Kirchheim. Auch bei dieser Weltmeisterschaft gehört es für viele Fußballfans zum Turnier-Erlebnis dazu, die Begegnungen ihrer Favoriten im Kreis von Freunden, Bekannten und anderen Fußballbegeisterten in einer Gaststätte oder auf einem Platz mit einer Leinwand zu verfolgen. Der Grund liegt auf der Hand: Die gefühlte Spannung, Freude und Trauer, die der Zuschauer in einer Gruppe faszinierter Betrachter erlebt, ist ungleich größer als alleine vor dem heimischen Fernsehgerät.
Nicht nur die Fans, auch die Wirte wissen das Public Viewing zu schätzen. Sofern das Wetter mitspielt, versprechen ihnen die Übertragungen eine deutliche Umsatzsteigerung.„Wir freuen uns natürlich darüber, das Deutschland weiter im Turnier bleibt“, sagt der Kirchheimer Bären-Wirt Michael Holz, der bei dieser WM vor allem die Spiele der Nationalmannschaft überträgt.
Dennoch zieht er vorerst eine verhaltene Bilanz. „Es herrscht bisher noch nicht dasselbe Maß an Begeisterung, wie es bei den anderen Turnieren der Fall gewesen ist“, stellt er fest. Seine Einschätzung: „Früher war bedeutend mehr Euphorie.“ Das sei aber auch der Tatsache geschuldet, dass manche Spiele – so wie am Montag das Spiel der deutschen Mannschaft gegen Algerien – erst relativ spät angepfiffen werden und unter der Woche stattfinden. „Das sind keine optimalen Voraussetzungen für Schüler und Berufstätige, die sich das Spiel nicht alleine zuhause anschauen wollen.“
Ein ähnliches Bild zeichnet auch Daniel Rau, Inhaber des Alten Wachthauses in Kirchheim. „Beim Spiel gegen Algerien war weniger los als bei anderen Deutschlandspielen, aber das lag neben dem Zeitpunkt bestimmt auch am Wetter“, vermutet er. Für das Viertelfinalspiel der Nationalmannschaft am Freitag gegen Frankreich ist er zuversichtlich: „Die Partie liegt wesentlich günstiger, ich denke, da wird es in den Gaststätten wieder voll sein.“
Von Haus aus haben dieser Tage auch die Ordnungshüter ein Auge auf die Fußballfestivitäten. „Bisher hat es sich tatsächlich im Rahmen gehalten“, beurteilt Thomas Pitzinger, Leiter des Kirchheimer Polizeireviers, den bisherigen Verlauf der WM. Zwar gebe es durch die Ausweitung der Bewirtungszeit durchaus Beschwerden wegen des Lärms, der durch die späten Übertragungen durch feiernde Fußballfans vor den Gaststätten und in der Innenstadt verursacht wird. „Wir mussten bisher aber nur in ganz wenigen Fällen einschreiten,“ so Pitzinger.
Dass sich die Euphorie nicht nach jedem Spiel übermäßig niederschlägt, sei aber auch spürbar abhängig von der jeweiligen Leistung der Nationalmannschaft. „Nach dem Spiel Deutschland-Algerien waren zwar wieder viele Menschen auf dem Alleenring unterwegs, verglichen mit früheren Siegen war es aber verhältnismäßig ruhig.“
Auch wenn die Fußballbegeisterung sich bisher noch nicht ganz auf demselben Niveau früherer Turniere zu bewegen scheint, lassen sich die Auswirkungen der Weltmeisterschaft dennoch messen. „Ich kann natürlich keine konkreten Zahlen nennen“, sagt etwa Andreas Lutz, Geschäftsführer des Media Markts im Kirchheimer Nanz-Center. Grundsätzlich lasse sich aber feststellen, dass sich Fußballereignisse wie Welt- oder Europameisterschaften positiv auf den Verkauf von Fernsehgeräten auswirken. „Viele Fans, die keine Lust auf Public Viewing haben, möchten die Partien auch auf dem heimischen Fernseher großflächig erleben.“ Auch in Kirchheim ging im Vorfeld der WM der eine oder andere Flachbildfernseher zusätzlich über den Ladentisch.
Vor allem das Geschäft mit den Fanartikeln brummt. „Der große Renner ist erwartungsgemäß das aktuelle Heimtrikot der Nationalmannschaft“, sagt Philip Renken von Intersport Räpple in Kirchheim. Der Hersteller habe bereits Lieferschwierigkeiten – wie bei so ziemlich jedem größeren Turnier. „Der erste Umsatzschub macht sich bei uns meist kurz vor Weihnachten bemerkbar, wenn das Trikot-Design vorgestellt wird – der zweite folgt dann wenige Wochen vor Turnierbeginn.“ Das Geschäft komme erst dann ins Stocken, wenn die deutsche Mannschaft aus dem Turnier ausscheide, so Renken.
Auch die Fußballer des VfL Kirchheim freuen sich zu WM-Zeiten über regen Zulauf. „Wir haben in den vergangenen Wochen immer wieder Anfragen bekommen“, sagt Christopher Andrä, Jugendleiter der VfL-Fußballabteilung. „Bei der WM in Südafrika 2010 war es so, dass sich manche unserer Jahrgänge regelrecht verdoppelt hatten“, erinnert er sich. Einen ähnlichen Ansturm wie damals erwartet er in diesem Jahr allerdings nicht. Es hänge einerseits viel davon ab, wie die deutsche Mannschaft abschneidet. „Andererseits ist es für Kinder und Jugendliche durch die späten Spiele schwieriger als früher, an der WM teilzuhaben.“