Fussball

Blaue Power für Rot in Not

Fußball Mit den beiden Co-Trainern Paco Vaz und Tobias Rathgeb sowie Kapitän Christian Gentner haben drei VfB-Akteure in der Relegation VfL-Vergangenheit. Von Klaus Schlütter

Oben bleiben: Der VfB um das Trainer-Trio Paco Vaz, Nico Willig und Tobias Rathgeb (von links) peilt in der Relegation gegen Uni
Oben bleiben: Der VfB um das Trainer-Trio Paco Vaz, Nico Willig und Tobias Rathgeb (von links) peilt in der Relegation gegen Union Berlin den Klassenerhalt an. Was wenige wissen: Vaz und Rathgeb waren in der Vergangenheit für den VfL Kirchheim aktiv. Foto: Eibner

Als der ehemalige Kirchheimer Oberliga-Spieler Francisco „Paco“ Vaz Anfang 2018 Trainer der Stuttgarter Kickers war, kam er bei einem lebensgefährlichen Zwischenfall unbeschadet davon. Mitten im Sturmtief „Burglind“ parkte er sein Auto vor der Kickers-Geschäftsstelle in Degerloch. Kaum war er im GEbäude, stürzte ein entwurzelter Baum auf sein „Heiligs Blechle“.

So viel Glück wie damals wünscht sich Vaz heute und am Montag mit dem VfB Stuttgart, bei dem er einer von zwei Co-Trainern ist. Der 45-Jährige ist in der Relegation zwischen dem Bundesliga-16. und dem Dritten der zweiten Liga einer von drei „Roten“, in denen noch Reste von blauem Blut fließen. Einer auf dem Platz, zwei an der Seitenlinie.

Paco Vaz kam 1991 von seinem Heimatverein TSV Dettingen/Erms zum VfL, spielte erst bei den A-Junioren, dann drei Jahre in der ersten Mannschaft. „Unter Trainer Hansi Kleitsch erst im Angriff an der Seite von Thomas Brdaric, mit zunehmendem Alter weiter hinten“, wie er sich erinnert. Er war ein schneller Stürmer, ausgestattet mit subtiler Technik. Später wechselte er nach Metzingen, war Spielertrainer in Bad Urach, coachte Zainingen, Grafenberg und die SG Erkenbrechtsweiler Hochwang, die er 2011 in der Bezirksliga auf Platz fünf führte.

Weiter ging‘s als Trainer mit der A-Lizenz bei diversen Jugendmannschaften des SSV Reutlingen, den Stuttgarter Kickers und dem VfB, gefolgt von einem Drei-Monats-Job bei den Blauen in der Regionalliga. Seit 21. April ist er Co-Trainer von Nico Willig beim VfB-Unternehmen „Rettungsversuch Bundesliga“.

Der Partner an seiner Seite ist seither einer, der von 1996 bis 1998 in der Jugend in Kirchheim gekickt hat: Tobias Rathgeb (36) aus Denkendorf. Er wechselte von der Teck zum VfB II, wurde ein Jahr an den FC St. Gallen ausgeliehen (2004/05) und spielte zwischen 2006 und 2009 bei Hansa Rostock. Nach der Rückkehr zu den Roten war er bis zu seinem Karriereende 2017 Kapitän der zweiten Mannschaft. Die Trainerlaufbahn begann er in Cannstatt als „Co“ bei den A- und B-Junioren.

Kirchheims Urgestein Norbert Krumm, der damals die zweite VfL-Garnitur trainierte, erinnert sich an den Jugendspieler Rathgeb: „Einer, der voranging. Technisch stark mit Auge für die Situation. Seine Freistöße hatten besondere Qualität.“

Gentner: „Das ist ein Geschenk“

Gegen Union Berlin sind die Führungsqualitäten von Christian Gentner, dem dritten einstigen VfL-Spieler (1998/99), auf dem Spielfeld gefragt. Der 33-jährige VfB-Kapitän sagt: „Die Möglichkeit, mit nur 28 Punkten noch um den Klassenerhalt spielen zu können, ist ein Geschenk. Wir müssen bereit sein, dieses Geschenk auch anzunehmen.“

Die Statistik spricht dafür, dass es klappt. Von bisher 20 Entscheidungsspielen zwischen erster und zweiter Liga hat der jeweilige Bundesligaklub 15 Mal die Oberhand behalten. Dazu Paco Vaz im Brustton der Überzeugung: „So soll‘s weitergehen. Wir werden alles dafür tun.“

Entenhausen fiebert mit

Ganz Berlin drückt heute und am Montag den Zweitligakickern von Union in der Relegation die Daumen - ganz Berlin? In der Braunschweiger Straße 155 im Stadtteil Neukölln bestimmt niemand. Dort hat der größte VfB-Fanclub außerhalb des Ländles seinen Sitz. Die 199 Mitglieder der „Cannstatter Kurve Berlin“ fiebern und leiden seit ihrer Gründung 2008 im vereinseigenen „Rössle“ mit den Roten mit. „Wir sind einfach nur Gleichgesinnte aus dem Süden, die es privat oder beruflich nach Berlin verschlagen hat und die den VfB genießen wollen“, sagt Marko Andric, Vorsitzender der „CKB08“.

Obwohl Genuss und VfB in den vergangenen Jahren selten zusammenpassen wollten, sind die Exil-Fans in der Bundeshauptstadt vom Relegationserfolg überzeugt. „Wir werden uns souverän durchsetzen“, glaubt Marko Andric, „Union wird vor Angst die Düse gehen.“

Der Mann muss es wissen, hat er doch beruflich unter anderem auch mit Daniel Düsentrieb zu tun - Andric ist Chefredakteur beim Ehapa-Verlag, der Kinder und solche, die es bleiben wollen, seit Jahrzehnten mit Comics aus Entenhausen versorgt. Heute und am Montag wird der 38-Jährige aber nicht in Mäusen und Enten machen, sondern seinem VfB fest die Daumen drücken. Befeuert durch nervenberuhigenden Gerstensaft aus der Heimat: Im „Rössle“ wird standesgemäß „Wulle“ aus dem Hause Dinkelacker-Schwabenbräu ausgeschenkt. Na, denn Prost und „Auf den VfB“!