Nürtingen. Von Winfried Kretschmann ist bekannt, dass er an Kultur interessiert ist. Und so dürften - im Hölderlinjahr 2020 - seine Besuche in Städten, die in Hölderlins Vita eine wichtige Rolle spielen, zum Pflichtprogramm gehören. Im Februar eröffnete er in Tübingen den renovierten Hölderlinturm, im Geburtsort des Dichters, Lauffen am Neckar, besuchte er das Hölderlinhaus. Ein solches steht in Nürtingen aktuell zwar nicht für einen Besuch zur Verfügung, dafür dürfte sich die Sonderausstellung im Stadtmuseum nachgerade aufgedrängt haben.
Noch am Montag war allerdings ungewiss, ob der kürzlich verunfallte Ministerpräsident überhaupt kommen würde. Kulturamtsleiterin Susanne Ackermann begrüßte den Dialektfreund Kretschmann auf gut Schwäbisch mit „Wir freuen uns saumäßig, dass Sie kommen“. Im Folgenden legte sie Wert auf die Feststellung, dass Hölderlin in Nürtingen mitnichten nur seine Jugendjahre verbracht habe. „Er war zeitlebens Nürtinger Bürger und kehrte immer wieder hierher zurück.“ Stellwände mit kurzen Texten, Hölderlin-Zitaten und Porträts der handelnden Personen machen die persönliche Tragödie des innerlich zerrissenen Genius anschaulich und nachvollziehbar. Museumsleiterin Angela Wagner-Gnan erläuterte Kretschmann die Hintergründe, die zur nervlichen Zerrüttung des Dichters führten, aus der es letztlich keinen Ausweg mehr gab. Im Anschluss an die Führung gab Kretschmann noch einen Einblick in seine Sicht auf Hölderlin. Dessen Sprachgewalt sei nicht jedermanns Sache gewesen, meinte er. „Dem Goethe war das zu überkandidelt.“ Auch mache das in Hölderlins Dichtung zum Ausdruck kommende Pathos einen Zugang zu dessen Werk schwierig.
Susanne Ackermann stellte dem Ministerpräsidenten zu guter Letzt noch die Pläne für die ständige Hölderlinausstellung im Hölderlinhaus vor: „Wir wollen Hölderlin in Nürtingen verorten. Das ist bisher nicht passiert“, sagte sie. Die 100 Quadratmeter große Ausstellung, deren Konzeption bereits steht, soll im Jahr 2022 eröffnet werden.Volker Haussmann