Über eine Webcam kann man die Vögel im Kirchturm der Sankt Georgskirche beobachten
Live bei der Familie Turmfalk

Dettingen war in den vergangenen Wochen wieder im Turmfalken-Fieber: Über eine Webcam, die in einem Nistkasten im Turm der Sankt Georgskirche angebracht worden war, konnten Dettingens Bürger und alle anderen Interessierten die Turmfalken-Familie zu jeder Zeit beobachten.

Seit den 80er-Jahren bietet der Kirchturm der Sankt Georgskirche alljährlich Turmfalken einen Unterschlupf für die Brutzeit.Foto
Seit den 80er-Jahren bietet der Kirchturm der Sankt Georgskirche alljährlich Turmfalken einen Unterschlupf für die Brutzeit.Fotos: Jean-Luc Jacques/pr
Dettingen. In den vergangenen Wochen hat Heinz Schöttner vom Dettinger Naturschutzbund (NABU) mehrmals täglich im Internet nachgeschaut, was im Nistkasten im Turm der evangelischen Sankt Ge­orgskirche vor sich geht. Und er war ganz sicher nicht der Einzige – schließlich hat man nicht alle Tage die Möglichkeit, das Leben eines Turmfalkenpaars und seiner Kleinen so hautnah miterleben zu können.

Anfang Mai bezog das diesjährige Dettinger Turmfalkenpaar sein vorübergehendes „Zuhause“ direkt über der Kirchturmuhr auf der Ostseite des Gotteshauses. Lange dauerte es, bis die Küken schlüpfen wollten: Das nasskalte Frühlingswetter sorgte dafür, dass die Kleinen außergewöhnlich spät – nämlich erst Anfang Juni – das Licht der Welt erblickten.

Doch auch als die vier „Kinder“ geschlüpft waren, meinte es das Wetter nicht gut mit der

Turmfalken - Kirche
Turmfalken - Kirche
Familie. „Das Weibchen musste die Kleinen warm
 halten“, erzählt Heinz Schöttner. Das Männchen sei nur gelegentlich vorbeigekommen, um Futter mitzubringen: Kleinvögel, Maulwurfsgrillen, Eidechsen und Feldmäuse.

Heinz Schöttner hatte die große Sorge, dass es die Mutter nicht schaffen würde, ihre vier Kinder großzuziehen. Und leider hatte er zum Teil recht: Das kleinste Turmfalkenkind lag eines Abends tot in einer Ecke des Nistkastens. Doch schon am nächsten Morgen war das tote Tier nicht mehr da, erzählt Schöttner: Es wurde an die übrigen drei Kinder verfüttert. „Das klingt wohl grausam und kannibalisch, aber in diesem Moment war es ein Stück wertvolle Nahrung für die Geschwister.“ Glücklicherweise erging es den anderen drei Küken besser: Sie überlebten das nasskalte Frühjahr, gediehen prächtig und übten fleißig das Gehen und Fliegen.

Turmfalken - Kirche
Turmfalken - Kirche
Schon seit den 80er-Jahren bietet der Kirchturm alljährlich Turmfalken einen Unterschlupf für die Brutzeit. „Früher, als die Besiedlung durch Menschen noch gering war, brüteten sie in hohen Bäumen in alten Nestern von Krähen und anderen größeren Vögeln“, weiß Heinz Schöttner. „An Felswänden haben sie auch immer gerne einen kleinen Vorsprung genutzt.“ Als dann höhere Häuser und vor allem Türme gebaut wurden, war dies eine willkommene Gelegenheit für die Tiere, umzuziehen. So hat sich der Name „Turmfalke“ gebildet, ergänzt der Experte.

Seit den 80ern werde der Turmfalkenkasten im Dettinger Kirchturm jedes Jahr von den Tieren angenommen. Im Winter 2010/11 entschloss sich Heinz Schöttner zum Bau eines neuen Kastens. Denn der bisherige war morsch geworden, außerdem sollte sich die Holzkiste für den Einbau einer Kamera eignen. „Webcams kamen immer mehr in Mode“, erklärt das NABU-Mitglied, das mit seiner Idee alle Beteiligten begeistern konnte. Doch wie soll das Ganze technisch funktionieren? Und wer trägt die Kosten? Diese Fragen trieben den Naturschützer zunächst um – die Lösungen waren schnell gefunden: Marin Braun, Simon Wolf, Moritz Dilger und Robin Nägele von der evangelischen Kirchengemeinde kümmerten sich um die Technik und verlegten Kabel, und zwecks Finanzierung startete Heinz Schöttner einen Spendenaufruf innerhalb des Dettinger NABU-Ortsverbands. „Es wurde genauso viel gespendet wie wir später ausgeben mussten“, freut sich Heinz Schöttner noch heute über die Spenden in Höhe von insgesamt 1 200 Euro.

Froh ist er auch darüber, dass die Turmfalken den neuen Kasten in 35 Metern Höhe sofort und problemlos annahmen. So konnte die Webcam im Frühjahr 2012 installiert und das Leben

Turmfalken - Kirche
Turmfalken - Kirche
der Turmfalkenfamilie genauestens beobachtet werden. Das zweite Jahr in Folge erlebten die Dettinger und weitere Naturliebhaber die Eiablage, das Brüten, das Schlüpfen der Küken, das Füttern der Kleinen und vieles mehr.

Heinz Schöttner kann nicht genau sagen, ob es sich heuer um dasselbe Turmfalkenpaar wie im vergangenen Jahr handelte. „Wir beringen die Tiere nicht“, erklärt er. Allerdings vermutet der Dettinger, dass das Männchen ein anderes war. „Denn es zeigte ein ganz anderes Verhalten und war nur selten da. Im vergangenen Jahr hatten sie und er sich beim Brüten abgewechselt“, erzählt er.

Für den Tierliebhaber ist es schlichtweg „ein Erfolgserlebnis“, wenn die Jungen auf der Welt sind. „Man freut sich einfach“, schwärmt er. Und es ergeht nicht nur ihm so: Zahlreiche Menschen aus Dettingen und darüber hinaus senden dem NABU Fotos zu, die sie am heimischen PC von der Familie Turmfalk aufgenommen haben. „Viele fiebern am PC mit. Von manchen hörte ich, dass sie den Laptop neben Kaffee und Brötchen auf dem Frühstückstisch stehen hatten und gespannt zusahen.“

Beobachten kann man die Geschehnisse im Turmfalkenkasten im Frühjahr und -sommer auf www.evkidettingen-teck.de unter Aktuelles im Internet. Hier werden Bilder der Turmfalken gezeigt, die alle 30 Sekunden aktualisiert werden. Darüber hinaus gibt es im Buchcafé von Stefan Fink im Alten Gemeindehaus eine Live-Übertragung der Turmfalkenfamilie mit sehr guter Bildqualität.

Auch dort kommt die Webcam-Aktion überaus gut an: „Das Angebot wird angenommen – vor allem von Kindern mit ihren Eltern oder Großeltern“, erzählt Stefan Fink. „Es ist auf jeden Fall eine Bereicherung.“

Das älteste Kind der Familie Turmfalk hat den Nistkasten übrigens Anfang Juli verlassen. Seine beiden Geschwister „fliegen immer wieder raus und sind dann eine Weile in den Lüften unterwegs, um dann wieder zurückzukehren“, erzählt Schöttner. Doch auch sie können jeden Tag endgültig ausfliegen . . .

 

Der NABU Dettingen ruft zu einem Fotowettbewerb auf: Alle Interessierten können Bilder der Familie Turmfalk, die sie am PC aufgenommen haben, per E-Mail an nabu.dettingen.teck@t-online.de senden. Es winken kleine Preise wie ein Bestimmungsbuch oder eine Vogelstimmen-CD. Einsendeschluss ist der 31. Oktober. Jeder Teilnehmer kann bis zu drei Fotos einsenden.