Kirchheim. Kämpferisch gab sich gestern der DGB-Ortsvorsitzende Wolfgang Scholz, der den 1. Mai als internationalen Feiertag bezeichnete, der aber immer noch ein „Kampftag der Gewerkschaften und der Arbeiterbewegung“ sei. So hätten beispielsweise Arbeitnehmer, Betriebsräte und Gewerkschaften wesentlich dazu beigetragen, dass Deutschland die Talsohle der Krise durchschritten hat und sich wieder auf dem Wachstumspfad befindet. Gedankt habe dies den Arbeitnehmern allerdings niemand: „Jetzt geht man wieder über zum neoliberalen business as usual – bis zur nächsten Krise.“ Derzeit nehme die Arbeitslosigkeit zwar ab, was natürlich grundsätzlich zu begrüßen sei. „Aber prekäre Beschäftigung und Leiharbeit nehmen zu, und dagegen müssen wir uns wehren“, stellte Wolfgang Scholz fest. Verantwortlich für die Ausbreitung der Niedriglöhne machte er die Arbeitgeber und die Politik der Bundesregierung.
Zu zwei anderen aktuellen Themen bezog Wolfgang Scholz ebenfalls Position: Der DGB-Ortsverband unterstütze die Proteste gegen Stuttgart 21, obwohl das Thema die Gesellschaft in Befürworter und Gegner gespalten habe. Auch in den Gewerkschaften gebe es Anhänger beider Seiten. „Aber als Dachverband der Gewerkschaften“, so lautete das Fazit des Kirchheimer Funktionärs, „muss sich der DGB zu zentralen gesellschaftspolitischen Fragen eindeutig positionieren – insbesondere, wenn es um Steuergelder in Milliardenhöhe geht und bei Sozialleistungen der Rotstift regiert.“ – Ebenfalls klar und deutlich äußerte sich Wolfgang Scholz zu den Vorgängen in Heilbronn: Rechtes Gedankengut richte sich nicht nur gegen Migranten und Minderheiten, sondern sei ein Angriff „auf die Demokratie und das Zusammenleben aller“.
Der Hauptredner in Kirchheim, Werner Sauerborn, Verdi-Gewerkschaftssekretär im Ruhestand, verlangte von der Politik zunächst „konkrete Schritte für den Ausstieg aus der Atomenergie“. Andererseits sei die Gewerkschaft aber solidarisch mit den Kollegen, die in der Atomenergie beschäftigt sind. Deshalb forderte Werner Sauerborn „langfristig orientierte Umschulungsangebote und Qualifikationsschutz“ für die Kollegen: „Der Ausstieg aus der Atomenergie muss sozialverträglich organisiert werden.“ Das sei auch eine zentrale Forderung an die neue Landesregierung.
Auch die Bewältigung der Krise sei sozialverträglich und solidarisch erfolgt, nach einem „alten gewerkschaftlichen Rezept: Arbeitszeitverkürzung gegen Massenarbeitslosigkeit“. So zumindest bewertete Werner Sauerborn die Kurzarbeitsregelungen und den „massenhaften Abbau der Zeitkonten“. Deshalb bleibe die Forderung nach Arbeitszeitverkürzungen ein langfristiges Ziel der Gewerkschafter. Das gelte auch für die Lebensarbeitszeit, weswegen Werner Sauerborn auch die Rente mit 67 als „nicht zu verantworten“ bezeichnete.
Zugleich warnte der Hauptredner vor Niedrigstlöhnen: „Wer den möglichen Zuzug von Krankenschwestern, Bauarbeitern, Lehrern oder Ingenieuren nutzt, um hier die Lohnstandards zu drücken, der bereitet der Ausländerfeindlichkeit und dem Rechtsextremismus den Boden.“
Auch Hasan Savas vom „Türkischen Volkshaus“ sieht an dieser Stelle große Probleme: „Der einzige Aufschwung, den wir zu spüren bekommen, spielt sich in der Leiharbeit, in der Beschäftigung im Niedriglohnsektor und bei den geringfügigen Arbeitsverhältnissen ab. Deutschland ist jetzt eine Minijobber-Republik.“ Hasan Savas rief zur Solidarität auf: „Nur wenn wir gemeinsam gegen den Sozialabbau, gegen Kriege und Umweltzerstörungen vorgehen, werden wir unsere Ziele erreichen. Deshalb dürfen wir nicht zulassen, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion gegeneinander ausgespielt werden.“ Und dann zeigte sich auch Hasan Savas kämpferisch: „Ob jung oder alt, Mann oder Frau, ob mit oder ohne Migrationshintergrund – lassen Sie uns gemeinsam für eine bessere Welt kämpfen.“