Wolfgang Kiesel übergibt seine IHK-Präsidentschaft an Heinrich Baumann
Liebe auf den zweiten Blick

Nach zwölf Jahren an der Spitze der Bezirkskammer der IHK hat Wolfgang Kiesel am Mittwochabend sein Amt an Heinrich Baumann übergeben.

Esslingen. Wer mit Nachnamen Kiesel heißt und auch noch in der Baubranche tätig ist, muss sich um Wortspielereien nicht erst lange bemühen. Als „Rolling Stone“ ist Wolfgang Kiesel einst von Günter Baumann betitelt worden. Der war Kiesels Vorgänger im Amt des Präsidenten der IHK-Bezirkskammer Esslingen und danach bis 2009 Präsident der IHK Region Stuttgart. Heute ist Baumann Ehrenpräsident der regionalen Industrie- und Handelskammer und Kiesel hat ebenfalls eine Ehrenpräsidentschaft inne – die der Kammer Esslingen-Nürtingen. Nach zwölf Jahren an der Spitze der Bezirkskammer hat Wolfgang Kiesel am Mittwochabend sein Amt an Heinrich Baumann übergeben, den Sohn von Günter Baumann.

„Wolfgang Kiesel war immer etwas kammerkritisch eingestellt. Die IHK und er – das war keine Liebe auf den ersten Blick“, machte Günter Baumann während seiner Laudatio im voll besetzten Saal des Esslinger IHK-Hauses die seinerzeitige Gemütslage Kiesels deutlich. Man habe diesen kritischen Geist dazu überreden müssen, das Präsidentenamt anzunehmen, dies gelang schließlich unter tatkräftiger Mithilfe von Oberbürgermeister Jürgen Zieger. Herausgekommen ist dabei laut Baumann ein Glücksfall. Wolfgang Kiesel habe zunehmend Gefallen an seiner Aufgabe gefunden, sei kein Schönwetterpräsident, sondern ein Querdenker und immer authentisch gewesen. Unter ihm, auch durch die „harmonische Zusammenführung“ der vormals unabhängigen Kammern Esslingen und Nürtingen zur IHK Esslingen-Nürtingen, habe die Bezirkskammer insgesamt an Einfluss gewonnen.

Dass Wolfgang Kiesel anfangs „Bammel“ vor großen öffentlichen Auftritten wie etwa dem IHK-Neujahrsempfang hatte, wie er in seiner Rede selbst einräumte, haben Außenstehende nicht mitbekommen. Eher schon, dass er sich vor seiner Präsidentschaft ziemlich heftig über die Sitzordnung bei früheren IHK-Neujahrsempfängen in der alten Esslinger Stadthalle aufgeregt hat, weil den Promis stets ein ganz besonderer Tisch an vorderster Stelle vorbehalten war. Die Fusion der Kammern Esslingen und Nürtingen zu einem gemeinsamen Konstrukt gehört für Kiesel zu den Höhepunkten seiner Amtszeit. Der Impuls sei von Nürtingen ausgegangen, und was zunächst unvorstellbar erschien, habe zu einem guten Ende gefunden. „Ich bin stolz darauf, dass wir heute nur noch eine Kammer haben“, so Ehrenpräsident Wolfgang Kiesel.

Heinrich Baumann, der neue Präsident der IHK Esslingen-Nürtingen und geschäftsführende Gesellschafter des Esslinger Automobilzulieferers Eberspächer, versprach den Vertretern aus Wirtschaft und Politik einen offenen Dialog. „Meist fehlt es an Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft. Deshalb müssen wir mehr miteinander sprechen, und das mit Respekt“, betonte Baumann. Gleichwohl ließ er keinen Zweifel daran, dass er als Unternehmer und Präsident Vorschläge für Veränderungen einbringen wird – ohne besserwisserisch zu sein und nur die Wirtschaft allein im Blick zu haben.

„Warum tut sich ein Unternehmer so etwas an?“, fragte Georg Fichtner, der neue Präsident der IHK Region Stuttgart, mit Blick auf die Präsidentschaft Wolfgang Kiesels. Dessen Amt ist rein ehrenamtlich und bedingt natürlich, sich zu aktuellen Entwicklungen auch kritisch zu äußern. Dies tat in diesem Fall Fichtner, der sich eingedenk immer neuer Ankündigen von Steuererhöhungen durch die grün-rote Landesregierung bei gleichzeitig sprudelnden Einnahmen besorgt zeigte. Die Haushaltskonsolidierung werde vernachlässigt, Subventionen würden nicht abgebaut. Beim Thema Bildung brach Fichtner eine Lanze für die duale Ausbildung und warnte angesichts der zunehmenden Zahl von Ganztagsschulen davor, Wahlmöglichkeiten auch mit Blick auf das duale Berufsausbildungssystem zu verbauen.