Stuttgart. Mit rund 11 300 abgeschlossenen Verträgen sank die Zahl 2012 um 0,8 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr und das, obwohl auch 2012 fast 1 700 neue Ausbildungsplätze in den Unternehmen geschaffen wurden und 900 Ausbildungsbetriebe in der Region Stuttgart dazugekommen sind. „Am Angebot der Betriebe liegt es nicht, dass die Zahl der Ausbildungsverträge sinkt“, erklärt Andreas Richter, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart. Im Gegenteil werde es für die Unternehmen immer schwerer, freie Ausbildungsplätze zu besetzen. Auch der doppelte Abiturjahrgang habe sich nicht positiv auf die Bewerberzahlen niedergeschlagen. „Abiturienten haben einen Anteil von etwa 20 Prozent unter den Lehrlingen in IHK-Berufen und das liegt unter den Erwartungen“, bedauert Richter.
Immer mehr Absolventen von Werkrealschulen und Realschulen entschieden sich, ihre Schulausbildung fortzusetzen. Man müsse sich aber fragen, ob es für so manchen Jugendlichen wirklich das Beste ist, Abitur und Studium anzustreben. Dies entspreche zwar dem Ziel der Landesregierung, dass 50 Prozent eines Jahrgangs einen Hochschulabschluss erwerben sollten. Der Weg über eine Ausbildung im Dualen System sei aber eine gute Alternative. „Die hohe Zahl der Studienabbrecher sollte eigentlich Indiz dafür sein, dass ein Teil der Jugendlichen sich besser für eine Lehre entschieden hätte, mit der man ja auch die Fachhochschulreife erwerben und später studieren kann“, so Richter. Umso mehr sei es wichtig, Jugendliche bei der Berufs- und Studienwahl zu unterstützen und insbesondere an Gymnasien mehr Informationen als bisher über die Chancen des Dualen Systems zu vermitteln.
Aus Sicht der IHK sollten alle allgemeinbildenden Schulen und auch die neue Gemeinschaftsschule Berufs- und Studienwahl unterstützen. „Wir halten es für einen Fehler, wenn Abitur und Studium als der allein selig machende Karriereweg vermittelt würden“, erklärt Richter. Zugleich setze die Wirtschaft darauf, dass die Einführung der Gemeinschaftsschule nicht zu Lasten anderer Schularten geht. Vor allem müssten die Berufsschulen mit Lehrkräften so ausgestattet werden, dass der chronische Unterrichtsausfall gestoppt wird. Der Ausbau der Ganztagesangebote, insbesondere an Haupt- und Werkrealschulen sowie an berufsvorbereitenden Vollzeitschulen, müsse aus pädagogischen Gründen und vor dem Hintergrund der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie weiter ausgebaut werden.
Die IHK Region Stuttgart unterstützt mit Initiativen und Projekten die Unternehmen dabei, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen, etwa durch die Ausbildungsbotschafter, die als Azubis in Schulen für ihre Ausbildungsberufe werben, oder die Bildungspartnerschaften – Kooperationen von allgemeinbildenden Schulen und Unternehmen vor Ort – von denen es allein in der Region Stuttgart schon mehr als 750 gibt. Die meisten IHKs sind zurzeit dabei, Angebote für Studienabbrecher zu entwickeln, die diesen den Start in den Beruf mit einer entsprechenden fachlichen Qualifikation ermöglichen. Auch beim Übergang im Anschluss an die Hauptschule und die Werkrealschule habe sich gezeigt, dass sich zum Beispiel bei Schülern der einjährigen Vollzeitschule die Chancen auf einen Ausbildungsplatz erhöhen, wenn Jugendliche im Rahmen dieser Schulzeit ein Betriebspraktikum absolvieren. Hier setze auch die seit vielen Jahren von der IHK entwickelte Einstiegsqualifizierung (EQ) an. Dabei absolvieren Jugendliche in sechs bis zwölf Monaten Module eines Ausbildungsberufs. Diese Zeit kann auf die Ausbildungszeit angerechnet werden und wird von der IHK zertifiziert. Weit über 60 Prozent der Jugendlichen in einer Einstiegsqualifizierung erhalten im Anschluss einen regulären Ausbildungsplatz. In der Region Stuttgart werden aktuell von den Betrieben 650 EQ-Plätze zur Verfügung gestellt, von denen bisher schon 300 besetzt wurden. pm