Landestheater Schwaben schickt Kultkommissar Kluftinger auf die Spuren von Hercule Poirot
Landestheater Schwaben schickt Kultkommissar Kluftinger auf die Spuren von Hercule Poirot

Kirchheim. Der Andrang war groß, und das überraschte nicht. Immerhin ist Kluftinger Kult und die Gelegenheit, den vom Südkurier zum „Columbo aus dem Allgäu“ gemachten Kommissar leibhaftig auf der 


Bühne zu erleben, wollten sich viele eingefleischte Fans nicht entgehen lassen. Letztendlich blieb die überbordende Begeisterung aber aus und der Applaus pendelte sich bei einem Pegel ein, der immerhin noch als freundlich durchgehen kann.

Zu Besuch in der Teckstadt war das Ensemble des Landestheaters Schwaben und im Gepäck hatten sie mit „Rauhnacht“ Kluftingers fünften Fall, mit dem sie am 8. Oktober mit Walter Weyers Bühnenfassung in Memmingen selbstbewusst die Welturaufführung gefeiert hatten. Vielleicht lag es ja auch nur am Tauwetter, aber in Kirchheim wollte die zwischen Buchdeckeln konservierte „Rauhnacht“ nicht so recht frösteln machen und unter die Haut gehen.

Rund 360 pralle Seiten sind jede Menge Holz. Um damit auf den handfesten Brettern einer Theaterbühne bestehen zu können, muss viel über Bord geworfen werden. Was dabei übrig blieb von dem, was die Popstars der Kriminalliteratur kraftvoll zusammengezimmert hatten, war handwerklich saubere Laubsägearbeit, solide aber ohne Ecken, Kanten und vor allem auch ohne Tiefe. Die üblichen Verdächtigen versammelten sich immer wieder zu unverbindlicher Lounge-Musik im Hotelfoyer, wo die Ruhe einer eingeschneiten geschlossenen Welt keinen Raum bot für fieberhafte Ermittlungen. Die zum geruhsamen Stillstand verurteilte Suche nach dem Täter drehte sich im Hotelambiente ohne allzu große Spannung recht entspannt im Kreis.

Das auf die gut eingerichtete Bühne drängende Personal weckte natürlich sofort große Erwartungen. Alles was in der Szene einschlägiger Ermittler Rang und Namen hat, gibt sich schließlich zum fulminanten Auftakt die Ehre. Ob Sherlock ­Holmes oder Freund Watson, Zyniker Philip Marlowe oder der gewitzte Belgier Hercule Poirot, sie alle sind trotz Wetterwarnung hoch hinauf in die Allgäuer Alpen gekommen, um mit der einstigen Olympiasiegerin Julia König (Anke Fonferek) Geburtstag zu feiern und mit einem Kriminalspiel das von ihr gemanagte Hotel zu eröffnen. Ihr nicht ganz so sportlicher Ehemann Klaus Anwander (Peter Höschler) geht ihr dabei vor allem mit der rund um die Uhr stattfindenden Qualitätskontrolle der Rotweinbestände gerne zur Hand.

Bevor das zur Unterhaltung der geladenen Gäste gedachte Kriminalstück auch nur ansatzweise in Schwung kommen kann, gibt es schon eine echte Leiche und „Kottan ermittelt“. Kluftinger (André Stuchlik) ist aber nicht allein zu Haus, denn Hobby-Kriminologe Dr. Langhammer (Fridtjof Stolzenwald) verwischt verlässlich alle vorhandenen Spuren und hat auch bald mehr überführte Mörder als das demnächst offiziell wieder eröffnende Hotel Gäste.

In der eingeschneiten Einsamkeit der Berge geht es bald zu wie in den von potenziellen Mördern bewohnten Abteilen in Agatha Christies Orient-Express, denn auch der ermordete Banker Carlo Weiß ist in bester Gesellschaft all seiner Todfeinde überraschend aber keineswegs friedlich verstorben. Das Kammerspiel um die schwerfälligen Ermittlungen des vor allem an Kalorien interessierten Kommissars ziehen sich zunächst in die Länge wie seine mit spürbarem Genuss inhalierten Kässpätzle, deren Fäden genauso oft zerplatzen wie Dr. Langhammers Hoffnungen, den schweren Fall ganz leicht lösen zu können.

Trotzdem bleibt die Grundidee von Volker Klüpfel und Michael Kobr erhalten, sich erfolgreich an einer bayrischen Variation des Klassikers „Mord im Orient-Express“ zu versuchen. Statt eines toten Amerikaners im Zugabteil liegt dann der skrupellose ortsansässige Banker gemeuchelt in der Nasszelle eines eingeschneiten Hotels. Beim gesuchten Mörder wird Kluftinger nicht sofort im Kreis der Hauptverdächtigen fündig, sondern wählt den alle überraschenden „Königs“weg. Ein halb verbrannter Brief liefert auch hier entscheidende Indizien und plötzlich ist dem ermittelnden Kommissar alles klar.

Noch einmal werden alle versammelt und alle Motive offen gelegt, um den Täter zu entlarven. Mit Pistolenschüssen und Schneewalzer-Klamauk kommt es zum „Finale furioso“, das nicht im festgefahrenen Nostalgiezug, sondern im eingeschneiten Hotelambiente über die Bühne geht. Am Schluss bleibt vor schon geschlossenem Vorhang die entscheidende Frage offen, wie es denn nun weitergeht.

Eigentlich war ja alles gut, richtig und stimmig – der immer wieder gern zitierte Funke sprang aber nicht über. Vielleicht hätte Intendant Walter Weyer doch etwas mehr Dialekt und allgäuerisches Lokalkolorit dazugeben sollen. So blieb alles etwas blutleer, blass und akademisch-hochsprachlich distanziert.