Herr Ohran, Sie trifft der erneute Lockdown als Lehrer und Fußballtrainer gleich doppelt - wie ergeht es Ihnen derzeit?
Gut. Aber vermutlich auch nur aufgrund der Gewissheit, dass es politisch die einzig nachvollziehbare Entscheidung war und meine Familie gesund ist. Und im Fußball wäre momentan sowieso Winterpause, insofern hält sich meine Wehmut auch in der Hinsicht in Grenzen. Aber klar, das gesellschaftliche Leben fehlt einem total. Und je länger der Zustand anhält, desto mehr wünscht man sich das natürlich zurück.
Sie sind seit Ende November Trainer des VfL Kirchheim und sicher voller Tatendrang. Wie können Sie sich seither ohne Spielbetrieb im Verein einbringen?
Mir ging es vor allem darum, meine Spieler - aber auch den älteren Jahrgang der A-Jugend - erst einmal in Einzelgesprächen per Videoanruf kennenzulernen. Denn bis auf Kapitän Marcel Helber, mit dem ich damals selbst noch gemeinsam auf dem Platz gestanden habe, kannte ich bislang keinen der Spieler persönlich. Mehr ist aktuell ja leider nicht möglich.
Den Januar über ist das Transferfenster geöffnet. Wie gestaltet sich die Kaderplanung in Zeiten von Corona?
Im Winter generell, aber erst recht unter den aktuellen Bedingungen, ist es enorm schwierig, Spieler zu verpflichten. Außerdem müsste ich ja zuerst mit meinem Team trainieren dürfen, um festzustellen, wo überhaupt Bedarf wäre.
Mit Meksud Colic hat der Toptorjäger der vergangenen Jahre den Verein im Winter in Richtung TSV Bad Boll verlassen. Bedarf wäre doch also vorhanden?
Der Abgang von Meksud schmerzt natürlich. Aber sein Wechselwunsch bestand schon längere Zeit, daran konnte ich dann auch nichts mehr ändern. Aber wir haben einen großen Kader und dank der guten Arbeit der A-Jugendtrainer Manuel Rothweiler und Christopher Andrä kann ich auf talentierte Jungs aus der U19 zurückgreifen. Da kann sich jetzt jeder zeigen und beweisen. lm Sommer sehen wir dann weiter, wie wir auf dem Transfermarkt agieren.
Mit Semih Narin hat der VfL kürzlich einen neuen Sportlichen Leiter eingestellt, der sich in erster Linie um die Kaderplanung kümmern soll. Was erhoffen Sie sich von der Zusammenarbeit?
Über die Entscheidung, Semih mit an Bord zu holen, bin ich sehr froh. Es ist enorm wichtig, dass die sportliche Leitung und der Trainer sich ergänzen und viel miteinander im Austausch sind. Semih hält mir bei vielen Dingen den Rücken frei, damit ich mich aufs Team konzentrieren kann. Wir sind auch vollkommen im Einklang, was die Philosophie betrifft: Wir wollen, so wie der VfL es seit Jahren wieder vermehrt verfolgt, viel auf Eigengewächse setzen und ihnen die nötige Zeit geben.
Es deutet alles darauf hin, dass die laufende Saison - sofern sie fortgesetzt wird - in eine Auf- und Abstiegsrunde geteilt wird. Der VfL liegt derzeit im Niemandsland der Liga. Wie geht man als neuer Trainer diese Aufgabe an?
Ich müsste zuerst regelmäßig mit dem Team trainieren, um mir ein genaues Bild zu machen und unsere Qualität im Vergleich zur Konkurrenz einzuordnen. Erst dann kann ich mir auch konkrete Ziele setzen. Bis dahin gilt die typische Fußballerfloskel: Ich denke von Woche zu Woche beziehungsweise von Spiel zu Spiel.
Wenn Sie sich selbst als Trainer beschreiben müssten - was macht Sie aus und worauf legen Sie Wert?
Mir ist wichtig zu sehen, dass sich meine Jungs auf dem Platz voll verausgaben. Das sind 90 Minuten pro Woche, in denen jeder bis an seine körperlichen Grenzen gehen muss. Dazu gehören Sprints, Gegenpressing, schnelles Spiel nach vorne, intensive Laufwege und geistige Aufmerksamkeit. Ein Spieler muss für mich nicht alles können, aber er muss seine positionsspezifische Aufgabe erfüllen.
Sie selbst haben an der Jesinger Allee ab der D-Jugend alle Nachwuchsmannschaften durchlaufen und standen von 2007 bis 2010 auch in der Oberliga für den VfL auf dem Platz. Wie war der Kontakt während der vergangenen Jahre?
Da ich keine Funktion beim VfL hatte und stets woanders als Spieler aktiv war, hatte ich zum Verein selbst gar keinen Kontakt. Die emotionale Bindung war aber logischerweise immer da, weshalb ich auch nicht lange überlegen musste, als Ende November der Anruf von Abteilungsleiter Marc Butenuth kam.
Der VfL kommt trotz seines großen Namens seit 2014 nicht mehr über die Bezirksliga hinaus. Wo sehen Sie den Klub langfristig?
Wir müssen realistisch sein und dürfen nicht in der Vergangenheit leben, was das Image betrifft. Wir haben beim VfL mit der Sportanlage und der Jugendarbeit eine richtig gute Basis, aber ich denke, es ist generell immer schwieriger aufzusteigen, als sich dann in einer neuen Liga zu etablieren. Zumal die Bezirksliga auch Jahr für Jahr an Qualität gewinnt. Das Ziel sollte daher sein, in den nächsten Jahren realistische Chancen auf den Aufstieg zu haben.