Kirchheim. Russland ist zwar das größte Land der Erde, dennoch ist der jährliche Schulabschluss einheitlich geregelt, und somit nehmen die Schüler Ende Mai in feierlichem Rahmen Abschied von ihrer Schule: Die „Last Bell“ ertönt am 23. für die Grundschüler und am 25. für die Schulabgänger. Da es sich bei diesem Austausch um einen Projektaustausch handelt und beide Gruppen sich des Themas „Schule in Russland und in Deutschland“ in englischer Sprache annahmen, war die Reise so terminiert, dass die Kirchheimer Schüler dieses Ereignis miterleben konnten.
Die Schüler des Liceum 590 in Sankt Petersburg wie auch die Eltern kamen festlich gekleidet in der Aula mit allen Lehrern zusammen. Auffallend war dabei der Unterschied zwischen den topmodischen Müttern und den eher leger gekleideten Vätern. Auf der Bühne tanzten, sangen und spielten die Kinder kleine Sketche, immer wieder unterbrochen durch Ehrungen. Die Lehrer wurden mit Blumen überhäuft, und der Beifall wollte nie enden.
Das Verhältnis zwischen Lehrern und Schülern ist viel enger als in Deutschland. Die Partnerschüler telefonierten mit ihrer Lehrerin praktisch täglich, oft mehrmals. Man feiert auch die jeweiligen Geburtstage in der Klasse recht intensiv zusammen, beschenkt sich und kennt sich daher viel persönlicher als an deutschen Schulen.
Die „Last Bell“ endete damit, dass alle Schüler gemeinsam farbige Luftballons im Pausenhof starten ließen und somit die Ferien oder, bei den Älteren, das Ende der Schulzeit zelebrierten. Mit 17 geht man in den Beruf oder eben an die Uni. Vieles am russischen Schulleben war für die Kirchheimer neu, und das eine oder andere wäre sicherlich überlegenswert. Gewöhnungsbedürftig wäre es für heutige Schüler in Deutschland aber, dass zum Beispiel samstags Schule ist.
Der Reisetermin stand zwar unter dem Zeichen der „Last Bell“. Er brachte der Gruppe unter der Leitung von Wolfgang Haller aber einen weiteren großen Vorteil: Die Teilnehmer konnten die ersten Tage der Zeit der „Weißen Nächte“ in Sankt Petersburg erleben. Wegen der sehr nördlichen Lage wird es in Sankt Petersburg im Juni und Juli praktisch nicht mehr dunkel. So durften die Austauschschüler schon miterleben, wie es um elf noch taghell war und selbst nach Mitternacht immer noch ein Dämmerlicht herrschte.
Es ist schon seltsam, wenn ein Ausflug in die Stadt auf dem Programm steht, der um 24 Uhr beginnt. Das war der Fall, als es darum ging, das Spektakel der Brückenöffnungen über der Newa mitzuerleben. Natürlich am Wochenende, denn vor vier kommt man nicht ins Bett. Tausende von Menschen stehen am Straßenrand direkt bei der prächtigen Eremitage und warten geduldig, bis die hell erleuchteten Brücken sich nach 1 Uhr leeren und hochgefahren werden. Dann erscheinen plötzlich Dutzende von großen und kleinen, vollgepackten Ausflugsbooten, die sich auf dem breiten Fluss tummeln. Einige aus der Gruppe hatten das Glück, von einem dieser Boote aus einen noch besseren Blick zu haben als vom Straßenrand. Drei Stunden sind die beiden Stadtteile voneinander getrennt, und so lange ist eben Party an der Newa.
Da Petersburg ja auch noch ein Bernsteinzimmer, Schloss Peterhof und gewaltige Kathedralen (die Mädchen durften nie die Kopfbedeckung vergessen) besitzt und der Nevsky Prospekt (ein Prospekt ist nichts zu lesen, sondern eine breite Straße) einer Oxford Street auch nicht viel nachsteht, wurden die Kirchheimer Schüler von grandiosen Eindrücken wirklich überwältigt. Noch mehr überwältigt wurden sie aber von der Gastfreundschaft, die ihnen entgegengebracht wurde, und nach einer Woche fühlten sie sich wie ein Teil der Familie.
Sarah, Julia, Alex, Uli