Fussball

Der Unmut an der Basis wächst

Fußball Beim Thema Gewalt gegen Schiedsrichter werfen Amateurvereine den Verbänden Untätigkeit vor.

Dem Amateurfußball laufen die Schiedsrichter davon - wie man diesen Trend stoppt, darüber rätseln alle Beteiligten seit geraumer
Dem Amateurfußball laufen die Schiedsrichter davon - wie man diesen Trend stoppt, darüber rätseln alle Beteiligten seit geraumer Zeit. Symbolbild: Markus Brändli

Kirchheim. Immer weniger Ehrenamtliche für immer mehr Aufgaben - das Vereinswesen im Land hat in allen Sparten mit denselben Problemen zu kämpfen. Auch im Sport, auch im Fußball. Hier drückt der sprichwörtliche Schuh am meisten bei denen, ohne die die Torehatz gar nicht möglich wäre: die Schiedsrichter. Die seit Jahren ohnehin sinkenden Zahlen gehen vor dem Hintergrund zunehmender Fälle von Beleidigungen und Gewalt immer weiter zurück.

Im Bezirk Neckar/Fils, dem aktuell 30 Unparteiische fehlen, um eine hundertprozentige Abdeckung aller Spiele zu gewährleisten, setzen die Verantwortlichen auf den Dialog mit den Vereinen. Einem runden Tisch im Februar in Kirchheim sowie den obligatorischen Staffeltagen im Sommer folgte vor zwei Wochen ein erneuter Gedankenaustausch in Deizisau. Das Thema: Wie gewinnt man Schiedsrichter, wie hält man die bestehenden bei der Stange und wie kann man der Gewalt gegen die pfeifende Zunft Herr werden?

Dass zwischen Neckar und Fils Antworten auf Fragen gefunden werden, die ganz Fußball-Deutschland umtreiben, war naturgemäß nicht zu erwarten. Außer dem schon oft wiederholten Appell, die Vereine mögen Schiedsrichterbeauftragte installieren und schulen, kam bislang wenig Konkretes bei den Gesprächsrunden heraus. Und wenn doch, konnten die Verantwortlichen auf Bezirks- ebene nicht mehr tun, als die Vorschläge zu notieren, um sie weiterzugeben - die Entscheidungsgewalt liegt beim Württembergischen Fußballverband (WFV) und dessen übergeordneten Stellen bei DFB, Uefa und Fifa.

Dass sich dort wenig bis nichts bewegt, stößt vielen an der Basis sauer auf. Der Jesinger Abteilungsleiter Peter Martsch fühlt sich von den Verbänden im Stich gelassen. Der Funktionär hatte bereits bei der Gesprächsrunde im Februar in Kirchheim verschiedene Denkanstöße zum Thema Schiedsrichter gegeben, die jedoch ungehört verhallten. „Dem Bezirk sind die Hände gebunden und der Verband ist zu weit weg“, klagt Martsch.

Seine Kritik wird durch einen offenen Brief befeuert, den der neue DFB-Präsident Fritz Keller vergangene Woche an alle Vereine in Deutschland verschickt hatte. Im Namen des DFB bekundet Keller darin die Solidarität mit den Schiedsrichtern und sicherte ihnen Unterstützung zu - wie, in welcher Form und wann bleibt offen. „Das sind nicht mehr als Lippenbekenntnisse“, ärgert sich Peter Martsch, der sich als ehemaliger Referee und Ausschussmitglied der Schiedsrichtergruppe Nürtingen konkrete Maßnahmen gewünscht hätte. „Die Vereine bräuchten klare Vorgaben von oben, wie sie bei diesem Thema vorgehen sollen. Es kann doch nicht sein, dass wir als Vereine für alles die Lösung finden sollen.“

Einheitlicher Strafenkatalog?

Martsch ist mit seiner Kritik nicht allein. Der Unmut über die Verbandsverantwortlichen wächst bundesweit. Die Arbeitsgruppe „Keine Gewalt gegen Schiedsrichter“ aus Nordrhein-Westfalen wirft dem DFB Untätigkeit vor. „Reichen fast 3000 Angriffe nicht aus, um das Thema mit hoher Priorität auf die Tagesordnung zu bringen?“, fragen die Initiatoren, die sich als Ansprechpartner für Unparteiische verstehen, die Opfer von Gewalt geworden sind. Die Vorschläge der Arbeitsgruppe für einen bundesweit einheitlichen Strafenkatalog und die Finanzierung einer Rechtsschutzversicherung für alle Schiedsrichter, findet auch Peter Martsch richtig: „Am Geld darf es bei diesem Thema nicht scheitern“, sagt er, „davon haben die Verbände genug.“

Immerhin: Einen ersten Schritt in diese Richtung ist der WFV mit der Erhöhung der Spesen zu Beginn der aktuellen Saison gegangenen. Im Schnitt wurden die Spesen für die einzelnen Spielklassen um 30 Prozent angehoben. In der Bezirksliga gibt‘s seitdem 40, in der Kreisliga immerhin 33 Euro pro Spiel.

Ob und wie sehr sich der gestiegene finanzielle Anreiz bemerkbar machen wird, kann der Obmann der Schiedsrichtergruppe Nürtingen, Steffen Müller, nicht vorhersagen. „Das werden wir frühestens erfahren, wenn die Anmeldungen für den nächsten Neulingslehrgang im Januar vorliegen“, sagt er, der dem Nachwuchsmangel und dem Schirischwund mit gelebter Kameradschaft innerhalb der Gruppe entgegentritt. Darüber hinaus setzt Müller wie seine Kollegen im Bezirksvorstand auf Dialog, um der Problematik Herr zu werden. „Meine Hoffnung ist, dass das Thema alle Beteiligten zum Nachdenken bringt und im gegenseitigen Austausch Lösungen gefunden werden.“

Dem Beispiel der pfeifenden Kollegen in Berlin, die vor zwei Wochen mit einem Generalstreik für den Ausfall von über 1000 Spielen gesorgt hatten, will man rund um die Teck jedenfalls nicht folgen. „Davon halte ich gar nichts“, betont Steffen Müller, „mit einem Streik bestraft man auch Vereine, die sich nichts zuschulden kommen lassen.“ Peter Eidemüller

Informationen über das Schiedsrichterwesen rund um die Teck finden sich im Internet unter www.srg-nuertingen.de