Basketball

Die Knights schmieden einen Plan B

Basketball Eine Rückkehr von Headcoach Mauricio Parra wird immer unwahrscheinlicher. Das Verhältnis zwischen Team und Trainer scheint zerrüttet. Von Bernd Köble

Daumen hoch: Kevin Wohlrath (links) und Till Pape nach dem Sieg gegen Rostock.Foto: Tanja Spindler
Daumen hoch: Kevin Wohlrath (links) und Till Pape nach dem Sieg gegen Rostock.Foto: Tanja Spindler

So unglaublich es klingen mag: Mit freundlicher Unterstützung der Konkurrenz und einem Heimsieg gegen das Tabellenschlusslicht aus Quakenbrück könnten Kirchheims Zweitliga-Basketballer am Sonntagabend auf einem Play-off-Platz stehen. Zur Erinnerung: Vor etwas mehr als sieben Wochen waren die Knights nach der sechsten Niederlage im siebten Saisonspiel Tabellenletzter. Das knapp verlorene Spiel gegen den Favoriten aus Chemnitz machte dennoch Mut. Es war der Beginn einer Phase, in der sich vieles zum Besseren wendete, mit zwei überzeugenden Siegen gegen Karlsruhe und in Heidelberg. Doch dann kam Hagen. Die 70:103-Niederlage beim damaligen Tabellenschlusslicht glich einer Bankrotterklärung.

Was danach geschah, will niemand offiziell bestätigen, doch die Gerüchte verdichten sich. Ein Großteil der Mannschaft habe vor dem Heimspiel am 7. Dezember gegen Ehingen dem Trainer das Vertrauen entzogen, so heißt es. Der Vorwurf: mangelnder Respekt im Umgang miteinander. Dass das Abschlusstraining am Freitag bereits ohne Headcoach Mauricio Parra stattfand, ist Fakt. Der Trainer hatte sich am selben Tag krankgemeldet und ist es bis heute. Ebenso wahr ist, dass die Mannschaft unter den Interimstrainern Brian Wenzel und Christoph Schmidt danach drei Siege in Serie holte und dabei wie verwandelt auftrat. Auch wenn ein Großteil dieses Erfolgs noch immer Parras Handschrift tragen dürfte, eine Spielfreude wie beim Gala-Auftritt unter der Woche in Tübingen oder beim jüngsten Sieg am vergangenen Samstag gegen Rostock hatte man lange nicht mehr gesehen. Den demonstrativ zur Schau getragenen neuen Geist in der Mannschaft konnte jeder, der wollte, als klare Botschaft verstehen.

Das Offensichtliche zu erklären und dabei größeren Flurschaden zu vermeiden, ist seitdem ein Spagat, an dem sich die Vereinsführung übt. „Wir erfinden das Rad nicht neu. Wir überzeugen die Spieler, das zu tun, was sie können“, sagt Knights-Geschäftsführer Christoph Schmidt, der seit zehn Tagen unfreiwillig als Co-Trainer fungiert. Dass sich die Stimmung im Team gewandelt hat, will auch er nicht bestreiten: „Alle haben wieder Bock, Spiele zu gewinnen“, sagt Schmidt. Das Dementi schickt er allerdings schriftlich hinterher: „Wir möchten klarstellen, dass sich die Mannschaft zu keinem Zeitpunkt geschlossen gegen den Trainer ausgesprochen hat.“ Alles Weitere wolle man öffentlich nicht kommentieren.

Auch nicht die Nachricht, dass die Knights bereits auf der Suche nach Ersatz sind - über die laufende Saison hinaus. „Wir drücken Mauro die Daumen, dass er schnell wieder gesund wird“, sagt Schmidt. „Wie lange das dauert, können wir nicht einschätzen, deshalb müssen unsere Planungen auch in eine andere Richtung gehen.“

Notlösung funktioniert

Das Team selbst hat dafür gesorgt, dass die Trainerfrage in Ruhe geklärt werden kann. Die Notlösung funktioniert. Interimscoach Brian Wenzel hat in seiner Karriere als Profi schon unter vielen Trainern gearbeitet. Als Neuling auf der Bank versucht er, das Bes­te aus diesen Erfahrungen einzubringen. Etwa indem er mit gewohnten Mustern bricht und Spielern eine Chance gibt, die bisher mit Selbstzweifeln zu kämpfen hatten. Nicht jedem individuellen Fehler folgt postwendend die Order auf die Bank. Bestes Beispiel: Mitch Hahn, der sich in der ersten Hälfte gegen Rostock völlig verunsichert zeigte, in der zweiten Halbzeit dennoch in der Anfangsforma­tion stand und sich mit zehn Punkten in Serie bedankte. Eigentlich hätte Kevin Wohlrath diesen Part nach der Pause übernehmen sollen. Dass der jeden Korberfolg seines Kollegen mit geballter Faust quittierte, passte an diesem Abend gut ins Bild.

Wenzels Pluspunkt: Er verkörpert an der Seitenlinie die Lockerheit, die allen im Moment gut tut, und er vermittelt eine Mentalität, für die er selbst als Spieler stand. In Schmidt, der Kraft seines Amtes die nötige Autorität mitbringt, findet er die ideale Ergänzung.

Dass dies kein Modell auf Dauer sein kann, ist allen klar. Wenzel soll das JBBL-Team als Nachwuchs­coach in der Jugend-Bundesliga halten, Schmidt ist als Geschäftsführer an allen Fronten gefragt. Zudem steht fest: „Auch dieser Höhenflug wird enden“, sagt Brian Wenzel. „Dann wird es einen Trainer brauchen, der wieder mehr Distanz zur Mannschaft hat.“

Mensch und Maschine

Wenn prominente Paare sich trennen, muss oft eine geläufige Formel als Begründung herhalten: unüberbrückbare Differenzen. Das kann vieles bedeuten, einen Rückweg ebnet es in den seltensten Fällen. Wenn stimmt, was hinter vorgehaltener Hand berichtet wird, dann ist das Zweckbündnis zwischen dem Basketballtrainer Mauricio Parra und der Mannschaft der Knights wohl nicht mehr zu retten. Von offizieller Seite wird das Thema nicht kommentiert. Der Trainer ist vorläufig krankgeschrieben, so die zurzeit gültige Lesart.

Wer Mauricio Parra kennt, der weiß um seine fachlichen Qualitäten, um eine tadellose Arbeitshaltung, aber eben auch um Charakterzüge, die von brennendem Ehrgeiz, Dünnhäutigkeit und einem bisweilen zügellosen Temperament geprägt sind. Gegenüber der Öffentlichkeit hat sich der Spanier mit breiter Brust vor seine Mannschaft gestellt, als es schlecht lief. Er hat vor allem junge Spieler vor Kritik geschützt, um Geduld geworben und Leistungsdefizite zu erklären versucht. All das, was ein guter Chef in solchen Fällen tut.

Hinter verschlossenen Türen, so wird jetzt immer deutlicher, war das wohl häufig anders. Eine überharte Gangart, Respektlosigkeiten gegenüber einzelnen Spielern, so lauten die Vorwürfe, die jetzt bekannt werden. Dass die Mannschaft vor dem Ehingen-Spiel eine rote Linie überschritten sah, lässt auch die Vergangenheit in einem anderen Licht erscheinen. Der plötzliche Abschied des jungen Eric Durham nach dem dritten Spieltag oder der mutmaßliche Burn-out des Assistenztrainers Miguel Rodriguez vor einigen Wochen. Beide waren in der Mannschaft beliebt, und beide gelten als sensible Typen. Richtig schlüssig waren die Erklärungen für den Rückzug in beiden Fällen nie.

„Wir sind Menschen und keine Maschinen.“ Ein Satz, den Mauricio Parra in den zurückliegenden eineinhalb Jahren häufig gebraucht und der ihn jetzt vermutlich eingeholt hat.