Basketball

Nadelstiche und ein Fuß auf der Bremse​

Basketball Die Knights machen es mit ihrer Spielweise jedem Gegner schwer. Das ist nicht immer schön anzuschauen, aber wie gegen Nürnberg erfolgreich. Von Bernd Köble

13 Punkte gegen Nürnberg und endlich treffsicher aus der Distanz - jetzt hoffen bei den Knights alle, dass der Knoten bei Max Ro
13 Punkte gegen Nürnberg und endlich treffsicher aus der Distanz - jetzt hoffen bei den Knights alle, dass der Knoten bei Max Rockmann (rechts) am Samstag geplatzt ist.Foto: Genio Silviani

Er gehört zweifellos zu den Trainern, die man als - im positiven Sinne - basketballverrückt bezeichnen kann. Auf langen Heimfahrten nach Gastauftritten analysiert er bereits im Bus das Video vom Spiel, während andere dösen. Und wenn - wie am Freitag - das Starensemble von Real Madrid in der Euroleague gegen Podgorica völlig überraschend mit 60:73 verliert, dann ist er es, der sich mitten in der Nacht hinsetzt, um am Computer die entscheidenden Szenen unterrichtstauglich zurechtzuschneiden. Wie man einem überlegenen Gegner den Wind aus den Segeln nimmt, ist das, was Mauricio Parra in dieser Saison am intensivsten beschäftigt. Nicht weil das destruktive Element im Spiel seiner Auffassung von Basketball am nächsten käme, sondern weil es das Mittel ist, das im Moment ermöglicht, was er am dringendsten braucht: Erfolg.

Der Coach ist dünnhäutiger geworden, was Kritik an seiner Spielweise angeht, das ist allenthalben zu spüren. Nein, schön anzusehen war es über weite Strecken nicht, was die Knights gegen Nürnberg am Samstag ihren Fans servierten. So manch einer dürfte bis zur Pause bereut haben, die TV-Gala der deutschen Handballer gegen Island für das Live-Erlebnis in der Halle geopfert zu haben. Ein schleppendes Tempo, viele Ungenauigkeiten auf beiden Seiten, ein völlig zerfahrenes Spiel. Und Parra? Der sagt: „Exakt das, was wir wollten. Ich bin zu hundert Prozent zufrieden mit diesem Spiel.“

Die Taktik ging auf. Die Knights diktierten den Rhythmus, ließen die tempogewohnten Franken erst gar nicht ins Spiel kommen. Nach der Pause erhöhten die Ritter dann im richtigen Moment selbst das Tempo, zogen mit einem 15:3-Lauf auf zwölf Punkte davon und hatten plötzlich auch das zeitweilig dahindämmernde Publikum pünktlich zur Crunch­time wieder hellwach. Wieder mal ein lange Zeit behäbiges Spiel glücklich gewonnen. Wieder ein Gegner, der einen schlechten Tag erwischte? „Ich kann das inzwischen nicht mehr hören“, kontert Parra. „Keiner kommt auf die Idee, dass der Gegner nur deshalb einen schlechten Tag hat, weil wir ihn dazu machen.“

Rockmann macht Hoffnung

Tatsache ist: Es gibt nur wenige Teams in der Pro A, die über ein ähnliches Repertoire an Defensiv-Varianten verfügen wie die Ritter, und offensiv gilt: Langsam und strukturiert - das ist angesichts der personellen Möglichkeiten zurzeit das Mittel der Wahl. „Wer spektakulären Basketball sehen will“, sagt Mauricio Parra, „der sollte die Golden State Warriors schauen - wir wollen gewinnen.“ Natürlich ist auch dem Trainer das größte Manko seines Teams nicht entgangen: In der Offensive fehlen Punkte. Ein Rhondell Goodwin, der mit 26 Zählern und inzwischen 17,7 Punkten pro Spiel am Samstag in der Liga-Hitparade zu Heidelbergs Shy Ely aufschloss, ist allein auf Dauer zu wenig. Umso mehr ins Gewicht fiel das Lebenszeichen, das diesmal von Max Rockmann ausging. Drei mutige Dreier und ein Korbleger des gebürtigen Berliners zur rechten Zeit waren nach der Halbzeitpause der Türöffner zum Sieg. Das, was man vom Rückkehrer zwar immer erhofft, aber bisher nicht zu sehen bekommen hatte. „Ich hoffe, dass ich damit endlich meinen Rhythmus finde“, sagt der 30-Jährige, der am Samstag mit Phillip Daubner zeitweilig die Rollen tauschte und sich auf der „Vier“ sichtlich wohl fühlte. Rockmann, der wie er selbst sagt, eine „extrem schwierige Saison“ bestreitet, versucht seit seinem Wechsel aus dem Artland über Defensivaufgaben gewohnte Sicherheit zu finden. Am Samstag nahm er sich endlich ein Herz und trug seinen Teil dazu bei, dass es statt Abstiegskampf nun wieder heißt: nur einen Sieg entfernt von einem Play-off-Platz.

Neues Topteam und ein alter Bekannter

Die Steeples aus Ehingen sind die Überraschung der laufenden Saison in der Pro A. Nach dem deutlichen 93:72-Heimerfolg am Sonntag gegen Karlsruhe - dem vierten Sieg in Folge - steht der Last-Minute-Aufsteiger auf dem fünften Tabellenplatz. Nach vier Jahren Überlebenskampf und dem zwischenzeitlichen Abstieg in die Pro B knüpft das Talentteam der Urspringschule an die Überraschungssaison 2013/14 an, als die Mannschaft Dritter wurde. Ihr damaliger Trainer Ralph Junge - am Samstag beim Knights-Gegner Nürnberg auf der Bank - wurde damals zum Pro-A-Trainer des Jahres gekürt.

Ehingen profitiert in diesem Jahr von einem bärenstarken Trio auf dem Feld: Kevin Yebo, Ray Simmons und Kapitän Seger Bonifant führen in den Kategorien Rebounds und Effektivität (Yebo), Assists (Simmons) und Dreier-Bilanz (Bonifant) jeweils das Liga-Ranking an.

Ein Ex-Kirchheimer ist seit vergangener Woche wieder zurück in der Pro A: Bryan Smithson, von 2013 bis 2015 Spielmacher der Knights, hat beim Tabellenschlusslicht in Hanau unterschrieben. Die White Wings haben damit auf die Verletzung ihres deutschen Kapitäns Till-Joscha Jönke reagiert. Smithson war zuletzt in Tuři Svytavy in der ersten tschechischen Liga unter Vertrag und führte sich mit zehn Punkten und vier Assists beim Sieg in Hagen gut ein.bk