So unglaublich es klingen mag: Mit freundlicher Unterstützung der Konkurrenz und einem Heimsieg gegen das Tabellenschlusslicht aus Quakenbrück könnten Kirchheims Zweitliga-Basketballer am Sonntagabend auf einem Play-off-Platz stehen. Zur Erinnerung: Vor etwas mehr als sieben Wochen waren die Knights nach der sechsten Niederlage im siebten Saisonspiel Tabellenletzter. Das knapp verlorene Spiel gegen den Favoriten aus Chemnitz machte dennoch Mut. Es war der Beginn einer Phase, in der sich vieles zum Besseren wendete, mit zwei überzeugenden Siegen gegen Karlsruhe und in Heidelberg. Doch dann kam Hagen. Die 70:103-Niederlage beim damaligen Tabellenschlusslicht glich einer Bankrotterklärung.
Was danach geschah, will niemand offiziell bestätigen, doch die Gerüchte verdichten sich. Ein Großteil der Mannschaft habe vor dem Heimspiel am 7. Dezember gegen Ehingen dem Trainer das Vertrauen entzogen, so heißt es. Der Vorwurf: mangelnder Respekt im Umgang miteinander. Dass das Abschlusstraining am Freitag bereits ohne Headcoach Mauricio Parra stattfand, ist Fakt. Der Trainer hatte sich am selben Tag krankgemeldet und ist es bis heute. Ebenso wahr ist, dass die Mannschaft unter den Interimstrainern Brian Wenzel und Christoph Schmidt danach drei Siege in Serie holte und dabei wie verwandelt auftrat. Auch wenn ein Großteil dieses Erfolgs noch immer Parras Handschrift tragen dürfte, eine Spielfreude wie beim Gala-Auftritt unter der Woche in Tübingen oder beim jüngsten Sieg am vergangenen Samstag gegen Rostock hatte man lange nicht mehr gesehen. Den demonstrativ zur Schau getragenen neuen Geist in der Mannschaft konnte jeder, der wollte, als klare Botschaft verstehen.
Das Offensichtliche zu erklären und dabei größeren Flurschaden zu vermeiden, ist seitdem ein Spagat, an dem sich die Vereinsführung übt. „Wir erfinden das Rad nicht neu. Wir überzeugen die Spieler, das zu tun, was sie können“, sagt Knights-Geschäftsführer Christoph Schmidt, der seit zehn Tagen unfreiwillig als Co-Trainer fungiert. Dass sich die Stimmung im Team gewandelt hat, will auch er nicht bestreiten: „Alle haben wieder Bock, Spiele zu gewinnen“, sagt Schmidt. Das Dementi schickt er allerdings schriftlich hinterher: „Wir möchten klarstellen, dass sich die Mannschaft zu keinem Zeitpunkt geschlossen gegen den Trainer ausgesprochen hat.“ Alles Weitere wolle man öffentlich nicht kommentieren.
Auch nicht die Nachricht, dass die Knights bereits auf der Suche nach Ersatz sind - über die laufende Saison hinaus. „Wir drücken Mauro die Daumen, dass er schnell wieder gesund wird“, sagt Schmidt. „Wie lange das dauert, können wir nicht einschätzen, deshalb müssen unsere Planungen auch in eine andere Richtung gehen.“
Notlösung funktioniert
Das Team selbst hat dafür gesorgt, dass die Trainerfrage in Ruhe geklärt werden kann. Die Notlösung funktioniert. Interimscoach Brian Wenzel hat in seiner Karriere als Profi schon unter vielen Trainern gearbeitet. Als Neuling auf der Bank versucht er, das Beste aus diesen Erfahrungen einzubringen. Etwa indem er mit gewohnten Mustern bricht und Spielern eine Chance gibt, die bisher mit Selbstzweifeln zu kämpfen hatten. Nicht jedem individuellen Fehler folgt postwendend die Order auf die Bank. Bestes Beispiel: Mitch Hahn, der sich in der ersten Hälfte gegen Rostock völlig verunsichert zeigte, in der zweiten Halbzeit dennoch in der Anfangsformation stand und sich mit zehn Punkten in Serie bedankte. Eigentlich hätte Kevin Wohlrath diesen Part nach der Pause übernehmen sollen. Dass der jeden Korberfolg seines Kollegen mit geballter Faust quittierte, passte an diesem Abend gut ins Bild.
Wenzels Pluspunkt: Er verkörpert an der Seitenlinie die Lockerheit, die allen im Moment gut tut, und er vermittelt eine Mentalität, für die er selbst als Spieler stand. In Schmidt, der Kraft seines Amtes die nötige Autorität mitbringt, findet er die ideale Ergänzung.
Dass dies kein Modell auf Dauer sein kann, ist allen klar. Wenzel soll das JBBL-Team als Nachwuchscoach in der Jugend-Bundesliga halten, Schmidt ist als Geschäftsführer an allen Fronten gefragt. Zudem steht fest: „Auch dieser Höhenflug wird enden“, sagt Brian Wenzel. „Dann wird es einen Trainer brauchen, der wieder mehr Distanz zur Mannschaft hat.“