentscheidungen wegfallen und es die Spiele deutlich fairer machen würde.“ So ist zum Beispiel Ex-Nationalspieler Sandro Wagner, der kürzlich in China seine Karriere beendet hat, überzeugt: „Die Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten.“

Gemischte Reaktionen im Bezirk

Wenns nach der Fifa geht, ja. Eines ihrer Argumente: Früher gab es beim Auto auch noch keine Einparkhilfe, heute sind wir froh drum. „Klar, der Fußball wäre fairer. Aber wer soll das bezahlen?“ fragt Hardy Wolf, Schiri-­Obmann der Gruppe Esslingen im Bezirk Neckar/Fils. „Ich glaube nicht, dass sich in absehbarer Zeit etwas ändert.“ Allerdings könnte mit dem Videobeweis die Akzeptanz für die Pfeifenmänner steigen. Die Spieler würden sich seltener auflehnen, wenn sie wüssten, dass bei den Entscheidungen technische Hilfe dahintersteht.

Benjamin Geiger, scheidender Trainer des TSV Weilheim, war früher selbst Schiedsrichter. Er sagt: „Ich bin generell ein Freund des Video­beweises im bezahlten Fußball. Er macht das Spiel ein Stück gerechter.“ Schwer vorstellbar ist für den 41-Jährigen jedoch, dass die Technologie bis in den unteren Klassen umgesetzt werden kann. Allein schon aus finanziellen Gründen. Geiger: „Ich finde, es muss in unserem Fußball nicht immer alles perfekt sein. Emotionen gehören einfach dazu.“

Vom finanziellen Aspekt abgesehen ist Stefan Haußmann, Sportlicher Leiter des TSV Jesingen, dem VAR grundsätzlich positiv gegenüber eingestellt: „Ich finde die Idee spannend und interessant. Eine tolle Sache, vorausgesetzt, die technischen und finanziellen Voraussetzungen dafür stimmen.“ Dann würde es weniger Fehlentscheidungen geben wie beispielsweise beim Bezirksligaspiel der Jesinger gegen Eislingen, als der Schiedsrichter durch eine unbeabsichtigte Ballberührung die Jesinger 1:2-Niederlage eingeleitet hatte.

Als Hilfe für den Schiedsrichter wäre der Videobeweis in den unteren Klassen „eine super Sache“, findet der Spielertrainer von Bezirksligist TV Neidlingen, Patrick Kölle. „Aber für mich persönlich ist das noch ganz weit weg“, sagt er, „bis das bei uns technisch und finanziell umgesetzt werden kann, spiele ich nicht mehr Fußball.“