Er gehört zweifellos zu den Trainern, die man als - im positiven Sinne - basketballverrückt bezeichnen kann. Auf langen Heimfahrten nach Gastauftritten analysiert er bereits im Bus das Video vom Spiel, während andere dösen. Und wenn - wie am Freitag - das Starensemble von Real Madrid in der Euroleague gegen Podgorica völlig überraschend mit 60:73 verliert, dann ist er es, der sich mitten in der Nacht hinsetzt, um am Computer die entscheidenden Szenen unterrichtstauglich zurechtzuschneiden. Wie man einem überlegenen Gegner den Wind aus den Segeln nimmt, ist das, was Mauricio Parra in dieser Saison am intensivsten beschäftigt. Nicht weil das destruktive Element im Spiel seiner Auffassung von Basketball am nächsten käme, sondern weil es das Mittel ist, das im Moment ermöglicht, was er am dringendsten braucht: Erfolg.
Der Coach ist dünnhäutiger geworden, was Kritik an seiner Spielweise angeht, das ist allenthalben zu spüren. Nein, schön anzusehen war es über weite Strecken nicht, was die Knights gegen Nürnberg am Samstag ihren Fans servierten. So manch einer dürfte bis zur Pause bereut haben, die TV-Gala der deutschen Handballer gegen Island für das Live-Erlebnis in der Halle geopfert zu haben. Ein schleppendes Tempo, viele Ungenauigkeiten auf beiden Seiten, ein völlig zerfahrenes Spiel. Und Parra? Der sagt: „Exakt das, was wir wollten. Ich bin zu hundert Prozent zufrieden mit diesem Spiel.“
Die Taktik ging auf. Die Knights diktierten den Rhythmus, ließen die tempogewohnten Franken erst gar nicht ins Spiel kommen. Nach der Pause erhöhten die Ritter dann im richtigen Moment selbst das Tempo, zogen mit einem 15:3-Lauf auf zwölf Punkte davon und hatten plötzlich auch das zeitweilig dahindämmernde Publikum pünktlich zur Crunchtime wieder hellwach. Wieder mal ein lange Zeit behäbiges Spiel glücklich gewonnen. Wieder ein Gegner, der einen schlechten Tag erwischte? „Ich kann das inzwischen nicht mehr hören“, kontert Parra. „Keiner kommt auf die Idee, dass der Gegner nur deshalb einen schlechten Tag hat, weil wir ihn dazu machen.“
Rockmann macht Hoffnung
Tatsache ist: Es gibt nur wenige Teams in der Pro A, die über ein ähnliches Repertoire an Defensiv-Varianten verfügen wie die Ritter, und offensiv gilt: Langsam und strukturiert - das ist angesichts der personellen Möglichkeiten zurzeit das Mittel der Wahl. „Wer spektakulären Basketball sehen will“, sagt Mauricio Parra, „der sollte die Golden State Warriors schauen - wir wollen gewinnen.“ Natürlich ist auch dem Trainer das größte Manko seines Teams nicht entgangen: In der Offensive fehlen Punkte. Ein Rhondell Goodwin, der mit 26 Zählern und inzwischen 17,7 Punkten pro Spiel am Samstag in der Liga-Hitparade zu Heidelbergs Shy Ely aufschloss, ist allein auf Dauer zu wenig. Umso mehr ins Gewicht fiel das Lebenszeichen, das diesmal von Max Rockmann ausging. Drei mutige Dreier und ein Korbleger des gebürtigen Berliners zur rechten Zeit waren nach der Halbzeitpause der Türöffner zum Sieg. Das, was man vom Rückkehrer zwar immer erhofft, aber bisher nicht zu sehen bekommen hatte. „Ich hoffe, dass ich damit endlich meinen Rhythmus finde“, sagt der 30-Jährige, der am Samstag mit Phillip Daubner zeitweilig die Rollen tauschte und sich auf der „Vier“ sichtlich wohl fühlte. Rockmann, der wie er selbst sagt, eine „extrem schwierige Saison“ bestreitet, versucht seit seinem Wechsel aus dem Artland über Defensivaufgaben gewohnte Sicherheit zu finden. Am Samstag nahm er sich endlich ein Herz und trug seinen Teil dazu bei, dass es statt Abstiegskampf nun wieder heißt: nur einen Sieg entfernt von einem Play-off-Platz.