Beim Lesetag in Dettingen freuen sich 140 Schüler über schöne Geschichten
Lesen und lesen lassen

Dettingen. „Unser Buch heute heißt ,Die Sockensuchmaschine‘. Das ist ein ganz schön langes Wort, oder?“, fragt Eva-Marie Dölfel in die Runde. 20 gespannte Kinderaugen sind


auf sie gerichtet. „Aber so eine Sockensuchmaschine kann auch ganz schön praktisch sein“, sagt sie. Kollektives Grübeln. „Ja klar, wenn man seine Socken verloren hat!“, tönen schließlich verständnisvolle Kinderstimmen durch den Raum.

Es ist Lesetag in Dettingen. Über die gesamte Ortschaft verteilt sind Stationen aufgebaut, an denen Erst- und Zweitklässlern vorgelesen wird – auch im Forum Altern. Dort sind heute junge Schüler der Dettinger Schlössleschule zu Gast. In kleinen Gruppen wimmeln sie und die Schüler der Verbundschule durch den Ort – auf dem Weg zu einer schönen Geschichte. Die Geschichten, die ihnen vorgelesen werden, sind in zwei Teile geteilt. Bei ihrer ersten Station an diesem Morgen erfahren sie die eine Hälfte, für die zweite empfängt sie jemand anders.

Nun herrscht Stille im Raum. „Es ist Montagmorgen“, fängt Eva-Marie Dölfel an zu lesen, „im Kinderzimmer ist es ruhig. Jonas und Max schlafen noch. Aber Jonas liegt nicht in seinem Bett. Er hat sich gestern Abend neben seinem Bett eine Schlafhöhle gebaut.“ Die Kinder, die im Raum sitzen, schlafen ganz und gar nicht mehr. Gespannt hören sie zu, manche starren konzentriert in den Raum, manche spielen an ihren Klamotten, andere rutschen aufgeregt auf ihrem Stuhl hin und her. Zwischendurch erschallt helles Gelächter.

Schon zum siebten Mal findet in Dettingen der gemeinsame Lesetag der Schlössle- und Verbundschule statt. Inspiration und Anlass zu der Veranstaltung ist der bundesweite Vorlesetag, an dem einmal im Jahr im November etwa 80 000 Menschen im ganzen Land Bücher zücken, um Kindern daraus etwas vorzulesen. Entstanden ist die Aktion vor zehn Jahren, mit dem Ziel, ein öffentlichkeitswirksames Zeichen für die Bedeutung des Vorlesens zu setzen, Begeisterung für Bücher zu entwickeln und Kinder mit der Sprache in Kontakt zu bringen.

Das findet auch Dettingens Bürgermeister Rainer Haußmann bedeutend. Er hat heute, wie jedes Jahr zu diesem Ereignis, die Theorie in die Praxis umgewandelt und selbst ins Kinderbuchregal gegriffen. „Es ist wichtig, vorzulesen“, sagt er. Das passiere in vielen Familien leider immer weniger, weil die Zeit dafür nicht gefunden werde. „Dabei sind Lesen und Sprachverständnis elementar, um sich richtig ausdrücken zu können. Sprache ist Kommunikation“, fügt er hinzu. Nebenbei würden die Kinder, besonders die der Verbundschule, die aus dem ganzen Landkreis kommen, auch noch Dettingen kennenlernen, und außerdem sei es eine schöne Abwechslung für alle Beteiligten. Neben dem Rathaus und dem Forum Altern gibt es auch in den drei Schulen und in verschiedenen Geschäften und Einrichtungen in Dettingen Vorlesestationen.

Karin Schmid, Konrektorin der Schlössle-Schule, sagt, dass es für die Schulen von besonderer Bedeutung sei, dass das Lesen bei den Schülern einen höheren Stellenwert gewinne. Das werde dadurch unterstützt, dass man dem Vorlesen einen ganz besonderen Tag im Jahr einräume. Die Kinder können sich jetzt schon auf das nächste Mal freuen.

Am Ende der halben Stunde stellt Eva-Marie Dölfel den Kindern Fragen zum Buch: Wo war Jonas noch mal, als er heute morgen aufgewacht ist? „In der Schlafhöhle!“ – Richtig. Allmählich ist es Zeit zum Aufbruch. Die Kinder kramen langsam ihre Sachen zusammen, ziehen ihre Jacken an und gehen, immer noch ein bisschen von der Geschichte gefangen, wieder nach draußen, wo gerade etwa 140 Schulkinder in kleinen Grüppchen durch den Ort wuseln – auf der Suche nach dem Ende ihrer Geschichte.