Kirchheim. „Ich habe den Drang, alles zu kontrollieren“. – „Ich fühle mich isoliert, krank, abgestempelt“. – „Die ständigen Arztbesuche stinken mir“. – „Ich kann nicht gut sprechen“. – „Die Stimmen sagen: bring dich um, du bist nichts wert“. Mit jedem Satz legen die Männer und Frauen symbolisch einen Stein in ihren „Lebensrucksack“. Die Steine versinnbildlichen die Last, die ihre Krankheiten in den Leben der Schützlinge des SpDi darstellen.
Dorothee Ostertag-Sigler vom SpDi-Team erklärt, dass es das Ziel des Dienstes ist, die belasteten Frauen und Männer um einige ihrer „Steine“ zu erleichtern. Lächelnd nehmen daraufhin die Mitglieder der Kontaktgruppe wieder Steine aus dem symbolischen Rucksack und legen sie in einem Korb mit der Aufschrift „Sozialpsychiatrischer Dienst“ ab: „Ich werde akzeptiert, wie ich bin“. – „Die Menschen in der Kontaktgruppe machen mich froh“. – „Es tut mir gut, wie sich die anderen in der Gruppe um mich kümmern“. – „Die Gespräche helfen mir, mit meiner Krankheit zurechtzukommen“. – „In der Gruppe habe ich das Gefühl, dass ich als Mensch etwas wert bin“.
Nach einem gemeinsamen Essen zu den Klängen der Akustikgitarre des kurzfristig eingesprungenen David Braun von der Musikschule Hopf begann der offizielle Teil des Hoffestes zum 25-jährigen Bestehen des Sozialpsychiatrischen Dienstes Kirchheim.
Der Geschäftsführer des Kreisdiakonie-Verbandes, Eberhard Haußmann, gab einen Rückblick in eine Zeit, in der psychische Krankheit noch nicht, wie heute, verstanden und behandelt wurde. Er sprach von Unsicherheit, Leid, Angst, von Konzentrationslagern und Zwangsjacken.
Haußmann lobte, dass sich seit dem einiges geändert habe, betonte aber, man solle die Entwicklungen nach wie vor mit kritischem Auge betrachten. Außerdem kritisierte er die geänderte Finanzierung durch Land und Landkreis und gab zu bedenken, dass die Arbeit des SpDi auch Einsparungen mit sich bringe, weil er stationäre Aufenthalte verkürze oder sogar verhindere. Der Kreisdiakonie-Geschäftsführer machte sich große Sorgen um die notwendigen Geldmittel für die junge Organisation.
Michael Köber gratulierte im Namen des Landkreises zum Jubiläum und erklärte, die Hilfe müsse sich den Menschen anpassen und nicht umgekehrt: „Letztendlich geht es darum, dass Gesundung mit, ohne und trotz professioneller Hilfe möglich ist“.
Roland Böhringer grüßte im Namen der Stadt. Er sprach über den demografischen Wandel, der zukünftig mehr alte und auch mehr psychisch erkrankte Menschen erwarten lasse. „Deshalb sind Einrichtungen wie der Sozialpsychiatrische Dienst unverzichtbar“.
Dekanin Renate Kath erinnerte in ihrem Grußwort: „Es gehört zum Menschsein dazu, im Laufe des Lebens, manchmal auch längere Zeit, hilfsbedürftig zu sein und einander zu brauchen“. Sie wünschte dem SpDi weiterhin „das Herz und die Augen, auf die Menschen zu schauen und auf das, was sie benötigen“.
Ingrid Riedl, Leiterin der Diakonischen Bezirksstelle Kirchheim, beschrieb die Geschichte des 25 Jahre jungen Dienstes. In den 60er-Jahren, kümmerte sich Elisabeth Mögelin im Rahmen ihrer Tätigkeit als Bezirksfürsorgerin um psychisch erkrankte Menschen. 1973 gründete sie den „Patientenclub“, heute die Kontaktgruppe. So legte die damalige „Ein-Frau-Bezugsstelle“ den Grundstein für den heutigen Sozialpsychiatrischen Dienst.
Einzelgespräche, Hausbesuche, ambulant Betreutes Wohnen, Soziotherapie, eine Angehörigengruppe: Die Angebote des SpDi sind vielseitig. Besonders stolz ist der Dienst auf seine Kontaktgruppe und das zweimal in der Woche stattfindende „Buschcafé“. Beides soll den seelisch erkrankten Menschen die Möglichkeit geben, sich gegenseitig kennenzulernen, zu unterstützen und ihre Freizeit gemeinsam zu gestalten.
Dorothee Ostertag-Sigel, Anja Kirschner, Ursula Path und Klaus Konzelmann beraten und unterstützen die psychisch kranken Menschen auf ihrem Lebensweg. Oft ist diese Arbeit anstrengend und belastend. Die Gründe, warum sie den Job trotzdem gerne machen, sind bei jedem Ehrenamtlichen und Angestellten andere. In einem Punkt waren sich aber alle einig: „Wenn man merkt, dass man Menschen wirklich hilft, wenn man ihnen mehr Lebensqualität schenken kann, dann lohnt sich die Arbeit“.
Gerda Klaus arbeitet seit 36 Jahren ehrenamtlich beim SpDi. Ihr ist wichtig, für psychisch kranke Menschen Zeit zu haben, ihnen zuzuhören, aber vor allem: ihr Sprachrohr zu sein. Man sei zu einer großen Familie zusammengewachsen.